Süddeutsche Zeitung

Design:Pilz am Fuß

Familienbetrieb aus Garching entwickelt Schuhe aus Pilzen, Kaffee, Milch und Mais. Bis auf Ferse und Spitze ist alles reine Natur. Die Preisspanne für ein Paar reicht von 120 bis knapp 600 Euro

Von Claudia Wessel, Garching

Auf der Wiesn 2019 könnten sie ein Hit werden: grasgrüne Schuhe mit Gras, und zwar Gras von echten bayerischen oder österreichischen Almwiesen. Die Prototypen sind bereits fertig und stehen in Garching-Hochbrück im Showroom der Firma K & T an der Zeppelinstraße 11. In diesem grauen Gewerbegebiet würde man kaum die Kreativität vermuten, für die diese kleinen Kunstwerke ein Beweis sind, doch finden sich in den Räumen noch weitere Beispiele für den Einfallsreichtum von Vater Matthias und Sohn Sebastian Thies, Geschäftsführer des Familienbetriebs. Die Ehefrau des Juniors, Carmen Thies, ist verantwortlich für die Abteilung Haus- und Freizeitschuh, während die Männer die ungewöhnlichen Sneakers erfinden. Und das mit großem Erfolg.

Seit zwölf Jahren hat die Firma ihren Showroom und Büros in Hochbrück. Sitz ist in München, wo es auch einmal einen Laden gab. Doch aufgrund der allzu hohen Mieten begnügt man sich inzwischen mit diversen Pop-Up-Stores. Der Ärger über diese Mieten ist durchaus groß. "In New York verwaisen bereits Geschäftsstraßen, weil Ladengeschäfte leer stehen", sagt Thies, der solches durchaus auch für München voraussieht, wenn es so weitergeht. Denn der Handel, der ohnehin mit dem Internet zu kämpfen hat, kann sich solche Mieten nicht mehr leisten.

An den Kunden bringen die einfallsreichen Schuh-Designer ihre Werke trotzdem, und das vor allem mit Mund-zu-Mund-Propaganda, wie Sebastian Thies sagt. "Wir machen keinerlei klassische Werbung." Dass sie Schuhe nicht nur aus Almwiesengras, sondern auch aus Kaffeesatz, Holz, Milch, Pilzen und Mais herstellen, spricht sich offensichtlich schnell herum. Und Händler bestellen solche Schuhe auch gerne, so Thies, denn gerade deren Außergewöhnlichkeit helfe auch ihren Läden zu bestehen.

Angefangen hat der Erfolg der Sneaker-Marke nat-2, die es seit 2007 gibt, zunächst anders. Man hatte die Idee für einen Zwei-in-Eins-Schuh, dann für einen Vier-in-eins-Schuh. Das bedeutete, dass man den Schuh in diversen Teilen geliefert bekam, aus denen man Slipper, halbhohe Sneakers oder auch Stiefel selbst basteln konnte. Mit dieser Idee erhielt die Firma zahlreiche Designpreise. "Wir konnten uns ja dann nicht immer weiter steigern mit den Schuhteilen", sagt Thies junior. Eine neue Idee musste her. Thies begann, sich mit der Materialforschung zu beschäftigen. So entstanden als erstes die Pilz-Schuhe. Sie bestehen zum großen Teil aus dem Inneren von Zunderpilzen, die vor allem in Rumänien auf Totholz wachsen. Das sogenannte Tramen ist sehr weich. Diesem Material entzieht man für die Schuhe Feuchtigkeit, es wird gewalkt, geschnitten und mit einer wasserbasierten Schicht haltbar gemacht. Sehr belastete Teile des Schuhs wie Ferse oder Spitze dagegen werden aus recycelten PET-Flaschen hergestellt. Auf jeden Fall ist der Schuh absolut nachhaltig und ökologisch.

Das gilt auch für die Schuhe aus Kaffeesatz, Stein, Kork oder Milchfasern. Letztere bleiben ebenfalls zurück, wenn man die Feuchtigkeit entzieht. Sogar hundertprozentig wasserdicht sind die Gummistiefel aus Mais, die sich wie alle Schuh-Kunst im Showroom interessant anfassen. Die Mais-Gummistiefel übrigens riechen, wenn man die Packung frisch öffnet, nach Popcorn. Mittlerweile, so Thies, seien die Kunden auch bereit, zwischen 120 und 140 Euro (Gummistiefel) und 299 bis 599 Euro für Schuhe aus reiner Natur zu zahlen. Als Vater Matthias Thies in den Neunzigerjahren bereits einmal einen kompostierbaren Schuh entwickelte, überlebte der nur drei Saisonen.

Nur von den völlig chemie-freien Schuhen kann der Familienbetrieb, den es bereits seit 1856 gibt, allerdings nicht überleben. "Wir müssen auch weiße Sneakers anbieten. Die sind aus hochwertigem Leder, die Farbe aber ist aus Mangel an technischer Alternative chemisch." Auf diese sehr begehrte klassische Linie können sie nicht verzichten, jedoch: "Das hält uns nicht davon ab, auch diese Schuhe nachhaltig, von Hand in Italien zu produzieren."

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Quelle:
SZ vom 27.10.2018
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