Süddeutsche Zeitung

Denkmalschutz:Angst um das Wirtshaus

Die Baierbrunner Gaststätte "Zur Post" soll umgebaut werden. Kritiker fürchten, dass der Gastronomiebetrieb gefährdet ist

Von Udo Watter, Baierbrunn

Im Idealfall ist das Wirtshaus der Ort, wo das Leben pulsiert, getrunken, geratscht und gefeiert wird, wo das Herz eines Dorfes schlägt. Das Gasthaus "Zur Post" in Baierbrunn - ein denkmalgeschütztes Gebäude, das ursprünglich aus dem 18. Jahrhundert stammt und zugleich bis vor kurzer Zeit auch als Hotel genutzt wurde - ist mal so ein Ort gewesen. In jüngerer Zeit allerdings hat das sanierungsbedürftige Gebäude deutlich an Strahlkraft verloren. Den jetzigen Pächtern Roman Schmoll und Martina Kurucová ist gekündigt worden, bis Ende Juli müssen sie raus, ihr Konzept ist nicht aufgegangen.

Die Eigentümerfamilie Nissl, die selbst das Hotel Strobl gegenüber dem Wirtshaus betreibt, hat nun einen Investor an der Hand, der das Gasthaus sanieren, bisher als Hotel genutzte Teilbereiche der Gebäude in Wohnungen umwandeln und ein Mehrfamilienhaus auf dem Grundstück bauen will. Im Gemeinderat wurde nun eine diesbezügliche Voranfrage behandelt und mehrheitlich goutiert. Zuvor wurde freilich hitzig diskutiert und das vor Publikum: Zahlreiche Bürger hatten den Weg ins Rathaus gefunden.

Vor allem die Gemeinderäte der Baierbrunner und Buchenhainer Interessen-Gemeinschaft wie Hans-Peter Hecker und Oliver Knab äußerten sich kritisch gegenüber Teilen der Pläne und warfen Bürgermeister Wolfgang Jirschik (Überparteiliche Wählergruppe) vor, im Sinne des Investors zu sprechen. "Das ist sehr tendenziös, wie das der Bürgermeister hier als Amtsmeinung vorträgt", so Knab.

Was konkret versetzte ihn und seine Fraktionskollegen in einen derartigen Erregungszustand? Den Plänen nach sollen 24 Wohnungseinheiten entstehen: Im nördlichen Bereich des Grundstückes an der Wolfratshauser Straße ist ein neues Mehrfamilienhaus mit acht Wohnungen und Tiefgarage geplant. Die als Hotel genutzten Bereiche im Haupt- und Nebengebäude sollen zu kleinen Wohnungen umgebaut werden und der Gastronomiebetrieb im Erdgeschoss erhalten bleiben. Wichtig ist zudem: Das Baugrundstück ist als Dorfgebiet im Flächennutzungsplan dargestellt, es gibt keinen Bebauungsplan, was bedeutet, dass das Landratsamt Genehmigungsbehörde ist und die Gemeinde nur ihr Einvernehmen erteilen kann.

Dieses hat für den Investor aber durchaus seine Wichtigkeit, wie Jirschik vortrug. Den Hotelbetrieb zu erhalten (oder den Saal im Obergeschoss für Veranstaltungen zu nutzen) sei betriebswirtschaftlich wohl nicht sinnvoll. "Es würde sich erst ab 50 Zimmern rentieren", so Jirschik. Die Hotelnachfrage im Umland sei gesunken. Wesentlich für das Gelingen seien freilich der Wirt und seine gastronomische Ideen. "Wenn das Konzept stimmt, dann trägt es sich auch", konstatierte Jirschik und verwies auf erfolgreiche Beispiele in der Nachbarschaft wie den Waldgasthof in Buchenhain.

Anschließend wurde es hitzig. Hecker, der betonte, dass man mit dem Gasthaus "ein Stück Heimat erhalten" wolle, verlieh seiner Sorge Ausdruck, die Bereiche der Wirtschaft könnten früher oder später doch in Wohnungen umgewandelt werden. Knab vermisste alternative Konzepte und verwies darauf, dass Wohnungen über einem Wirtshaus mit Biergartenbetrieb heikel seien. Josef Fröhler (CSU) zeigt sich erstaunt ob der heftigen Skepsis: "Wir müssen doch froh sein, dass ein Investor da ist. Und es gibt nur einen." Sein Parteikollege Bernhard Ketterl fragte scharf in Richtung Knab und Hecker: "Was wollt ihr denn?"

Der Architekt Andreas Schmauser, der zur Sitzung gekommen war, zeigte sich ebenfalls "irritiert" ob des Gegenwinds, zumal die Pläne im Bauausschuss bei einer Gegenstimme gebilligt worden waren. "Die Alternative ist: Das Gebäude gammelt vor sich hin", sagte er. Schmauser erklärte, man sei auf die Zustimmung der Gemeinde nicht angewiesen, suche aber natürlich das Einvernehmen. Dass die Wirtschaft erhalten bleibe, stehe explizit im Antrag.

Dass dann bei dem Punkt, der die Änderung von Hotel- zur Wohnungsnutzung beinhaltete, die Zustimmung der Gemeinderäte (zehn zu fünf Stimmen) nicht eindeutiger ausfiel, besorgte wiederum Bürgermeister Jirschik: "Ich hoffe, dass der Investor dabei bleibt."

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Quelle:
SZ vom 28.06.2019
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