Der Wahlabend bei den Parteien im Landkreis:Sekt und Selters

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Die Liberalen in Feierlaune mit Jimmy Schulz. (Foto: Angelika Bardehle)

Bei der CSU herrscht gedämpfte Stimmung, bei der SPD tröstet man sich mit Galgenhumor. Nur FDP und Grüne feiern ausgelassen - trotz des Ärgers über den Wahlerfolg der AfD.

Von Stefan Galler, Irmengard Gnau, Iris Hilberth und Martin Mühlfenzl

Es ist warm in der Putzbrunner Pizzeria "San Daniele". So warm, dass Florian Hahn bei der CSU-Wahlparty am Abend der Schweiß auf der Stirn steht. Obwohl der 43-Jährige sein Direktmandat souverän verteidigt hat, ist die Stimmung in seinen Reihen alles andere als euphorisch. Zu sehr drücken die enormen Verluste der CSU auf die Laune. Sie sind alle gekommen, die Landtagsabgeordneten aus dem Landkreis, Kerstin Schreyer und Ernst Weidenbusch, auch Landrat Christoph Göbel und mehr als hundert weitere Gäste. Es gibt zahlreiche Schulterklopfer, die Hahn zu seinem persönlichen Ergebnis gratulieren. Doch unüberhörbar wächst im Laufe des Abends auch die Kritik an der Politik von Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer. Dessen "Schlingerkurs" sei es, der die AfD so stark gemacht habe, sagt einer, der namentlich nicht in der Zeitung genannt werden will.

Hahn konzentriert sich in seiner Analyse auf seinen persönlichen Erfolg, der sich schon früh am Abend abzeichnet und dann rasch konkret wird. "Es freut mich, dass ich wieder den klaren Wählerauftrag erhalten habe, meine Heimat in Berlin zu vertreten", sagt er. Hahn gönnt sich ein Gläschen Weißwein, er bedankt sich bei seinen zahlreichen ehrenamtlichen Helfern. Noch nie habe er einen derart aufwendigen Wahlkampf betrieben, sagt Hahn, der mehr als 2500 Haushalte besucht und so viele Veranstaltungen wie nie initiiert hat. Und auch wenn er ein schlechteres Ergebnis hat als vor vier Jahren: "Ich liege bei den Erststimmen wieder acht Prozent vor den CSU-Zweitstimmen im Landkreis. Das wollte ich halten und das habe ich erreicht."

Bela Bach ist fassungslos

Auch Bela Bach hat persönlich besser abgeschnitten als ihre Partei, doch sie kann das kaum trösten. Der Blick der SPD-Direktkandidatin geht an diesem Abend immer wieder auf das Smartphone. Sind weitere Ergebnisse aus den Gemeinden da? Wie hat man in den Hochburgen der SPD, in Haar, in Unterföhring oder in Unterhaching, abgeschnitten? Es gibt kaum Grund zur Freude. An vielen Orten liegen die Resultate deutlich hinter denen von vor vier Jahren. "Damals habe ich aus dem Stand weg zwanzig Prozent geschafft. Und jetzt?" Die Kandidatin ist fassungslos. Hatte sich mehr erhofft. Wenigstens das Ergebnis zu wiederholen, nachdem sie doch bei all ihren Wahlkampfterminen den Eindruck gewonnen hatte, dass sie doch keine Unbekannte mehr ist im Landkreis München.

Die Grünen Christoph Nadler, Sabine Pilsinger, Anna Schmidhuber und Volker Leib fröhlich vereint. (Foto: Catherina Hess)

Das SPD-Wahlkampfteam beschließt nach dem Schock beim Blick auf die ersten Hochrechnungen im Landratsamt doch noch, einmal bei ihren Münchner Kollegen im Schlachthof vorbeizuschauen. Auch hier herrscht Katerstimmung, viele sind schon wieder gegangen. "Mein Beileid", empfängt einer die Kandidaten aus München-Land. "Wir liegen sogar hinter den Grünen", meint ein anderer beinahe tröstend. Unterdessen empfängt Bela Bach Nachrichten auf ihrem Handy, die sie schon fast belustigen.

Gerold Otten und Christina Specht (beide AfD) in trauter Zweisamkeit. (Foto: Claus Schunk)

Eine Parteikollegin aus Nordrhein-Westfalen beglückwünscht sie zum Einzug in den Bundestag. "Wie kommt sie darauf", wundert sich Bach. Da ist es gerade mal halb neun und die Stimmen sind noch gar nicht alle ausgezählt. Es besteht noch Hoffnung für die junge Kandidatin aus Planegg. Ihre Wahlkampfhelfer lassen im Fünfminutentakt die Berechnungen laufen. Man weiß es einfach nicht.

Die Grünen freuen sich

Ganz anders die Stimmung im Ampere im Münchner Muffatwerk. "Das ist für uns ein super Ergebnis", sagt Volker Leib, Grünen-Kreissprecher und Mitarbeiter von Anton Hofreiter. Die Grünen aus dem Landkreis haben sich diesmal an die Parteifreunde in der Landeshauptstadt angehängt. Und die beiden Gruppen versuchen sich geradezu zu überbieten im Glücklichsein. Wäre da nicht das Ergebnis der AfD, das Leibs Co-Sprecherin Sabine Pilsinger mit Worten beschreibt, die nicht druckfähig sind. Aber wichtiger sind Pilsinger und Leib im Ampere ohnehin die eigenen Ergebnisse. Im Sekundentakt schauen die beiden auf ihre Smartphones und checken, wie denn ihr "Toni" in den 29 Städten und Gemeinden abgeschnitten hat.

Florian Hahn und Bela Bach, die Kandidaten von CSU und SPD, ausnahmsweise vereint. (Foto: Claus Schunk)

Das ist ja der zweite Wermutstropfen, dass der Fraktionschef der Grünen im Bundestag zu wichtig ist, um mit den Grünen in München zu feiern. "Für uns ist das trotzdem ein geiler Abend", sagt Pilsinger - und lächelt noch ein bisschen breiter, als der Toni zwischenzeitlich bei den Erststimmen im Wahlkreis mal wieder an Bela Bach von der SPD vorbeizieht. Und Christoph Nadler kommt dann doch noch mal auf die Rechtspopulisten zu sprechen und freut sich, "dass wir im Landkreis vor denen gelandet sind". Während der kleinen Landkreis-Analyse im grün ausgestrahlten Saal läuft auf dem Schirm die große Debatte der Bundesvorsitzenden. Zwischenzeitlich kommt sogar so etwas wie Jubel auf - wenn klare Kante gegen rechts gezeigt wird. Ansonsten berauschen sich die Grünen an ihrem Ergebnis, auch das ein oder andere Bier hebt die Laune.

Ausgelassene Stimmung bei der FDP

Auch bei der FDP ist die Stimmung ausgelassen. Auf der gemeinsamen Wahlparty der Liberalen in München-Stadt und -Land im Hofbräukeller ist die Luft um 20 Uhr schon ziemlich verbraucht vom vielen Jubel. Ex-Minister Wolfgang Heubisch verabschiedet sich beschwingt in den Abend, vor allem die Jungen feiern noch weiter. Als die Tagesschau noch einmal die vorläufigen Ergebnisse zeigt und der gelbe Balken nach oben schießt, brandet Applaus auf. Landkreis-Kandidat Jimmy Schulz durfte sich auf Listenplatz vier schon nach den ersten Hochrechnungen seines Bundestagsmandats sicher sein. Er feierte zunächst traditionell im Rathaus in seiner Heimatgemeinde in Hohenbrunn, dann im Landratsamt. Kurz nach acht Uhr trifft Schulz bei der Wahlparty ein, wo die Kollegen vom Kreisverband schon auf ihn warten. Händeschütteln, Schulterklopfen, Gratulation von den Umstehenden.

Grünwald ist Hochburg der Liberalen

Der Ortsverbandsvorsitzende aus Grünwald ist ganz berauscht vom rekordverdächtigen Abschneiden in seiner Gemeinde, mehr als 27 Prozent. "Wir sehen uns in Berlin, Jimmy!", ruft ein Hemdträger im Vorbeigehen. "Es wird noch bis morgen früh dauern, bis ich ganz realisiert habe, was das bedeutet", sagt Schulz. Vorbereitet ist er trotzdem, der Flug nach Berlin am Montagfrüh zur Sitzung des Bundesvorstands ist längst gebucht. Die Stimmung dämpft allein die Aussicht, im Bundestag künftig auch mit Abgeordneten der AfD zusammenarbeiten zu müssen. Auf die AfD einzudreschen bringe dabei nichts, meint Schulz: "Das hat sie erst stark gemacht. Wir müssen sie inhaltlich stellen, nach den Regeln der Demokratie."

AfD-Kandidat im Abseits

Bei der Wahlparty im Landratsamt am Mariahilfplatz hat sich Gerold Otten bereits hineinfühlen können. Diese Rolle ist eine im Abseits. Von den Kandidaten der anderen Parteien suchte keiner das Gespräch mit dem künftigen Bundestagsabgeordneten der AfD. Florian Hahn und Jimmy Schulz, die beiden künftigen Kollegen Ottens im Parlament, gingen ihm ebenso konsequent aus dem Weg wie Bela Bach von der SPD. Der Freude über das Abschneiden seiner Partei und sein persönliches Ergebnis tat dies freilich keinen Abbruch. Die vergangenen Wochen, sagte Otten, hätten klar gezeigt, wohin der Weg der AfD führen würde: "Mit einem starken Ergebnis in den Bundestag." Das aber konnte der AfD-Kreisvorsitzende im Landratsamt sonst fast niemandem erzählen.

© SZ vom 25.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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