Die Verkäuferin kann sich sogar noch an den Namen erinnern. Die Freude darüber ist der Kundin, die extra aus München angereist ist, anzusehen, als sie an der Kasse in dem Schuhgeschäft in Unterföhring steht. Mit Online-Shopping hat sie nichts am Hut und beim analogen Einkaufen lässt sich nebenbei noch ein kurzer Ratsch halten. Anders als in der Stadt dürfen die Einzelhändler im Landkreis München an diesem Montag ihre Läden wieder aufsperren, nach drei Monaten Lockdown, weil die Sieben-Tage-Inzidenz unter 50 liegt. Knapp zwar, aber immerhin. Der Andrang ist allerdings etwas verhalten, viele können es offenbar nicht glauben, dass die Läden jenseits von Lebensmittelgeschäften, Drogerie- und Baumärkten offen sind.
Während Kunden in München ein Modehaus nur nach vorheriger Terminbuchung und mit Hinterlegung der Kontaktdaten von innen sehen können, sind im Landkreis Shoppingtouren unter Einhaltung der Hygienevorgaben möglich. Urscha und Felix Hain aus München haben sich deshalb am Vormittag gleich auf den Weg über die Stadtgrenze gemacht und stehen nun im Aschheimer Möbelhaus zwischen Regalen mit Frühlingsdekoration. Nachdem sie zuvor bereits in einem Geschäft ein paar Anziehsachen für sich und die Kinder gekauft haben - "online geht das bei Kleidung nicht, die muss man sehen" -, sollen es noch ein paar kleine Osterüberraschungen werden. An so einen entspannten Einkaufsbummel können sich die beiden Münchner fast nicht mehr erinnern.
Pierluigi Aramini, der das Möbelhaus in Aschheim leitet, teilt diese Freude. Dass man an diesem Montag wieder öffnen konnte, sei einfach großartig, sagt er und spricht damit wohl auch für die mehr als 200 Mitarbeiter, die aus der Kurzarbeit zurückkehren. Knapp 900 Kunden dürften nach den Auflagen in das Möbelhaus kommen, mittags verlieren sich etwa 90 zwischen Bettwäsche, Sofas und Küchenblöcken. Ein Frequenzzähler am Eingang zählt die Kunden. Viele bummeln durch die Gänge, andere kommen offenbar mit festem Vorsatz. Mutter und Tochter, beide ebenfalls aus München, suchen einen bestimmten Stuhl, zwei Mitarbeiterinnen am Schalter weisen ihnen den Weg.
Bei Ikea in Brunnthal sind sie vom ganz großen Run am Montagvormittag ausgegangen. Auf der B 471 wurde eigens eine Abbiegespur nur für Kunden des schwedischen Möbelhauses eingerichtet, inklusive LED-Anzeige mit Stauwarnung. Doch ein erhöhtes Verkehrsaufkommen bleibt aus, die Parkplätze sind gegen Mittag kaum belegt. Und die "Wellenbrecher" vor den Zugängen vom Parkhaus ins Möbelhaus bleiben bis auf die Minuten nach der Öffnung in aller Früh überflüssig. Da strömten etwa 200 Leute ins Haus, erzählt ein Mitarbeiter der Sicherheitsfirma. Am Mittag zeigt der Kundenzähler am Eingang, dass noch 925 Personen Einlass erhalten könnten, bis die Kapazitätsgrenze erfüllt wäre; die läge bei 1126 Kunden. Das heißt, dass gerade mal 201 Menschen in dem riesigen Gebäude sind. "Ich vermute, es hat sich noch nicht herumgesprochen, dass wir heute geöffnet haben", sagt eine Mitarbeiterin. Unter den Kunden sind nicht überproportional viele Münchner. Ein Pärchen, das aus dem Süden der Stadt gekommen ist, wundert sich, dass so wenig los ist: "Wir brauchen ein paar Kleinigkeiten, aber wenn es jetzt zu voll gewesen wäre, hätten wir es in ein paar Tagen noch mal probiert", sagt er.
Auch in anderen Geschäften des Brunnthaler Gewerbegebietes geht es ruhig zu, im Hagebaumarkt etwa, der schon seit einer Woche wieder offen hat. Am Eingang ist eine Ampel aufgestellt, die auf Rot schaltet, wenn es drinnen zu voll ist. "Das war noch kein einziges Mal der Fall, selbst wenn jetzt am Samstag ein bisschen mehr los war", sagt eine Mitarbeiterin. Dass der Parkplatz ziemlich gut belegt ist, liegt ihrer Meinung nach daran, dass viele ihr Auto abstellen und dann woanders einkaufen.
Alles andere als frequentiert ist am Montagmittag auch die Fußgängerzone im Ottobrunner Ortszentrum, wo es ein paar Geschäfte gibt, die erstmals seit Wochen wieder geöffnet haben. Vor und im Modeladen "Claudia Fashion Seasons" sind einige potenzielle Kundinnen an den Kleiderständern. "Es lief vor allem am Morgen sehr schleppend an, mittlerweile geht es", sagt Inhaberin Claudia Hollweg. Die Ladenöffnungen seien schlecht kommuniziert worden. "Einige Kundinnen haben angerufen, weil sie nicht sicher waren, ob wir wirklich aufmachen. Und ich habe vorsichtshalber auch noch dreimal gegoogelt, ob ich wirklich aufsperren darf", sagt sie.
Dem Gewerbegebiet am Grünwalder Weg in Unterhaching hatte man den Lockdown in den vergangenen Wochen kaum angesehen: Discounter, Supermarkt und Drogeriemarkt waren wie immer stark frequentiert, zuletzt kamen noch die Bau- und Gartencenter dazu. Dass nun auch noch die Bekleidungsgeschäfte, Schuhläden und Deko-Anbieter öffnen dürfen, merkt man allenfalls auf den zweiten Blick. Die Parkplätze sind gut belegt, aber keineswegs überfüllt am Montag. Christian Felzmann, der Geschäftsführer des gleichnamigen Schuhgeschäfts an der Münchner Straße, ist am Montag froh, wieder öffnen zu dürfen. "Wir sind zufrieden", sagt er. "Vorher konnten wir ja weder beraten noch die Füße vermessen", sagt er. Drei Monate lange hatten sie nichts zu tun, die Mitarbeiter waren in Kurzarbeit.
Der große Ansturm blieb zwar aus, aber zumindest am Nachmittag kommen viele Kunden mit ihren Kindern zum Schuhkaufen. Ob auch aus München, weiß er nicht. Dass Felzmann sein Geschäft wieder öffnen würde, sobald es geht, stand für ihn außer Zweifel, auch wenn es vielleicht nur für eine Woche ist. "Die Unsicherheit ist unmöglich, aber wir wollen unsere Kunden ja nicht im Regen stehen lassen", sagt er. Und mit Blick auf die Gartencenter, die früher öffnen durften: "Die Leute können sich ja nicht Blumenkästen an die Füße binden."
"Ich freue mich natürlich sehr, dass wir mit der Öffnung der Geschäfte, von Bibliotheken und Außensportanlagen im Landkreis München wieder ein Stück mehr Normalität zurückgewinnen", sagte Landrat Christoph Göbel (CSU) zu den Lockerungen. "Mit Blick auf unsere Inzidenzwerte, die in den letzten Tagen immer nur knapp unter 50 lagen, bin ich allerdings nur vorsichtig optimistisch." Er appelliere daher an alle Bürgerinnen und Bürger: "Seien Sie auch weiterhin vorsichtig, halten Sie sich an die geltenden Regelungen und lassen Sie sich für die Impfung gegen das Corona-Virus registrieren."