Süddeutsche Zeitung

Digitalisierung:Es bleibt bei der Präsenzpflicht

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Unterhaching ermöglicht den Gemeinderäten nun doch keine Hybridsitzungen. Für die Einführung fehlt die nötige Zweidrittelmehrheit

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Kehrtwende bei der Digitalisierung: Der Unterhachinger Gemeinderat will nun doch nicht teilweise online tagen und hat deshalb mit den Stimmen von SPD, FDP, Freien Wählern und Neos sogenannte Hybridsitzungen abgelehnt. Dabei waren bei einer Abstimmung im Gremium im Mai noch 27 Ratsmitglieder für eine solche Änderung der Geschäftsordnung gewesen. Nur einer stimmte damals gegen eine digitale Teilnahmemöglichkeit. CSU und Grüne sind entsetzt über den Sinneswandel der Kollegen. Sie sprechen von einer "groben Fehlentscheidung".

Beide Fraktionen hatten vor der Abstimmung noch einmal eindringlich an die anderen appelliert, dem "sehr guten Beschlussvorschlag" der Verwaltung zuzustimmen. Der sah vor, maximal zwölf von 30 Mitgliedern gleichzeitig zu ermöglichen, per "Ton-Bild-Übertragung" an Sitzungen teilzunehmen und bei nichtöffentlichen Tagungen dafür Sorge zu tragen, dass die Übertragung ausschließlich von ihnen wahrgenommen wird. Die Verwaltung hatte das ursprünglich vorgesehene Kontingent von sechs Online-Teilnehmern nach der Debatte in der Mai-Sitzung auf zwölf erhöht. Die Ergänzung der Geschäftsordnung sollte von diesem Juli an gelten. Doch schon in der Sitzung des Finanzausschusses zeichnete sich eine Abkehr von der bisherigen breiten Zustimmung ab.

"Uns ist das unverständlich", sagte Claudia Köhler (Grüne) im Gemeinderat. Im Frühjahr 2020 hätten aufgrund des Infektionsschutzes und aus Rücksicht auf Angehöriger von Risikogruppen mehrere Monate keine Fachausschüsse getagt, sondern - trotz sehr wichtiger Tagesordnungspunkte - nur der Ferienausschuss in geringerer Besetzung. Der Bayerische Landtag habe durch ein Gesetz Hybridsitzungen ermöglicht und den Kommunen bei der Gestaltung weitreichende Freiheiten überlassen. "Ob Hybridsitzungen grundsätzlich Ehrenamtlichen Erleichterungen bringen und bei beruflichen Verpflichtungen und der Verbindung von Ehrenamt und Familie Standard werden könnten, bleibt abzuwarten", sagte sie. Das Gesetz sehe daher eine Neuregelung in jedem Fall ab 2022 vor.

Auch Michal Durach (CSU) mahnte: "Digitalisierung haben wir alle als Aufgabe. Ich bitte darum, einstimmig dafür zu stimmen und nicht für Rückschritt." Sein Fraktionskollege Korbinian Rausch erinnerte daran, dass Schulen, Universitäten und auch Kleinstunternehmen das zustande gebracht hätten. Dies ermögliche zudem mehr Beteiligung von jungen Leuten und Berufstätigen, ist er überzeugt. Doch verhallten diese Appelle im großen Saal des Kubiz. Mit 14:13 Stimmen fand sich zwar eine knappe Mehrheit für die Hybridsitzungen, nötig wäre in diesem Fall aber die Zustimmung von zwei Drittel gewesen.

Die Befürchtungen, im Sitzungssaal könnten viele Plätze zukünftig häufig leer bleiben, sind offenbar groß. "Für einige könnte es ein Freibrief sein, nicht mehr in den Gemeinderat zu kommen", begründete Julia Mittermeier (Freie Wähler) ihre Ablehnung. Auch Peter Wöstenbrink (SPD) hält Hybridsitzungen nicht für notwendig. In den Ausschusssitzungen könne man sich ja vertreten lassen und im Gemeinderat bevorzuge er "Face to face". Auch ein persönliches Zusammenkommen mit dem Bürger bei solchen Sitzungen sei wichtig.

CSU-Fraktionschef Rausch und Zweite Bürgermeisterin Johanna Zapf (Grüne), die zu den Jüngsten im Gremium gehören, kritisieren das Abstimmungsergebnis scharf. Die Kollegen hätten, "ein Zeichen gegen Fortschritt, gegen die Initiative des Freistaats Bayern und der Bundesregierung, gegen Handlungsfähigkeit in der Pandemie, gegen die Vereinbarkeit von Familie, Ehrenamt und Beruf", gesetzt, schreiben sie in einer gemeinsamen Mitteilung.

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SZ vom 28.06.2021
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