Deniz Dadli und das Planet `O`:Oberschleißheims Anwalt der Jugendlichen

Deniz Dadli und das Planet `O`: Deniz Dadli kam mit neun Jahren aus der Türkei nach Deutschland. Damals sprach noch kaum jemand über den Islam, sagt er.

Deniz Dadli kam mit neun Jahren aus der Türkei nach Deutschland. Damals sprach noch kaum jemand über den Islam, sagt er.

(Foto: Catherina Hess)

Deniz Dadli leitet seit fast 20 Jahren das Planet O in Oberschleißheim. Dort gibt es Spaß, aber auch politische Vorträge.

Von Christina Hertel, Oberschleißheim

"Islam und Feminismus". "Wie München am Krieg verdient". "Was westliche Politik im Orient anrichtet." "Armut, fehlende Bildungschancen, sozialen Ausgrenzung und Arbeitslosigkeit". Was sich ein bisschen anhört wie eine Vortragsreihe der Jungen Linken, ist das Programm eines Jugendzentrums, dem Planet O in Oberschleißheim.

Während in anderen Jugendzentren bloß Billard gespielt und Party gemacht wird, finden hier politische Diskussionen statt. Das liegt vor allem an einem: Deniz Dadli. Er leitet das Planet O seit fast 20 Jahren.

Und sagt: "Unser Job ist es,authentisch zu sein, ein Vorbild zu sein. Und da darf kein Thema unter den Tisch fallen." Vor allem nicht in den heutigen Zeiten, so Dadli, in denen auf Facebook alle möglichen Gerüchte kursierten, der Ton wieder rauer werde und in denen sich zu jedem Fakt auch jemand finde, der das Gegenteil behauptet. Dadli will, dass die Jugendlichen Fragen stellen und zwar am besten den Betroffenen persönlich. Zum Beispiel einem NPD-Aussteiger. Oder Homosexuellen. Oder Alkoholikern. Und immer wieder: Muslimen. Sie alle bringt Dadli ins Jugendzentrum Planet O.

Jeder Sepp fragt nach Erdogan

Warum macht er das? Es hat wohl auch mit seiner eigenen Geschichte zu tun. Er zog mit seiner Familie, als er neun Jahre alt war, von der Türkei nach Deutschland. "Damals war es nicht wichtig, woher man kommt." Dass er Muslim ist, sei einfach nie ein Thema gewesen. Und dann kam plötzlich der 11. September 2001. Zwei Flugzeuge, zwei Türme, jede Menge Fragen. "Jetzt heißt es immer: Islam hier, Islam da. Jeder Sepp fragt dich nach Erdogan und dem IS. Das macht etwas mit einem." Mit Dadli hat es gemacht, dass er sich zu fragen begann: Warum ist die Welt so, wie sie ist? Er begann, sich für Politik und Geschichte zu interessieren. Er will ein "Anwalt der Jugendlichen" sein, wie er es nennt. Einer, der immer ein offenes Ohr hat. Und vor allem einer, der nicht verurteilt.

"Neulich hat mich einer gefragt hat, ob es in Deutschland wirklich bald keine Deutschen mehr gibt." Dadli hat dann mit ihm gegoogelt, ihm gezeigt, dass das nicht sein kann. Genauso würden sich aber auch Jugendliche an ihn wenden, die Kontakt mit Salafisten hatten, die in einen extremen Bereich abzurutschen drohten. Dadli glaubt, dass er viele auf den rechten Weg zurückgeführt hat - was vielleicht mit seiner direkten Art zu tun hat und damit, dass er keine Angst hat, anzuecken. Ein Beispiel: "Wie viele der Jugendlichen, die hierher kommen, haben einen Migrationshintergrund?" Seine Antwort: "Was heißt Migrationshintergrund? Sie sind alle in Deutschland geboren. Wenn sie vier Wochen im Jahr in die Türkei fahren, sind das dann keine Deutschen mehr?" Wenn er das sagt, klingt er nicht persönlich angegriffen. Aber er will einfach Fragen stellen und keine Pauschalantworten durchgehen lassen.

Sammeln für Wasserbrunnen und Kleidung

Dadli veranstaltet außerdem Hilfsprojekte: Fotos vom Senegal, von Syrien und Bangladesch hängen an der Wand. Das Jugendzentrum sammelt für Schulen, für Wasserbrunnen, für Kleidung. Genauso aber wie er die große Politik, die Not in der Welt für wichtig hält, interessiert ihn das Kleine im Ort. Im Planet O wurde für Bedürftige Oberschleißheimer gesammelt. 100 000 Euro kamen zusammen. Das Geld gibt Dadli weiter. An die Oma mit der kleinen Rente, die sich eine neue Lesebrille nicht leisten kann. Oder an arme Familien, die ihren Kindern nicht eine Woche Schullandheim spendieren können. Ein Großteil des Geldes ist schon ausgegeben.

Doch keine Sorge: Im Planet O geht es nicht nur ernst und politisch zu. Es gibt ein Ferienprogramm, in dem viel Spaß geboten wird - mit Inliner- und Einradkurs, einen Raum für Partys, einen Raum für Computerspiele, einen Raum für Handarbeit und Töpfern und selbstverständlich auch: einen Billardtisch.

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