Süddeutsche Zeitung

Coronavirus:Landrat verteidigt Quarantäne-Dauer

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Christoph Göbel weist Forderungen aus der SPD nach einer Kurskorrektur in der Corona-Politik auf die Münchner Linie zurück und sieht sich durch die im Vergleich zur Landeshauptstadt niedrigen Infektionszahlen bestätigt

Von Stefan Galler, Landkreis

Soll die Quarantäne-Dauer verkürzt werden, um die Akzeptanz in der Bevölkerung für die Maßnahme zu erhöhen und insbesondere Kinder nicht zu lange von Unterricht oder Tagesstätte auszusperren? Diese Forderung hat der SPD-Kreisvorsitzende Florian Schardt erhoben. 14 Tage Quarantäne trotz Vorliegen zweier negativer Tests seien zu lange, so Schardt in einem Appell an den Landrat, in dem er diesen zu einer Korrektur seiner Corona-Politik auffordert. Das sei "ein unnötiger Eingriff in die Freiheitsrechte". Der Landkreis solle sich an der Landeshauptstadt München orientieren und die Quarantäne aufheben, wenn nach fünf bis sieben Tagen ein zweites, negatives Testergebnis vorliege. Landrat Christoph Göbel (CSU) hat am Dienstag im Gespräch mit der SZ klargestellt, was er davon hält: nichts.

Er könne die Sorge der Menschen gut verstehen, so Göbel. "Mich erreichen viele Zuschriften, etwa von Eltern, die auf andere Gebietskörperschaften verweisen, wo die Quarantäne für Kontaktpersonen der Kategorie 1 kürzer angesetzt ist." Dennoch werde er von seinem Kurs nicht abrücken. "Die Inkubationszeit bei einer Infektion mit Covid-19 beträgt bis zu zwei Wochen, das ist immer noch die in Deutschland fachlich anerkannte Annahme. Und wenn wir keine Infektionsherde oder gar die Schließung ganzer Schulen riskieren wollen, dann müssen wir weiterhin diese Tatsache in den Vordergrund unserer Überlegungen stellen", so der Chef des Landratsamtes, dem auch das Gesundheitsamt untersteht.

Am Montag befanden sich noch an zwölf Schulen im Landkreis Schüler in Quarantäne, nachdem es vergangenen Donnerstag noch 16 gewesen waren.

Göbel zeigte sich verwundert über die Einlassungen Schardts. Einerseits, weil ihn der SPD-Kreischef erst per E-Mail über seine öffentliche Stellungnahme informiert habe, nachdem er darüber schon in der Zeitung gelesen habe. "Ich verstehe nicht ganz, wieso man dieses Thema zum Gegenstand politischer Auseinandersetzungen machen muss", so Göbel zur SZ. Zudem sei das Beispiel München, das Schardt als Gegenentwurf für die 14 Tage dauernde Quarantäne anführt, denkbar ungeeignet; schließlich gebe es im Landkreis einen deutlich geringeren Inzidenzwert als in der Landeshauptstadt, was zeige, dass man mit den praktizierten Maßnahmen nicht so schlecht fahre.

Die Alternative wäre laut Göbel beispielsweise in Schulen - ausgenommen Grundschulen - eine durchgehende Maskenpflicht auch im Unterricht. "Das wollen wir im Landkreis nicht. Lieber halten wir uns an die Regeldauer der Quarantäne, als dass alle Kinder die ganze Zeit mit Masken im Unterricht sitzen müssen." Die gängige Praxis bleibe bei Verdachtsfällen: Die Schulleitung informiert das Gesundheitsamt. Der Schüler lässt sich umgehend testen "und wir als Landratsamt empfehlen, die Klasse in so einem Fall präventiv aus dem Spiel zu nehmen", wie der Landrat es ausdrückt. Sei der Test negativ, könne die Klasse spätestens zwei Tage später wieder zur Schule kommen.

Im gegenteiligen Fall gehe es eben nicht ohne Quarantäne. Aktuelles Beispiel ist das Gymnasium Ottobrunn, wo eine Schülerin mit Covid-19-Symptomen bereits eine Woche zu Hause geblieben war. Als ihr positives Testergebnis vergangenen Freitag feststand, wurden alle Mitschüler, welche dieselben Q12-Kurse besucht hatten, in Quarantäne geschickt. Dass der Fall erst diese Woche in die Daten des Landratsamtes eingegangen ist, was am Ort für Verwirrung gesorgt hatte, erklärt Göbel damit, dass zunächst ein offizieller Nachweis vorliegen müsse. Der Landrat weist deshalb auch die Forderung von Unterschleißheims Bürgermeister Christoph Böck (SPD) zurück, das Gesundheitsamt müsse klarere Regeln aufstellen, wie mit Verdachtsfällen in Schulen umzugehen sei. Wenn überhaupt, sei das Kultusministerium gefragt, eine flächendeckende Regelung herauszugeben. "Aber ich verstehe, dass sich der Staat vor dem Eingriff in Freiheitsrechte scheut", so Göbel. Es gehe darum, die Inzidenzwerte gering zu halten und auf möglichst breiter Fläche den Schulbetrieb aufrechtzuerhalten. "Ich bin kein Arzt, sondern Jurist. Und es geht hier um durchdachte Maßnahmen und nicht um Willkür", sagt Göbel.

Zuletzt ist Kritik am Gesundheitsamt laut geworden für das Management der Corona-Krise. SPD-Kreischef Schardt etwa hat geäußert, dass das Amt "erkennbar überfordert" sei. Der Landrat nimmt seine Mitarbeiter dagegen in Schutz: "Das Problem ist schlichtweg, dass die Abteilung extrem klein ist und deshalb nicht jeder sofort telefonisch durchkommt." Durch Personalverschiebungen tue man alles, um das Gesundheitsamt zu stärken.

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Quelle:
SZ vom 30.09.2020
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