Pedelecs:Wie gravierend sich das Image von E-Bikes verändert hat

Pedelecs: Wilfried Streck war eigentlich schon in Rente gegangen, doch nun verkauft er in Unterhaching E-Bikes. Das Geschäft brummt.

Wilfried Streck war eigentlich schon in Rente gegangen, doch nun verkauft er in Unterhaching E-Bikes. Das Geschäft brummt.

(Foto: Claus Schunk)

Der Markt mit Elektrofahrrädern boomt. Sogar in den Bergen werden sie inzwischen gesichtet.

Von Iris Hilberth

Das Full Seven S Pro garantiert den unwiderstehlichen Uphill Flow. Sagen die Hersteller. Voll gefedert, klassische Mountainbike-Bereifung, lässiges Design. Damit dem Fahrer aber nicht auf den ersten Höhenmetern die Puste ausgeht oder die Muskeln schlapp machen, sorgt die elektrische Anschubhilfe für die notwendige Energie. Das Full Seven S Pro hat es tatsächlich in sich. Wer solch ein Rad oder ein ähnliches noch nicht selbst gefahren ist, wurde als Mountainbiker sicher schon mal fluchend am steilen Berg von einem locker dahinradelnden E-Biker überholt.

Der Markt mit Elektrofahrrädern boomt, die neuen Nutzer wagen sich inzwischen auch auf steile Pisten. "Die Akkus sind viel größer und kräftiger geworden", sagt Wilfried Streck und schwärmt von 80 Newtonmeter Drehmoment und 500 Wattstunden bei der Königsklasse der Pedelecs. Streck ist Kfz-Meister und hat einst Motorräder verkauft. Dann wollte er eigentlich in Rente gehen, was ihm aber nicht wirklich behagte. Stattdessen stieg er um aufs Fahrrad und betreibt seit fünf Jahren in Unterhaching einen kleinen Laden mit E-Bikes. Mit Ruhestand hat das nichts zu tun. Das Geschäft brummt.

Wie sich die Kundschaft verändert hat

Sportlich und chic sehen die neuesten Modelle in Strecks Laden aus und haben zum großen Teil nichts mit den Elektrofahrrädern der Anfangsjahre zu tun, die als behäbige Treter eher den alten Hollandrädern denn einem Sportvehikel ähnelten. Solche Modelle gibt es noch immer, denn auch das Klientel im Rentenalter steigt zunehmend gerne auf Räder mit eingebautem Rückenwind um. "Insgesamt hat sich die Kundschaft in den vergangenen fünf Jahren aber verändert", sagt Streck, vor allem im Sportbereich stiegen die Verkaufszahlen stark, und das bei Fahrern ab 30 Jahren. Aber auch im Touren- und Stadtradbereich macht er gute Geschäfte bei einem Klientel ab etwa 45 Jahren, "seit vergangenem Jahr ist bei den Jüngeren das Eis gebrochen", hat er festgestellt. Immer gefragter seien dabei die Räder mit tiefem Einstieg, auch bei Männern, um einfach bequem damit im Anzug ins Büro zu radeln.

Die Zahlen des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV) bestätigen Strecks Einschätzung. Im Jahr 2015 sind laut ZIV in Deutschland 535 000 E-Bikes verkauft worden, und damit 11,5 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Der Anteil am gesamten Fahrradmarkt betrage damit 12,5 Prozent. Die Anzahl der E-Bikes, die derzeit auf deutschen Straßen unterwegs sind, schätzt der Verband auf etwa 2,5 Millionen. 95 Prozent davon seien sogenannte Pedelecs.

Für E-Bikes besteht Helmpflicht, für Pedelecs nicht

Nun muss man dazu wissen, dass die im allgemeinen Sprachgebrauch als E-Bike bezeichneten Fahrräder meist gar keine sind. Die Hersteller unterscheiden in Pedelecs, die lediglich Tretunterstützung bieten und bis zu 25 Stundenkilometer fahren. Hierfür bestehen weder Helm- noch Zulassungs- und Versicherungspflicht. Auch darf man mit Pedelecs auf Radwegen fahren.

Mit echten E-Bikes, die gänzlich ohne Muskelkraft fahren, hingegen nicht. Sie sind bis zu 45 Stundenkilometer schnell, man braucht für sie eine Betriebserlaubnis, ein Nummernschild, eine Versicherung und mindestens einen Mofaführerschein. Ein Helm ist Pflicht. Solche E-Bikes sind aber eher selten, bei Streck machen sie etwa drei Prozent des Geschäfts aus, "die sind nicht Fisch, nicht Fleisch", findet er. Bei den Pedelecs hingegen spiele schließlich auch der Fitnessfaktor noch eine Rolle. Ganz ohne Treten geht da nichts, und Streck kennt einige, die auf dem Weg zur Arbeit über die elektrische Unterstützung froh sind, um nicht schweißgebadet im Büro anzukommen, auf dem Rückweg dann aber den Motor wegschalten.

Wie der Alpenverein auf die Entwicklung reagiert

Auch der Deutsche Alpenverein (DAV) unterscheidet klar zwischen Pedelecs und E-Bikes in seiner Beurteilung, ob die Bergfreunde es nun gut oder schlecht finden sollen, dass sich immer mehr Leute auf dem Weg nach oben auf den Akku an ihrem Fahrrad verlassen. Der DAV beobachte die Entwicklung durchaus kritisch, heißt es in einem Positionspapier, denn der Verein setze sich für Bewegung aus eigener Kraft ein. E-Bikes seien insofern nicht zu begrüßen, weil in deren Nutzung keinerlei sportliche Aktivität zu erkennen sei.

Pedelecs hingegen findet die Bergsteigervereinigung akzeptabel. Schließlich gebe es Gruppen oder Paare mit deutlichen Leistungsunterschieden, "dann sind Pedelecs für die Schwächeren schon okay und damit eher Segen als Fluch", sagt Stefan Winter, DAV-Ressortleiter Breitensport. Wenn man es allzu puristisch nehmen würde, müsste man sich auch gegen Klettersteige aussprechen, sagt er.

Allerdings weist der DAV auch ausdrücklich darauf hin, dass eine "ausreichende Unterrichtung über Umweltschutzaspekte, Handling, Reichweite und Risiken" sowie die nötige Basis-Fahrtechnik unabdingbar seien. Vor allem wenn es holprig und steil wird, ist auch bei einem Elektro-Rad eine gewisse Sportlichkeit von Nöten.

Häufig wird die Geschwindigkeit überschätzt

Kurse für Pedelec-Fahrer bietet etwa die Bayerische Verkehrswacht an. Die Kreisgruppe München allerdings beteiligt sich nicht mehr an dem Programm, hier sei das Interesse gleich Null gewesen, heißt es dort. Landesweit allerdings werden die Schulungen seit 2013 durchgeführt und vor allem am Land von Älteren gut angenommen, wie Landesgeschäftsführer Manfred Raubold bestätigt. "Vor allem in Gegenden, in denen es hügeliger ist und kleinere Ortschaften weit voneinander entfernt liegen, werden die Pedelecs von den Senioren genutzt", sagt Raubold. Insbesondere das Anfahren und der Umgang mit den Scheibenbremsen würden geübt, um Unfälle zu vermeiden.

Die sind häufig darauf zurückzuführen, dass bei Kreuzungen und Kreisverkehrsplätzen Motorfahrzeug-Lenker den Vortritt von E-Bike-Fahrern missachten, hat die Schweizer Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) in einer umfangreichen Sicherheitsanalyse von 2015 über E-Bikes notiert. Ein Grund dafür sei das Unterschätzen der Geschwindigkeit von Tretfahrzeugen, so die Schweizer. Laut Münchner Polizei sind die registrierten Verkehrsunfälle von 14 im Jahr 2012 auf 42 im vergangenen Jahr gestiegen. Bei knapp 3000 Verkehrsunfällen mit Radfahrern sei diese Zahl allerdings eher gering, so die Polizei, und ließe sich vor allem auf die stetig steigende Verkaufszahl zurückführen.

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