Süddeutsche Zeitung

Dirigentin zu Guttenberg:Töpfe, Blumen und Finanzen

Eine Baronin, die die Hosen an hat: Was die Dirigentin Ljubka Biagioni zu Guttenberg, Stiefmutter des Verteidigungsministers, alles denkt.

Barbara Doll

Ihr Händedruck ist bombenfest, ihr Rücken kerzengerade. Ljubka Biagioni zu Guttenberg gibt die charmant-resolute Baronin, kann aber trotzdem kichern wie ein Teenager. Und das besonders lustig und hoch, wenn sie von ihrem 29. Geburtstag erzählt, dem 16. April 1997: Da dirigierte sie die Generalprobe für ein Konzert mit dem italienischen "Orchestra Filarmonica Marchigiana". In der Pause kam ein deutscher Baron und küsste ihr die Hand. Diese erste Begegnung mit dem 22 Jahre älteren Dirigenten Enoch zu Guttenberg sei "ein wunderschöner Moment" gewesen, "wir waren eigentlich beide sofort verliebt".

Was das Ehepaar - abgesehen von der Musik - verbindet? "Wir haben Visionen und kämpfen für unsere Ideale", sagt die Dirigentin. Das nicht eben niedrig gesteckte Ziel: eine bessere Welt. Enoch zu Guttenberg geht's dabei vor allem um die Umwelt, er hat den Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) mitbegründet und schon vor 40 Jahren vor der Klimakatastrophe gewarnt. Dass die Zukunft mittlerweile verspielt und die ökologische Lage "hoffungslos" sei, darin stimmt Ljubka Biagioni zu Guttenberg ihrem Mann zu.

Die Hoffnung auf eine menschlichere Welt werde sie aber nie aufgeben, aufgrund ihres "tiefen, kindlichen Glaubens". Zu diesem habe sie durch die drei Schwestern ihres Mannes gefunden, die alle Theologinnen sind. Wichtig ist der Dirigentin "die persönliche Relation zu Gott". Und zu Papst Benedikt XVI: "Ich lese alle seine Predigten, rede im Traum mit ihm. Es gibt keine Ansicht, der ich widersprechen kann."

Ihr Ehemann dürfte das etwas anders sehen: Er hat beim ehemaligen Kardinal Ratzinger einmal in Sachen Umwelt vorgesprochen - und sich eine ziemlich schroffe Abfuhr geholt. Einig sind sich Ljubka und Enoch zu Guttenberg darin, dass sich der heutige Musikbetrieb zu sehr um Äußerlichkeiten als um Inhalte dreht. Wer sich nur um Geld oder Aussehen kümmert, der verstelle den "direkten Weg zur Kunst", so Biagioni zu Guttenberg. Denn jeder Musiker sei ein "Instrument der Kunst" - und damit ein Filter derselben. "Vor einem Caravaggio-Gemälde hat man es leichter", sagt die 42-Jährige, "das spricht unmittelbar zu uns".

Für ihre Ideale leisten sich die Guttenbergs eine eigene Plattform, die Festspiele auf Herrenchiemsee. Ljubka Biagioni zu Guttenberg wird dort am Mittwoch Verdis "Rigoletto" dirigieren und inszenieren. Ohne große Geste, ohne Regietheater-Brimborium: "Warum eine extra Story drumherum? Die Geschichte ist tief genug."

Biagioni zu Guttenberg hat diese Geschichte entkernt. Übrig geblieben ist das - naturgemäß christliche - Thema "Vergebung". Denn Rigolettos eigentliche Tragik sei seine Unfähigkeit zu verzeihen. Im Vordergrund jeder ihrer Opernaufführungen stehe der Text, sagt die Dirigentin. Deshalb quäle sie das Orchester auch bei "Rigoletto" mit akribischer Probenarbeit: "Sie müssen unbedingt nach dem gesungenen Wort phrasieren und leise begleiten."

Ljubka Biagioni zu Guttenberg lebt eine souveräne Künstlerexistenz. Schon vor ihrer Heirat mit Enoch zu Guttenberg war sie zehn Jahre als Dirigentin unterwegs. Neben ihrem Studium in Sofia habe sie sich von Leonard Bernsteins "direkter Liebe zu den Musikern" inspirieren lassen und von Valery Gergievs "emotionaler Direktheit beim Dirigieren". Kürzlich hat das "Sofia Philharmonic Orchestra" die Baronin zur ersten Gastdirigentin ernannt.

Sie, die Tochter einer Bulgarin und eines italienischen Kommunisten, sei von der Familie zu Guttenberg "wahnsinnig nett und liebevoll" aufgenommen worden. Besonders von Philipp, Enoch zu Guttenbergs jüngerem Sohn aus der früh gescheiterten Ehe mit Christiane von und zu Eltz. "Philipp ist wie ein Bruder für mich", sagt Ljubka Biagioni zu Guttenberg. Von ihrem anderen Stiefsohn, dem Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, spricht sie mit respektvoller Distanz. Dass er "eine seinem Intellekt entsprechende Beschäftigung" gefunden habe, freue sie für ihn.

In punkto Auftreten kann "KT" seiner Stiefmutter jedenfalls wenig vormachen. Sie postiert sich zwar nicht mit einer "Was-kostet-die-Welt-Geste" am New Yorker Times Square. Die 42-Jährige repräsentiert vielmehr das Bild der modernen Frau - Perlohrringe, weißes Polo-Shirt, weiße Jeans. Ihre fünf und sieben Jahre alten Söhne Paulinus und Johann hat sie bei den meisten Orchesterproben im Schlepptau. Daheim kümmert sie sich um Töpfe, Blumen und Finanzen. "Die Mama hat immer die Hosen an", sagt sie.

Und damit sich die Mama um die Kinder kümmern kann, hat sie das Dirigieren vorerst zurückgeschraubt. Diese organisatorische Problematik sei übrigens auch der Grund dafür, warum die Männer noch immer die Hoheit über die Taktstöcke besäßen. Nicht ein weiblich bedingter Mangel an Durchsetzungsfähigkeit. Denn besonders tough müsse man als Dirigentin gar nicht sein, sagt Ljubka Biagioni zu Guttenberg: "Man muss entspannt sein."

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SZ vom 21.07.2010/sonn
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