Der Erste Weltkrieg:Das Grauen im Auge

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Eine Ausstellung in der Bibliothek der Bundeswehr-Universität in Neubiberg zeigt eine Adaption von Erich Maria Remarques Roman "Im Westen nichts Neues" als Graphic Novel

Von Julian Carlos Betz, Neubiberg

Ordentlich aufgereiht stehen die grauen Tafeln zur Präsentation von Peter Eickmeyers grafischen Darstellungen von Erich Maria Remarques Roman "Im Westen nichts Neues" in der Bibliothek der Universität der Bundeswehr in Neubiberg. Der 1928 erschienene Roman gilt als eine der direktesten und eindringlichsten Verarbeitungen des Ersten Weltkriegs. Eickmeyer zitiert Pablo Picassos "Guernica" in einem der Bilder, in einer Szene mit verwundeten Pferden, denen der Protagonist des Romans gerne Erlösung bringen würde. Auf einem anderen Bild ist das Porträt von Kaiser Wilhelm II. schemenhaft und übermächtig in die blaue Luft gemalt, der Adler auf dem militärischen Ornat wirkt wie eine Sonne, die den unter ihm vorüberziehenden Soldaten Wärme und Kraft geben soll.

Damit ist für den Besucher der Ausstellung, die am Mittwoch eröffnet wurde und noch bis 21. Dezember zu sehen sein wird, schnell klar, dass sich der hauptberuflich in der Werbebranche tätige Eickmeyer nicht oberflächlich mit der Vorlage auseinandergesetzt hat, sondern Beweise einer reflektierten und umfangreichen Konfrontation liefern wollte. In der Einführung von Literaturwissenschaftler Thomas F. Schneider, der wie Remarque auch aus dem Osnabrücker Raum stammt und das Erich-Maria-Remarque-Friedenszentrum leitet, werden die Rahmenbedingungen des Romans erläutert.

Erzählt wird, wie das Werk ursprünglich den Diskurs im Nachgang zu den Ereignissen des Krieges zugunsten einer kritischen Haltung verändern sollte und wie dieser Versuch vollkommen gescheitert ist. Denn bereits während des Krieges, so Schneider, habe es durch die Oberheeresleitung massive Bestrebungen gegeben, den Krieg als ideologischen Sieg aussehen zu lassen. Somit galt selbst in der Weimarer Republik der Krieg noch als taugliches Mittel der Politik, was der Roman eigentlich unterlaufen wollte.

Die rechten Kräfte ließen einen Erfolg Remarques in Deutschland nicht zu, sodass "Im Westen nichts Neues" schließlich im Ausland, das heißt in den USA, zum maßgeblichen Text des Ersten Weltkrieges wurde. Dorthin emigrierte der Schriftsteller 1939 auch, nachdem er von den Nationalsozialisten als Verräter gebrandmarkt worden war.

Begleitet werden die Bilder der Ausstellung von Plakaten mit ausführlichen Erklärungen zur Entstehung der Graphic Novel, zum Roman, zu Autor und Künstler sowie zum historischen Hintergrund. Doch allein die Bilder heben einen schon in die Sphäre des direkten Austauschs mit seinen Figuren und Geschehnissen: Gasmasken, deren runde Formen um Auge und Mund zu Löchern in ein schwarzes Nichts werden, dann wieder ein rotes Mohnblumenfeld, mit einem Soldaten, nur diskret in der Ecke stehend, vielleicht andächtig, vielleicht traurig. Jedenfalls unmittelbar sind die mit sicherer Hand angefertigten Bilder, von denen es genug gibt, dass sie auf zwei Stockwerke verteilt werden mussten.

Was in der Einführung auch deutlich wurde: Der große Krieg, wie er von Zeitzeugen oft genannt wurde, blieb als irrationale Wunde in der kollektiven Identität Europas haften. Robert Musil, der mit seinem Roman "Der Mann ohne Eigenschaften" aus den frühen Dreißigerjahren zuletzt verzweifelt versuchte, dieser auch ihm zugefügten Wunde beizukommen, schilderte diesen Kampf schließlich als einen inneren, indem er rückblickend die Zeit vor dem Krieg analysierte und fiktional wieder aufbaute. Doch die inneren Widersprüche seiner Zeit führen letztlich unweigerlich in den Krieg, jedenfalls deutet alles im Roman darauf hin. Die Frage, wie dem Massenereignis des Ersten Weltkriegs also beizukommen sei, und wie gerade in Zeiten politischer Unruhe, wenn alte Gewissheiten verschwinden, umzugehen ist mit Tradition und gesellschaftlichen Fragen, wird hier auf ebenso unkomplizierte wie einfache Weise beantwortet: indem man ins Auge fasst, was geschehen ist.

Die Ausstellung "1918 - 1928 - 2018: ,Im Westen nichts Neues' als Graphic Novel" ist bis 21. Dezember zu den Öffnungszeiten der Universitätsbibliothek öffentlich zugänglich. Eine Voranmeldung unter der Nummer 089/6004-3311 oder über ein Anmeldeformular auf der Homepage der Hochschule ist notwendig. Der Zugang erfolgt über das Westtor und ist nur mit Personalausweis möglich

© SZ vom 26.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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