Die Garchinger Heide:Blühende Werte

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In der Garchinger Heide bei Eching sind Jahrtausende der pflanzengeografischen Geschichte abzulesen. Aus der Eiszeit vor 15 000 Jahren stammt die blaue Kugelblume, die dort wächst und die es sonst nur im Hochgebirge gibt.

Von Alexandra Vettori, Eching

Die Lerchen trällerten in der Luft, als am Dienstag in der Garchinger Heide bei Eching der Startschuss für die diesjährige Tour Natur gefallen ist.

Als Ortstermin hatte sich Regierungspräsidentin Brigitta Brunner die Heide ausgesucht, ist sie doch einer der größten Naturschätze Bayerns. Die meisten freilich kennen das Grasland nur von der Autobahn aus, und von dort mutet die flache Landschaft wenig spektakulär an. Die 50 Interessierten beim Ortstermin, unter ihnen auch Freisings Landrat Josef Hauner und Garchings Bürgermeister Dietmar Gruchmann als Vorsitzender des Heideflächenvereins, lernten, die Garchinger Heide mit anderen Augen zu sehen. "Es sind auf 25 Hektar über 240 verschiedene Pflanzenarten nachgewiesen", erläuterte Jörg Ewald von der Bayerischen Botanischen Gesellschaft und Professor für Botanik.

Die Heide ist ein Stück Heimat mit spezieller Vergangenheit. Zum einen ist hier die pflanzengeografische Geschichte abzulesen. Vor 10 000 bis 15 000 Jahren herrschte eine große Eiszeit, die Isar füllte die gesamte Schotterebene aus. Aus dieser Zeit sind in der Heide alpine Pflanzen erhalten wie die blaue Kugelblume zum Beispiel. Als die Gletscher sich zurück zogen, brach die Steppenphase an, viele Pflanzensamen wanderten aus Russland und der Ukraine ein. Aus dieser Zeit blieb die Küchenschelle in der Garchinger Heide. Sie sei, bedauerte Ewald, jetzt im Mai leider schon verblüht, doch bundesweit käme die Fingerküchenschelle nur noch an zwei Standorten vor, einer davon ist hier.

Bronzezeitliche Grabhügel

Seit 1939 ist die Garchinger Heide Naturschutzgebiet, vor dem Pflug gerettet hat sie die Deutsche Botanische Gesellschaft, die seit 1908 Flächen dort aufkaufte. Der Besucherverkehr ist bis heute streng reglementiert, nur bepflockte Pfade dürfen begangen werden. Ein weiterer geschichtlicher Aspekt ist die Nutzungsgeschichte. Die bronzezeitlichen Grabhügel lassen die Vermutung zu, dass die Heide schon damals bewohntes und genutztes Gebiet war. Umliegende Siedler trieben ihr Vieh hierher auf die Weide. Die Tiere hielten das Grasland von Bäumen und Büschen frei und ermöglichten den seltenen Blumen das Überleben. Was passiert, wenn der Mensch nicht eingreift, zeigte Ewald mit Blick auf den nahen Lohwald: "Die Natur würde einen Wald entstehen lassen." Im 19. Jahrhundert dann war die Heide Teil eines riesigen Truppenübungsplatzes, hier übte die Königliche Reiterei.

Im Südwesten sind noch die Reste einer Sondernutzung zu sehen. Auf einem Rechteck von einigen Hundert Metern Länge und 40 Metern Breite ist die oberste Bodenschicht abgeschoben, Gefangene aus dem KZ Dachau mussten hier 1945 eine Landebahn anlegen, als Ersatz für den von Bomben bedrohten Flughafen Oberwiesenfeld. Sie ist nie in Betrieb gegangen, der Krieg war vorher vorbei, doch für die Natur war das Rollfeld eine Rolle Rückwärts um einige Tausend Jahre: "Es kommen die Pflanzen der Zugspitzgruppe zum Vorschein", so Ewald, Schneeheide oder der Kalk-Glocken-Enzian. "Die Narbe des dritten Reiches ist hier mit interessanten Pflanzen verheilt", so der Botanik-Professor.

Ein ausgeklügelter Plan

Heute ist es der Heideflächenverein, der für den Erhalt des Naturschatzes sorgt, mit einem ausgeklügelten Pflegeplan. Der sieht eine zweijährige Streifenmahd vor, dazu wird alle drei Jahre gestriegelt, damit kleine freie Flächen entstehen, auf denen Samen besser keimt. Eigentlich wollte der Heideflächenverein die Mahd traditionell Schafe erledigen lassen. Doch die modernen Rassen mögen das raue Heidegras nicht, und so erledigen Landwirte die Pflege. Die Erfolgskontrolle übernehmen auch Wissenschaftler der Technischen Universität.

Sie erforschen auch, ob die Heidepflanzen mit der modernen Belastung zurecht kommen. Denn Düngerwolken und Abgase landen mit dem Regen auch in streng geschütztem Heideboden. Derzeit untersuchen die Wissenschaftler 17 Pflanzenarten genau, acht besonders stark vom Aussterben Bedrohte, ganz penibel, wie Ewald erläuterte: "Da wird jedes Individuum beobachtet, wir fühlen ihren Puls."

© SZ vom 24.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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