CSU-Fraktionsvorsitzender Josef Schmid:Er will da rein

Münchens CSU-Fraktionschef Josef Schmid soll für die CSU im Jahr 2014 endlich wieder das Rathaus erobern - ein Marathonlauf mit vielen Hindernissen.

Peter Fahrenholz

Ob Josef Schmid in den vergangenen Tagen mal an Christian Wulff gedacht hat? Dem CSU-Fraktionschef im Münchner Rathaus, der sich nicht dagegen wehrt, "Seppi" genannt zu werden, könnte ein solcher Gedanke durchaus Mut machen. Denn Wulff hat vorgemacht, was Schmid gern nachmachen würde: Erst an einem übermächtigen Gegner zu scheitern, und dann später doch Erfolg zu haben.

CSU-Fraktionsvorsitzender Josef Schmid: Bereit für die OB-Kandidatur 2014: CSU-Fraktionsvorsitzender Josef Schmid.

Bereit für die OB-Kandidatur 2014: CSU-Fraktionsvorsitzender Josef Schmid.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Es ist ein ziemlich paradoxes Rezept. Wie ein Bergsteiger, der einen Fünftausender besteigen möchte, und sich dafür erstmal an einem Achttausender versucht. Normalerweise macht man es umgekehrt. Zweimal hat Christian Wulff gegen Gerhard Schröder verloren, im dritten Anlauf hat er es dann endlich geschafft, Ministerpräsident von Niedersachsen zu werden. Heute ist er Bundespräsident.

Josef Schmids Achttausender heißt Christian Ude. Vor zwei Jahren ist er grandios an ihm gescheitert, er musste gewissermaßen schon am Basislager umkehren. Gerade mal 24,4 Prozent hat Schmid als OB-Kandidat der CSU gegen Ude geholt. Das ist selbst für eine Partei, die seit nunmehr 26 Jahren auf Niederlagen bei Münchner OB-Wahlen abonniert ist, ziemlich wenig gewesen.

Für einen, der als Zukunftshoffnung seiner Partei aufgebaut werden soll, ist es sogar verdammt wenig. Normalerweise ist so eine Klatsche das Aus. Vor allem in der Münchner CSU, die es sogar schon fertig gebracht hat, OB-Kandidaten noch vor der Wahl aus dem Verkehr zu ziehen und durch andere zu ersetzen, die es dann auch nicht besser gemacht haben.

Aber die Zeiten sind nicht normal, weder für die CSU insgesamt, und erst recht nicht für die Münchner CSU. Weil die CSU auf Landes- und Bundesebene in den Jahren 2008 und 2009 dramatisch abgestürzt ist, fiel die Niederlage von Seppi Schmid gegen Christian Ude nicht so arg ins Gewicht, sie lag sozusagen im Trend.

"Die Analysen haben ergeben, dass die Niederlage am allerwenigsten an meiner Person lag", sagt Schmid in seinem angenehm domestizierten Münchnerisch. Das mag sein, hilft aber meist nichts, wie Günther Beckstein oder Erwin Huber am eigenen Leib erlebt haben: Sie mussten nach dem Desaster bei der Landtagswahl gehen, persönliche Schuld hin oder her.

Der "Nicht-Verlegenheits-Kandidat"

Dass Schmid noch da ist und auf einen neuen Anlauf im Jahr 2014 hoffen darf, hängt damit zusammen, dass die Lage der Münchner CSU noch heikler ist als die der Gesamtpartei. Als Schmid im Jahr 2006 erst zum Fraktionschef im Rathaus und wenig später zum OB-Kandidaten gekürt wurde, stand die CSU in München nach einer endlosen Kette von Skandalen vor einem kompletten Neuanfang, und Schmid war das frische Gesicht dafür.

Der Metzgerssohn aus Allach, repräsentierte jenen anständigen Teil der Münchner CSU, den es immer gegeben hat, der sich aber in den langen Skandaljahren der Partei nie durchsetzen konnte. Keiner dieser frisch gegelten JU-Karrieristen, die sich den nächsten Posten unter den Nagel reißen wollten. Sondern einer mit solidem beruflichen Fundament.

Der Anwalt und Diplom-Kaufmann muss nicht versorgt werden von seiner Partei, weder mit irgendeinem Posten, noch mit Aufträgen über irgendeine Spezl-Connection. Wenn es nichts wird mit den politischen Ambitionen, will Schmid "voll in meine Kanzlei zurückkehren". "Mir braucht niemand als Trostpflaster einen Staatssekretärsposten anbieten", sagt er.

Schmid sei "der erste Nicht-Verlegenheits-Kandidat" der CSU, findet Peter Hausmann, Chefredakteur des Parteiorgans Bayernkurier. Hausmann war einst Sprecher von CSU-Chef Theo Waigel, später Regierungssprecher von Helmut Kohl. Als Vertreter des liberalen Münchner CSU-Flügels hat er die Kabalen seiner Parteifreunde lange ohnmächtig ertragen. Auf Schmid setzt er "große Hoffnungen", ebenso wie der Münchner CSU-Chef Otmar Bernhard. Schmid habe "das politische Potential", um OB zu werden.

Bis dahin ist allerdings noch ein langer Weg. Dass Schmid 2008 gegen Ude nicht gewinnen würde, war allen klar. Von Anfang an war die Sache als Marathonlauf angelegt. 2014, so das Kalkül, sehen die Dinge ganz anders aus. Dann ist der übermächtige Ude endlich weg, der Seppi aber schon eine ganze Weile da, für die Leute ist er dann ein guter Bekannter, so wie Christian Wulff in Niedersachsen.

Die Rechnung hat freilich gleich mehrere Unbekannte. Die erste ist die Münchner CSU. Weder Schmid noch Parteichef Bernhard werden gern auf die Skandalchronik ihrer Partei angesprochen. "Ich bin zuversichtlich, dass die CSU die alten Zeiten hinter sich gelassen hat", sagt Schmid, und Bernhard glaubt, dass es "keine netzwerkartigen Verbindungen" mehr in der Partei gebe.

Doch die CSU steckt mitten in einem politischen Häutungsprozess, von dem längst nicht alle begeistert sind. Schmid will aus der CSU eine moderne Großstadtpartei machen, mit mehr Offenheit gegenüber Minderheiten und Lebensformen, wie sie dem Münchner Dackelbesitzer eher fremd sind.

"Ich stehe zur Verfügung"

Dem konservativen Teil bereitet das Unbehagen. Schmids konziliante Linie gegenüber der islamischen Gemeinde in Penzberg etwa gilt vielen als gefährlich naiv. Und in der Verkehrspolitik hat Schmids CSU-Fraktion zuletzt bei zwei wichtigen Projekten, dem zweiten S-Bahn-Tunnel und dem Autobahn-Südring quer zur Linie der Gesamtpartei gelegen.

Bei der Diskussion um den zweiten S-Bahn-Tunnel, spottet Münchens ehemaliger SPD-Chef Franz Maget, seien CSU-Stadträte gleich reihenweise zu OB Ude gekommen und hätten erklärt, ganz egal, was der Josef Schmid sage, sie stimmten auf alle Fälle dafür. "Man muss keine echte Angst haben", sagt Maget mit Blick auf eine zweite OB-Kandidatur Schmids.

Bei seinem Marathonlauf ist der 40-jährige Schmid ein gehöriges Stück vorangekommen, keine Frage. Selbst Ude, der Schmid im Wahlkampf 2008 noch bewusst ignoriert hatte, attestiert dem CSU-Mann, er habe sich "freigeschwommen", trete "durchaus liberal und großstädtisch" auf und sei auch ansonsten ein "angenehmer Kollege".

Aber weil Ude ein Meister des vergifteten Lobs ist, vergisst er nicht, hinzuzufügen, dass er bei Schmid "selbst unter der Lupe noch kein Profil erkennen" könne.Ist Seppi Schmid vielleicht einfach eine Spur zu nett, zu sehr Moderator und zu wenig Kämpfer? Dass Schmid nachts an der Tür des OB-Büros rüttelt und ruft: "Ich will da rein", kann sich keiner so recht vorstellen.

Peter Gauweiler, der letzte große Kampagnero der Münchner CSU, lobt Schmid zwar als "sympathisch", hält die Ruhe in der Münchner CSU aber nicht unbedingt für ein Zeichen von Kreativität. "Ruhe brauche ich, wenn ich in meinem Gartenhäusl sitze", sagt Gauweiler, "eine Partei ist doch kein Tranquilizer". Der Seppi, findet ein anderer aus dem konservativen Lager, habe "einfach zu wenig Biss".

Schmid findet das alles nicht. Es sei nicht nur Ruhe eingekehrt in der CSU, sagt er, sondern es habe ein "echter Neuanfang" stattgefunden. Er habe einen starken Kontakt zur Basis, "deshalb bin ich da guter Dinge".

Natürlich stehen die Chancen für Josef Schmid im Jahr 2014 mit ziemlicher Sicherheit besser als im Jahr 2008. Wenn seine Partei ihn wieder zum Kandidaten kürt und ihn dann auch geschlossen unterstützt. Wenn die politische Großwetterlage für die CSU günstig ist. Wenn die SPD einen Blässling als Ude-Nachfolger aufstellt. Wenn es nicht noch einen zugkräftigen Überraschungskandidaten gibt, der von den Grünen und vielleicht sogar der FDP mitgetragen wird, so eine Art Gauck für München. Das sind ziemlich viele Wenns. Aber Schmid will es versuchen. "Ich stehe zur Verfügung", sagt er.

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