Bauen:Das zweite Leben des Betonbunkers

Bauen: Das Geschäftshaus an der Hans-Stießberger-Straße war reif für den Abriss. Jetzt zieht dort eine Holzbaufirma ein.

Das Geschäftshaus an der Hans-Stießberger-Straße war reif für den Abriss. Jetzt zieht dort eine Holzbaufirma ein.

(Foto: Claus Schunk)

Eine Immobilienfirma revitalisiert ein Bürogebäude in Haar, statt es abzureißen. Einziehen wird ausgerechnet eine Firma, die sich auf Holzhäuser spezialisiert hat.

Von Bernhard Lohr, Haar

Aus einem kleinen Radio dudelt Rockmusik. Radio Arabella. Achtzigerjahre-Sound hellt den trüben Montagmorgen auf der Baustelle etwas auf. Ein Arbeiter verlegt in der Halle im ersten Stock des alten Bürogebäudes in Haar schon Kabel. Ein anderer verschraubt am Boden eine Metallschiene, in die später eine Wand eingesetzt wird. Akkuschrauber heulen auf. Zwei Türen weiter im ruhigeren Ostflügel stehen Wolfgang Merx und sein Kompagnon Jürgen Schröder mit einem aufgeklappten Plan in der Hand und schwärmen vom perfekten neuen Sitz ihrer Firma Ecoline. Sie entwerfen und bauen - teils selbst, teils mit Partnern - Häuser aus Holz. Sie haben mit dem aus Gründen des Klimaschutzes mehr und mehr angesagten Baustoff Großes vor. Und ziehen nun ausgerechnet in den Betonbunker aus dem Jahr 1972.

Das klingt, als wären die beiden zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. Wäre da nicht noch Matthias Wilhelm mit in der Runde, der mit jugendlich unbekümmertem Lachen, weißen Turnschuhen und Jeans ein ungewöhnliches Bild von einem Bauträger abgibt. Das Haus sei zu schade, um es abzureißen, sagt der Geschäftsführer von F4-Immobilien. Viel besser sei, es zu revitalisieren: "Das wird komplett zurück gebaut, dann entwickeln wir ein Konzept und bauen es wieder auf."

Bauen: Was nicht reingehört, kommt raus. Das ist die Devise von Matthias Wilhelm, der den 1972 errichteten Bürobau herrichtet für eine weitere Verwendung.

Was nicht reingehört, kommt raus. Das ist die Devise von Matthias Wilhelm, der den 1972 errichteten Bürobau herrichtet für eine weitere Verwendung.

(Foto: Claus Schunk)

Es ist Matthias Wilhelms Version von Nachhaltigkeit, die an der Hans-Stießberger-Straße in Haar nahe der Stadtgrenze zu München zwei Gegensätze hat zusammenwachsen lassen. Noch ist das Haus eine Baustelle. Im Erdgeschoss trennt eine Tür als Schleuse Bereiche ab, in denen eine Asbestsanierung läuft. Vor dem Haus prägen ausgedehnte Asphaltflächen das Szenario zwischen Discounter und Spielcenter. Immerhin: Der Expressbus X202 hält vor der Tür. Manche Stockwerke sind schon umgebaut, Ladestationen für Elektrofahrzeuge soll es bald geben, kündigt Wilhelm an. Im Netz wird das Gebäude, das vier im 90-Grad-Winkel angeordnete Flügel kennzeichnet, schon als hippes "Haus der Perspektive" und "Green Building" mit Dachterrasse für gewerbliche Mieter vermarktet. 6000 Quadratmeter Bürofläche auf vier Etagen. Ecoline hat gut 2000 nun für sich reserviert.

Bauen: Die Beton- und die Holzhausfraktion auf der Baustelle. F4-Geschäftsführer Matthias Wilhelm sowie Wolfgang Merx und Jürgen Schröder (von links) mit zwei Mitarbeiterinnen.

Die Beton- und die Holzhausfraktion auf der Baustelle. F4-Geschäftsführer Matthias Wilhelm sowie Wolfgang Merx und Jürgen Schröder (von links) mit zwei Mitarbeiterinnen.

(Foto: Claus Schunk)

Die beiden 55 und 65 Jahre alten Holzhausbauer wirken wie Leute, die wissen, was sie tun. Sie haben in ihrem Berufsleben einiges erlebt und schon Unternehmen geführt. Merx hatte mit seiner Frau bereits eine Immobilienfirma, die von der Beratung bis zur Baugenehmigung ein Rundumpaket verkaufte. Schröder war ebenfalls in dem Bereich unterwegs. Sie fanden zusammen. Bei der Gründung von Ecoline stand 2019 in der Panntum GmbH ein großer Grünwalder Bauträger Pate, weil man das Holzhaus als Zukunftsmarkt ausgemacht hatte. 2020 übernahmen dann Merx und Schröder alleine das Ruder. Mit Panntum gebe es keine Verbindung mehr, sagt Merx.

Zunächst bauten die beiden in Taufkirchen die Firma auf, die bis heute vor allem, aber nicht nur, ein Netzwerk ausmacht. Bei Ecoline finden Architekten, holzverarbeitende Betriebe, Heizungsbauer und Innenausstatter zusammen. Ecoline vermittelt, baut aber Merx und Schröder zufolge auch selbst und hat Anteil an einem holzverarbeitenden Betrieb im Oberland. Der Feststadel in Unterföhring ist zum Beispiel ein Ecoline-Partnerprojekt, in Moosach an der Ernst-Platz-Straße hat man soeben ein Sechsfamilienhaus, ganz in Holz, wie Merx betont, fertiggestellt. Im Frühjahr soll nun die Firmenzentrale nach Haar ziehen und auf 1500 Quadratmetern ein Innovationszentrum entstehen. Showrooms soll es geben, Büros, auch für Partnerfirmen. Man bringe weitere Firmen mit nach Haar, sagt Merx, und spricht von einem Netzwerk von 80 Unternehmen.

Bauen: Ein Holzhaus noch ohne Verputz: das von Ecoline errichtete Sechs-Familien-Haus an der Ernst-Platz-Straße in München-Moosach.

Ein Holzhaus noch ohne Verputz: das von Ecoline errichtete Sechs-Familien-Haus an der Ernst-Platz-Straße in München-Moosach.

(Foto: Ecoline)

Holzhäuser sind im Kommen. Es geht nicht mehr nur um einfache Gebäude in Holzständerbauweise. Die Palette, die Ecoline anbietet, reicht vom Modulbau über das individuell gestaltete Eigenheim bis zum Hotelbau. Dabei sieht man den Häusern nicht unbedingt an, dass sie aus Haus Holz sind. Es gibt Gebäude im Bauhaus-Stil mit verputzter weißer Fassade und Häuser im Toscana-Look. Es gehe um echten Holzbau, und bei Hotels, wie Merx sagt, auch um Hybridbau mit Betonkern. Sanierungen oder ökologische Wärmedämm-Systeme biete man mit Partnern an, sagt Schröder. Wichtig nimmt man Design-Fragen. Ein Großteil der Ausstellungsfläche in Haar soll nur dem Interieur gewidmet sein, bis hin zur Küche.

Dabei setzen Merx und Schröder darauf, dass ihnen der von der Berliner Regierung propagierte Kampf gegen den Klimawandel in die Karten spielt. Merx schwärmt von seinem eigenen Holzhaus in Bamberg, in dem er praktisch keine Heizkosten habe. Er versorge sich selbst mit Energie. "Ich habe keinen Anschluss an einen Stromversorger." Schröder bekräftigt, ein Holzhaus reflektiere die Wärme, anders als Beton. In solchen Häusern stelle sich eher die Frage, wie man sie im Sommer kühle. Merx sagt, Holz sei über Jahrhunderte der vorrangige Baustoff gewesen und komme nun zurück.

Dabei steht Merx bei diesen Worten in einem entkernten Betonskelettbau, was Matthias Wilhelm von F4-Immobilien schon auch für eine Ehrenrettung nutzt. "Ich baue gerne in Stein oder hybrid", sagt er. Und: "Das steht in 400 Jahren noch." Merx entgegnet, auch Holz sei beständig. Jahrhundertealte Holzhäuser bezeugten das. Und beide wissen doch auch, dass es ohne den anderen in Zukunft nicht gehen wird: Die Holz- und die Betonfraktion denken längst weiter. Matthias Wilhelm hat schon einmal davon gesprochen, dass er gerne ein Holzhaus mit mehreren Geschossen neben dem Bestandsbau hochziehen will. Die Partner dafür hat er jetzt an der Hand.

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