Süddeutsche Zeitung

Deutsch-französiches Schulprojekt:"Tout bien" fürs Abitur

Das französische Baccalauréat ist in Garching sehr gefragt

Von Sabine Wejsada, Garching

Auf der Tafel prangen die deutsche und die französische Fahne. Daneben sind Willkommensformeln und Sprüche in beiden Sprachen in Schönschrift mit bunten Kreiden aufgemalt. Erst vor ein paar Tagen haben sich Schüler aus Garching und der französischen Partnerschule in dem Saal des Werner-Heisenberg-Gymnasiums (WHG) getroffen und parliert. Am Freitagmorgen stehen Schulleiter Armin Eifertinger, Französischlehrerin Michaela Bodensteiner und Manfred Durchholz dort und werben dafür, dass Jugendliche am Garchinger Gymnasium neben dem deutschen auch das französische Abitur ablegen können.

Durchholz gilt in Garching als Vater des "AbiBac". Der Name ist ein Kunstgriff, eine Kombination aus den Abkürzungen von Abitur und Baccalauréat. Seit genau 20 Jahren bietet das WHG Schülern diese Möglichkeit an, als einer von bayernweit sieben Standorten und als einziger im Landkreis. Durchholz und seine Kollegen von der Fachschaft Französisch holten damals das AbiBac nach Garching. Das WHG und das Münchner Dante-Gymnasium erreichten damit 1999 ein Alleinstellungsmerkmal; in der Region können Gymnasiasten das Doppel-Abitur seit 2011/12 auch am Oskar-von-Miller-Gymnasium in Schwabing erwerben.

In Garching haben seit zwei Jahrzehnten rund 350 Schüler zusätzlich zum Zeugnis über die allgemeine Hochschulreife das Baccalauréat erhalten, wie Manfred Durchholz sagt. Im aktuellen Jahrgang sind es elf; sie haben den Abiturstress fast hinter sich, gehen am Montag noch in die mündliche Prüfung. Wenn alles klappt, haben die Abiturienten zwei Abschlüsse, die in beiden Ländern anerkannt sind und Türen öffnen - für Berufe und Studiengänge in Deutschland und an Hochschulen in Frankreich und Unis im französischsprachigen Ausland, und das ohne Sprachtest.

Der gleichzeitige Erwerb des Abiturs und des Baccalauréat basiert auf einem Regierungsabkommen von 1994 und ist ein wichtiges Symbol der deutsch-französischen Freundschaft, die vor 56 Jahren mit der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags besiegelt wurde. "Mehr als je zuvor ist es wichtig, die Sprache des Nachbarn zu verstehen, zu sprechen und zu schreiben. Wer in Europa seinen Weg machen will, braucht die Sprachen der europäischen Partner. Angesichts der zunehmenden Internationalisierung und der wirtschaftlichen sowie politischen Integration Europas steigt der Bedarf an mehrsprachig qualifizierten Arbeitskräften weiter. Wichtigster Partner Deutschlands ist und bleibt Frankreich", steht im Schulprofil des WHG.

Obwohl bereits pensioniert, hilft der frühere Lehrer Durchholz immer noch am WHG aus, um seine Franzosen unter den Lehrern und in der Schülerschaft im Fach Geografie zu unterstützen und letztere auf dem Weg zum AbiBac zu begleiten. "Er ist ein Geschenk für uns", sagen Schulleiter Eifertinger und Lehrerin Bodensteiner über Durchholz, der ob dieser Worte beschämt die Hände hebt und lieber über den Unterricht erzählt, den die AbiBac-Schüler durchlaufen.

Ab der zehnten Klasse werden Geschichte/Sozialkunde und Erdkunde in französischer Sprache unterrichtet. Das Doppel-Abitur umfasst eine schriftliche Prüfung im Fach Geschichte in französischer Sprache, zur normalen bayerischen Französisch-Klausur steht eine zusätzliche mündliche Einzelprüfung im Fach Französisch an, die ein Prüfungsbeauftragter aus Frankreich abnimmt. Mathe wird schriftlich abgefragt, Deutsch mündlich - und wie alle anderen Abiturienten auch können die Franzosen das fünfte Fach frei als Kolloquium wählen.

Wer sich entscheidet, das AbiBac abzulegen, hat mehr Aufwand, muss mehr lernen, wie die Zehntklässler Pia Vogl, 15, Isabella Edelmann, 16, und Gregor Kobilarov, 16, sagen. Sie kommen an diesem Vormittag gerade von einer Prüfung; auf die Nachfrage von Durchholz, wie es gelaufen ist, heißt es: "Tout bien", alles gut. Die Anstrengungen haben sich also gelohnt. Für den im nächsten Schuljahr startenden AbiBac-Zug am WHG gibt es 24 Anmeldungen - so viele wie schon lange nicht mehr. Europäische Verständigung steht bei jungen Leute offenbar hoch im Kurs.

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SZ vom 18.05.2019
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