Süddeutsche Zeitung

Dehoga-Chefin:Die Patriarchin

Angela Inselkammer, Ehefrau des Bräus von Aying und Präsidentin des Hotel- und Gaststättenverbands, hat im Brauereigasthof das Sagen. Dass sie der AfD die Türen öffnen wollte, passt zu ihrer Haltung.

Von Iris Hilberth, Aying

Die Erleichterung war in Aying am Wochenende und auch am Montag noch überall spürbar. Als die Wirte des Brauereigasthofs am Samstag der AfD die Zusage für eine Veranstaltung entzogen, machte die Nachricht sofort die Runde im Dorf. Als erstes beim Maitanz des Burschenvereins, der direkt vor dem Gasthof stattfand. "Gut so!" und "Endlich!" - das waren die Kommentare. Weil das überparteiliche Bündnis daraufhin seine Demo absagte und auch das Werbevideo aus dem Netz war, in dem die AfD Szenen aus dem Gasthaus und dem Biergarten zeigte, drohen keine unschönen Zeitungs- und Fernsehbilder von Rechtspopulisten und Gegendemonstranten aus dem schönen Winkel im südöstlichen Landkreis und könnte die Welt nach Meinung vieler Ayinger jetzt eigentlich wieder in Ordnung sein.

Und doch ebbt die Aufregung über die erste Entscheidung der Wirtefamilie nur langsam ab. Bis zum Montagnachmittag gab es allein auf der Facebookseite des Gasthofs fast 400 Kommentare unter der Stellungnahme, welche die Familie am Samstagnachmittag veröffentlichte.

Denn die Inselkammers sind nicht irgendwer. Patriarchin Angela Inselkammer ist Präsidentin des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) in Bayern, ihr Sohn Franz CSU-Kreisrat. Auch hält die Familie nach wie vor an ihrer Meinung fest, dass es nicht anstößig sei, der Partei Räume zur Verfügung zu stellen. Solange alles "ordentlich, legal und zivilisiert" ablaufe, könnten solche Veranstaltungen stattfinden. Die Absage erfolgte auch nicht aus einer Umbesinnung, sondern unter öffentlichem Druck - und mit der Begründung, dass die Partei in dem genannten Video "Markeninhalte" wie das Brauereiwappen ohne Wissen des Unternehmens für parteipolitische Zwecke vereinnahmt habe. Kein Wort darüber, dass man dem AfD-Landtagsabgeordneten Franz Bergmüller das Drehen seines Films augenscheinlich gestattet hatte.

Für ihre Haltung zum Umgang mit der AfD und deren Veranstaltungen in Gaststätten ist die Verbandspräsidentin aus Aying bekannt: Als es vor zwei Jahren in Freising Diskussionen um eine geplante AfD-Veranstaltung im Hofbrauhaus-Keller gab, vertrat Angela Inselkammer die Ansicht, dass "Hausrecht und Hoheit" über ein Gasthaus beim Wirt bleiben müssten. Er könne seinen Saal vermieten, an wen er wolle, natürlich nur, solange alles in einem rechtlichen Rahmen bleibe. Die freie Meinungsäußerung sei eben ein Merkmal der Demokratie. Da müsse man auch schon mal unbequeme Meinungen aushalten.

Nun steht sie selbst im Fokus der Kritik, und das schlägt im Verband, dem sie vorsteht, gleich ganz andere Wellen. In Branchen-Publikationen wie der Allgemeinen Hotel- und Gastronomie-Zeitung" und auf der Webseite "Tageskarte", einem Informationsportal für Hoteliers, Gastronomen und Zulieferindustrie, wurde breit über den "Wirbel in Aying" und eine "Große AfD-Tagung bei DEHOGA-Bayern-Präsidentin" berichtet. Hier wird auch an eine Veranstaltung von Franz Bergmüller im vergangenen Landtagswahlkampf erinnert, in dem der Landesverband dem AfD-Mann eine Bühne bei einer Podiumsdiskussion bot. Angesprochen auf den Fachkräftemangel und Flüchtlinge in der Branche, sagte Bergmüller demzufolge dort: "Am besten sind natürlich die, die nicht aus Afrika kommen."

Angela Inselkammer ist mit Bergmüller gut bekannt. Der AfD-Mann ist selbst Gastwirt im nahen Feldkirchen-Westerham und war Funktionär beim Gaststättenverband. Sie selbst verweist im Gegensatz zu Bergmüller allerdings gerne auf die Angestellten aus 25 Nationen in ihrem Haus, darunter auch Flüchtlinge. Bei ihrer Wahl an die Spitze des Verbands hatte sie im Herbst 2016 gesagt, dass gerade in der Hotellerie und Gastronomie mit vielen internationalen Gästen angestellte Flüchtlinge mit ihren Fremdsprachenkenntnissen weiterhelfen könnten. Pikant findet man in der Branche auch, dass die AfD-Bundestagsfraktion die reduzierte Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen infrage stellt. Inselkammer plädiert dafür, das auch der Mehrwertsteuersatz auf Essen einheitlich auf sieben Prozent gesenkt wird.

Angela Inselkammer, 59, Frau des fünften Bräus von Aying, Franz Inselkammer, und Mutter des sechsten Bräus, Franz Inselkammer junior, führt seit vielen Jahren den Brauereigasthof gemeinsam mit ihrer Tochter Ursula. Sie heiratete bereits im Alter von 19 Jahren und kümmerte sich zunächst hauptsächlich um ihre drei Kinder. Erst mit 30 absolvierte sie eine Ausbildung zur Hotelfachfrau, danach qualifizierte sie sich selbst zur Ausbilderin. Seit Juni 2018 ist sie Trägerin des Bayerischen Verdienstordens, weil sie sich für den beruflichen Nachwuchs und die Nachhaltigkeit im bayerischen Gastgewerbe einsetzt. Vor drei Jahren wurde sie mit 92 Prozent zur Präsidentin des Gaststättenverbands gewählt. Dieses Jahr steht die Wiederwahl an.

Die AfD wollte sich nach der Absage aus Aying am Montagabend woanders mit ihren Gästen von rechtspopulistischen Parteien aus anderen EU-Ländern treffen - "in geschlossener Gesellschaft", wie ihr Abgeordneter Bergmüller mitteilte. Nur bereits angemeldete Gäste wurden persönlich und vertraulich über den neuen Ort informiert. Um den Besitzer der Räumlichkeiten zu "schützen", wie es aus dem Büro Bergmüllers hieß.

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SZ vom 07.05.2019
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