Digitalisierung:Es hat Klick gemacht

Digitalisierung: Statt Papierformulare werden mittlerweile Daten beim Rathaus eingereicht. Antragsformulare laufen digital auf den kommunalen Servern ein.

Statt Papierformulare werden mittlerweile Daten beim Rathaus eingereicht. Antragsformulare laufen digital auf den kommunalen Servern ein.

(Foto: Jens Wolf/dpa)

Die Rathäuser in Ismaning, Sauerlach und Grasbrunn dürfen sich als "Digitale Ämter" rühmen. Sie sind Vorreiter im Landkreis. Bis Ende 2022 müssen Kommunen bundesweit einen Teil ihrer Dienste online bereitstellen.

Von Irmengard Gnau, Ismaning

Der neue Hund ist im Haus. Die Kinder sind aufgeregt und alles dreht sich darum, was für den kleinen Kerl das beste Futter ist und wann er endlich sauber wird. In diesem Trubel geht schon mal unter, das Haustier ordnungsgemäß anzumelden. In der Gemeinde Ismaning ist das kein Problem - mit wenigen Klicks kann das auch am Wochenende noch eben online geschehen. Einfach auf der Homepage das richtige Formular suchen, am Computer ausfüllen und abschicken - fertig. Auch der Betreuungsplatz für die Kinder ist über das Kita-Portal rasch beantragt. Das Mittagessen für die Kleinen kann über die App gebucht und abgerechnet werden. Und wer noch einen Ausbildungsplatz oder ein Praktikum sucht, wird vielleicht über das "Matchingportal" fündig.

Die Radlförderung beantragen, sein Gewerbe ummelden, einen Wasseranschluss anfordern oder Unterlagen für die Briefwahl - viele Amtsanfragen können Bürgerinnen und Bürger heute auch außerhalb der Öffnungszeiten der Rathäuser erledigen. Denn die Kommunalverwaltungen im Landkreis München wandeln sich mehr und mehr zum digitalen Rathaus, das seine Dienste auch online anbietet. Und bis Ende dieses Jahres soll sich noch einiges tun: Das Onlinezugangsgesetz "verpflichtet Bund, Länder und Kommunen, bis Ende 2022 ihre Verwaltungsleistungen über Verwaltungsportale auch digital anzubieten", heißt es vom Bundesinnenministerium. Insgesamt hat das Ministerium 600 Verwaltungsvorgänge ausgemacht, die bis Ende Dezember umgestellt sein sollen. Digital soll alles schneller gehen, flexibler sein und effektiver, es lässt sich Papier vermeiden, man muss keine Öffnungszeiten einhalten und kann leichter auf Daten zugreifen und diese zwischen verschiedenen Behörden übertragen, etwa bei einem Umzug.

Im Landkreis München ziehen die Kommunen mit unterschiedlichem Tempo mit beim digitalen Umbau. Drei Gemeinden preschen gewissermaßen vor - und das sind nicht nur die großen Verwaltungen. 2019 hat die bayerische Digitalministerin Judith Gerlach (CSU) die Initiative "Digitales Amt" gestartet; Kommunen, in denen Bürgerinnen und Bürger schon 50 oder mehr Dienstleistungen digital erledigen können und die ihre Dienste über das zentrale Bayern-Portal verlinkt haben, erhalten die Auszeichnung. Im Landkreis München haben sich bis heute Ismaning, Sauerlach und Grasbrunn so weit qualifiziert. Auch das Landratsamt München darf sich das Prädikat anheften. Die übrigen 26 Landkreiskommunen fehlen auf der Liste.

"Die Behörde der Zukunft muss großteils digital arbeiten", erklärte Landrat Christoph Göbel (CSU) nach der Auszeichnung für das Landratsamt. Das hat nicht zuletzt die Corona-Pandemie mit ihren Kontaktbeschränkungen vielen vor Augen geführt. So setzt man heute beispielsweise im Jobcenter des Landkreises auf elektronische Akten, auch die Kfz-Zulassung kann man von zu Hause aus beantragen und muss nicht mehr selbst zur Zulassungsstelle fahren.

Vorbilder in Skandinavien

Nicht alle sind freilich mit dem Tempo zufrieden. "Dass der Schub durch Corona nötig war, ist eigentlich ein Armutszeugnis", kritisiert Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich (SPD). "Mit der Digitalisierung sind so viele Chancen verbunden, die wir liegen lassen, wenn wir das nicht vorantreiben - vor allem Arbeitszeit, die man einsparen kann." Schaut man in andere europäische Staaten, etwa ins Baltikum oder nach Skandinavien, ist Deutschland nicht gerade früh dran in Sachen digitale Behörde. Das Tempo, bestätigen Behördenleiter, hängt zu großen Teilen von Engagement und Möglichkeiten der einzelnen Kommune ab. Ismaning etwa baut seine digitalen Angebote schon seit Jahren aus. Bürger finden Formulare auf der Homepage und eine eigene App. Die Breitbandverkabelung wird ausgebaut und kostenfreie Hotspots werden angeboten; dazu das digitale Schaufenster "Wir in Ismaning", auf dem sich Unternehmen und Institutionen präsentieren und vernetzen In der Corona-Zeit hat die 18 000-Einwohner-Gemeinde im Norden des Landkreises die Plattform um einen Online-Shop erweitert, inzwischen sind dort etwa 900 lokale Firmen vertreten.

Ein eigenes dreiköpfiges Digitalisierungsteam ist im Hauptamt beschäftigt, im steten Austausch mit den Kollegen der EDV und IT. "Wir sprechen jeden Monat mit den verschiedenen Abteilungen und überlegen: Wo kann noch etwas digitalisiert werden? Wo gäbe es kürzere Wege, wo bräuchte es weniger Papier?", sagt Renate Daniel, die sich zur Digitalisierungslotsin fortgebildet hat. Die Kommunikation über digitale Kanäle wird groß geschrieben - das Rathaus betreibt eigene Kanäle auf Instagram, Youtube und Facebook, stellt regelmäßig Filmchen her, um möglichst viele Bürgerinnen und Bürger zu erreichen.

Auch Norbert Hohenleitner, Geschäftsleiter in der Gemeinde Sauerlach mit knapp 9000 Einwohnern, treibt die Digitalisierung im Rathaus voran. Seit Jahren arbeitet die Gemeinde mit der Anstalt für kommunale Datenverarbeitung Bayern (AKDB) zusammen, stellte sich teils als Pilotkommune für neue Software zur Verfügung. Mit Hilfe des öffentlichen IT-Dienstleisters hat die Gemeinde ihr Bürgerserviceportal aufgebaut. Hohenleitners Rezept für den Erfolg? "Man muss die Leute mitnehmen und ihre Perspektiven mitdenken." Und zwar die Bürger ebenso wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rathaus. Denn Digitalisierung bedeutet natürlich auch für die Verwaltung eine große Umstellung: eine Vielzahl an neuen Programmen, mehr Arbeit am Computer, weniger persönlichen Kontakt. Da gibt es auch Berührungsängste. "Mitarbeiter, die etwas zögerlicher sind, versuchen wir vorsichtig mitzunehmen und ihnen die Vorteile aufzuzeigen", sagt Hohenleitner. Wenn alles einmal klappt, muss zum Stellen eines Antrags weder die Bürgerin zuhause noch der Mitarbeiter im Rathaus Papier ausdrucken. Kollegen aus anderen Kommunen bewunderten öfter, wie weit Sauerlach schon digital arbeitet, berichtet Hohenleitner. "Das muss man natürlich schon vor Ort anschieben", sagt der Geschäftsleiter. "Und klar, es kostet auch bisserl a Geld."

Digitalisierung: Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich geht alles viel zu langsam.

Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich geht alles viel zu langsam.

(Foto: Claus Schunk)

Außer Soft- und Hardware und Schulungen benötigen Kommunen Serverkapazitäten und sichere Netzwerke, schließlich geht es um persönliche Daten der Bürger. Es gibt zwar Fördergelder für Städte und Gemeinden, der Freistaat Bayern hat zum Beispiel im Oktober 2019 das Programm "Digitales Rathaus" aufgelegt. Darin stehen insgesamt knapp 43 Millionen Euro bereit, die Kommunen "für die erstmalige Bereitstellung von Online-Diensten" beantragen können. Bis 31. Oktober 2021 wurden davon laut Ministerium jedoch lediglich 9,2 Millionen Euro bewilligt, für 882 bayerische Kommunen. Hinzu kommt die Infrastruktur: Glasfaser und Co. stoßen in den Landkreis vor, aber nicht überall gleichermaßen schnell - wo es zu wenige Abnehmer gibt, lohnt sich ein Ausbau für die privaten Anbieter oft nicht. Die Kommunen versuchen hier zu vermitteln, wie im Fall Sauerlachs, wo ein Anbieter gerade 33 Prozent interessierter Anschlussnehmer sucht. Oder die Kommunen packen selbst mit an und verlegen etwa beim Ausbau von Geothermie gleich Breitbandkabel mit zu den Haushalten, wie es unter anderem Ismaning tut.

Kommt alles nicht Jahre zu spät?

Insgesamt komme zu wenig Unterstützung von Bund und Land, kritisiert Ismanings Bürgermeister Greulich und verweist etwa auf den Bereich Digitalisierung der Schulen: "Es kann nicht sein, dass Bildungsgerechtigkeit vom Geldbeutel der Gemeinde abhängt. Mein Eindruck ist, dass es bei der Digitalisierung auch am politischen Willen fehlt." Bund und Länder müssten auch bei ihren eigenen Diensten schneller vorangehen. Initiativen wie die "Bayerische Digitalagentur", die die CSU-geführte Staatsregierung im Dezember 2021 aus der Taufe gehoben hat, hält Greulich für zu spät. "Vieles davon hätte ich mir schon vor Jahren gewünscht", sagt er. Der Bürgermeister kritisiert zudem, dass es wenig Absprachen unter den Kommunen gebe. "Eine gewisse Vereinheitlichung wäre auch bürgerfreundlich."

Digitalisierung: Der Gang ins Sauerlacher Rathaus wird immer öfter verzichtbar.

Der Gang ins Sauerlacher Rathaus wird immer öfter verzichtbar.

(Foto: Schunk Claus)

Bürgerinnen und Bürger reagierten positiv auf die neuen digitalen Möglichkeiten, berichten Mitarbeiter aus den Rathäusern. Nicht zuletzt durch Corona sind digitale Dienste für viele Menschen zu einem Teil ihres Alltags geworden. "Mein Vater hat vor Corona sein Smartphone kaum benutzt - heute zahlt er an der Kasse im Supermarkt damit", erzählt Franz-Ferdinand Miedl aus der Ismaninger Verwaltung. Da ist der Weg zur Anmeldung für die Sperrmüll-Abholung im digitalen Rathaus nicht mehr weit, wenn dieses offen und benutzerfreundlich daherkommt.

Ganz in die virtuelle Welt wollen sich die Kommunen aber freilich nicht verlagern. Der direkte Kontakt bleibt immer wertvoll. "Die Bürger sind natürlich immer willkommen im Rathaus", sagt der Sauerlacher Geschäftsleiter Hohenleitner. "Wir bieten ihnen nur eben zusätzlich eine Möglichkeit, Sachen online zu erledigen."

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