Ehrenamt im Landkreis:Professionalisierung der Freiwilligendienste

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Ehrenamtliche Helfer der Nachbarschaftshilfen befürchten, verdrängt zu werden. (Foto: Catherina Hess)

Sozialausschuss stoppt Aufbau eines neuen Netzwerks der Seniorenarbeit. Dafür werden klassische Nachbarschaftshilfen gestärkt.

Von Stefan Galler, Landkreis

Das Konzept ist modern und in die Zukunft gerichtet, dennoch wird der Münchner Verein "Dein Nachbar" sein Netzwerk zur Unterstützung von zuhause lebenden Senioren bis auf weiteres nicht auf den Landkreis München ausweiten. Der Sozialausschuss des Landkreises hat dem in seiner jüngsten Sitzung eine Absage erteilt. Ursprünglich hatte die Verwaltung vorgehabt, den Verein mit einer Anschubfinanzierung in Höhe von 292 000 Euro auszustatten, damit dieser seine Idee, die er in München seit gut zweieinhalb Jahren umsetzt, auf den Kreis überträgt. Es geht dabei darum, dass die ehrenamtlichen Helfer miteinander und mit der Leitstelle über das Internet vernetzt sind.

So könnte effizient ermittelt werden, welcher Helfer zu welchem Zeitpunkt verfügbar ist und welche Kompetenzen er besitzt; entsprechend schnell werden Dienstpläne erstellt und angepasst. Wie klassische Nachbarschaftshilfen bietet auch "Dein Nachbar" die Betreuung von hilfs- und pflegebedürftigen Personen an, übernimmt hauswirtschaftliche Dienstleistungen oder Fahrdienste, etwa zum Einkaufen oder zum Arzt. Geplant war, sich im Osten Münchens, nämlich in Kirchtrudering, mit einer Zentrale für den Landkreis anzusiedeln und dann das Angebot kontinuierlich im Osten und Süden sowie später im gesamten Landkreis auszubauen.

Den Kreisräten erschien das Konzept zwar stimmig, man vermisste allerdings den Mehrwert im Vergleich zu den zum Teil Jahrzehnte bestehenden Nachbarschaftshilfen. Außerdem kam den Politikern die idealistische Komponente der Freiwilligenarbeit nicht so recht rüber: "Ein bisschen wirkte das so, als hätte da jemand entdeckt, wo er Geld verdienen kann", sagte SPD-Kreisrätin Johanna Hagn auf SZ-Nachfrage. Man habe im Vorfeld der Sitzung alle Nachbarschaftshilfen im Landkreis zusammengetrommelt und um Stellungnahmen zu dem neuen Konzept gebeten.

"Da ist schon klar geworden, dass diese ehrenamtlichen Helfer Angst hatten, verdrängt zu werden", so Hagn. Die Nachbarschaftshilfen hätten auf ihre qualitativ hochwertige Arbeit hingewiesen und im Hinblick auf die zukunftsweisende Vernetzung der Helfer bei "Dein Nachbar" angemerkt, dass sie sich durchaus in der Lage sähen, nach und nach ein ähnliches Modell zu entwickeln - wenn möglich mit Unterstützung aus dem Landratsamt.

Der Landkreis übernimmt eine Art "Tower-Funktion"

Letztlich war auch Landrat Christoph Göbel (CSU), der noch im Juli für eine Förderung von "Dein Nachbar" argumentiert hatte, auf die Linie der Kritiker eingeschwenkt. "Die Nachbarschaftshilfen hatten Vorbehalte, dass ihnen der neue Anbieter das Wasser abgräbt", sagte der Landrat, machte aber zugleich klar, dass sich die ehrenamtliche Seniorenhilfe auch im Landkreis professionalisieren müsse. Deshalb werde die Arbeit der Nachbarschaftshilfen künftig im Landratsamt gebündelt: "Wir übernehmen eine Art Tower-Funktion", sagte Göbel. Es wird eine Service-Stelle eingerichtet für alle Nachbarschaftshilfen, egal welche Größe und welchen Grad der Professionalisierung sie auch haben mögen. Die Stelle wird dann aus den im Landratsamt vorhandenen Personalressourcen besetzt.

Zudem bezahlt der Landkreis die notwendigen Schulungen für Ehrenamtliche und Festangestellte in den Nachbarschaftshilfen, dafür sind 15 000 Euro pro Jahr vorgesehen. Und man möchte sich "Dein Nachbar" zumindest insofern zum Vorbild nehmen, da eine Art "Freiwilligenmanagement" aufgebaut werden soll. "Diese Tätigkeiten haben heute nicht mehr die Beständigkeit von früher. Wenn ein Ehrenamtlicher diese Woche kann, heißt es nicht, dass er auch nächste Woche Zeit hat. Wir dürfen diese Menschen aber nicht abschrecken oder ihnen ein schlechtes Gewissen machen", sagte Landrat Göbel.

Um bei der Unterstützung der Nachbarschaftshilfen künftig flexibler zu sein, folgte der Sozialausschuss noch einem Antrag der SPD-Kreisrätin Hagn: Die für das Jahr 2018 bereits in den Haushalt eingestellten 260 800 Euro, die als Anschubfinanzierung für den Verein "Dein Nachbar" vorgesehen waren, werden nun in jene Haushaltsstelle übertragen, die den Nachbarschaftshilfen unter die Arme greift. "Wir brauchen mehr Mittel für Haushaltshilfen, Schulungen - und das gilt für alle Nachbarschaftshilfen", so Hagn.

© SZ vom 19.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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