"Wie Masern und Pocken":Landrat fordert Impfpflicht

Landrat Christoph Göbel bei der Eröffnung eines neuen Schnelltestzentrums im Hotel Dormero. Kirchheim, 30.03.2021 *** D

Geht auf Nummer sicher: Landrat Christoph Göbel bei der Eröffnung eines Schnelltestzentrums in Kirchheim im März.

(Foto: imago images/Future Image)

Im Angesicht der vierten Corona-Welle spricht sich Münchens Landrat für eine bundesweite Pflicht zur Impfung aus. Auch schärfere Schutzmaßnahmen schließt Christoph Göbel nicht aus - in Abstimmung mit der Landeshauptstadt.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis München

Die vierte Corona-Welle rauscht mittlerweile mit voller Wucht durch den Landkreis München. Angesichts dieser Entwicklung spricht sich Landrat Christoph Göbel (CSU) für die Einführung einer bundesweiten Impfpflicht aus. "Das wäre der entscheidende Schritt und das Thema damit auch erledigt", sagte der Landrat am Dienstag der SZ. Auch bei Masern und Pocken habe es intensive Diskussionen über solche Zwangsmaßnahmen gegeben, aber letztlich sei die Impfpflicht auf breite Akzeptanz getroffen. "Und da ist jetzt auch Ruhe."

Den Landrat sorgt der anhaltende Trend bei der Sieben-Tage-Inzidenz, die angibt, wie viele Menschen sich binnen einer Woche mit dem Virus angesteckt haben. Diese nähert sich bedrohlich den Höchstwerten der zweiten Welle. Am Dienstag lag die Inzidenz im Landkreis mit einem Wert von 179,0 zwar etwas niedriger als noch am Montag (189,6); der Trend der letzten Tage aber lässt deutlich erkennen, dass der Rekordwert vom 23. Dezember vergangenen Jahres (228,8) nicht mehr weit entfernt ist. Göbel spricht daher von einer "ernsten Lage", die Pandemie sei mitnichten vorbei. Das Ende der pandemischen Lage nationaler Tragweite werde zwar von der Bundesregierung "auf dem Papier" herbeigeführt, "aber faktisch ist das nicht der Fall".

Bei der Impfquote tappt die Behörde im Dunkeln

Zwar ist die Sieben-Tage-Inzidenz längst nicht mehr der maßgebliche Wert bei der Pandemie-Bekämpfung, aber die Zahl macht deutlich, wie sehr das Virus seinen Weg zurück in die Breite der Bevölkerung findet. Göbels Sorgen hängen auch damit zusammen, dass es keine validen Daten gibt, wie viele Menschen im Landkreis überhaupt schon gegen das Coronavirus immunisiert worden sind. Zwar werden alle Impfungen, die im Landkreis verabreicht werden, statistisch erfasst, aber es gibt keine Informationen über die Empfänger der Dosen, also auch nicht darüber, ob und wo sich Landkreisbürger haben impfen lassen. Nahezu 500 000 Immunisierungen sind bisher erfolgt, und diese Zahl sei "beeindruckend", sagt der Landrat. "Aber wenn es um die Impfquote geht, tappe ich vollkommen im Dunkeln."

Mehr Klarheit gibt es indes hinsichtlich des mittlerweile entscheidenenden Faktors bei der Pandemie-Bekämpfung, der auch für mögliche Verschärfungen der Maßnahmen herangezogen wird: der Hospitalisierungsrate. Diese liegt im Landkreis derzeit noch bei einem niedrigen Wert von 1,43, aber sie steigt. Aktuell werden 16 Menschen aus dem Landkreis stationär wegen einer Covid-19-Erkrankung behandelt, zwei befinden sich in intensivmedizinischer Behandlung.

16 Patienten aus dem Landkreis liegen im Krankenhaus

Anders als vor einem Jahr seien in diesem Herbst keine Kapazitäten in den Krankenhäusern und dort vor allem auf den Intensivstationen freigeräumt worden, sagt der Landrat. Daher drohe die Kapazitätsgrenze bei der stationären Behandlungen von Corona-Patienten schneller erreicht zu werden als in der zweiten Welle. "Wir haben eine ganz normale Belegung und jetzt kommt die steigende Zahl an Corona-Infizierten drauf. Und wenn wir nicht wieder frei räumen, ist die Kapazität erschöpft. Das ist bedrohlich", warnt Göbel.

Der Landrat schließt deshalb Verschärfungen der Corona-Schutzmaßnahmen für den Fall nicht aus, dass die Hospitalisierungsrate stark ansteigt. In einigen südostbayerischen Regionen wie den Landkreisen Mühldorf oder Stadt und Landkreis Rosenheim gelten seit Montag bereits strengere Regeln wie eine FFP2-Maskenpflicht oder G2 (geimpft und genesen) als Zugangsbeschränkung für Clubs und Diskotheken. Diesen Schritt will der Münchner Landrat allerdings nicht alleine gehen, sondern - wenn erforderlich - gemeinsam mit der Landeshauptstadt. Gespräche mit Münchens OB Dieter Reiter (SPD) habe er zwar noch nicht geführt, aber man werde in den kommenden zwei Wochen in die Abstimmung mit der Stadt gehen, schließlich bildeten beide Kommunen einen gemeinsamen Rettungszweckverband, so Göbel.

Die steigende Zahl an Neuinfektionen liegt nach Erkenntnissen des Gesundheitsamts an den "derzeit deutlich weniger einschränkenden Maßnahmen". Dies schlägt sich auch bei der Zahl der sogenannten Impfdurchbrüche nieder. Darunter versteht man Infektionen trotz vollständiger Immunisierung, die durch einen PCR-Test belegt und mit Symptomen verbunden sind. Im Landkreis gibt es bisher 1025 solcher Impfdurchbrüche, 43 Geimpfte müssen oder mussten im Krankenhaus behandelt werden. Die Infektionslage in den Alten- und Pflegeheimen bewegt sich indes auf niedrigem Niveau: Aktuell sind fünf Bewohner aus zwei Einrichtungen sowie sieben Mitarbeiter in fünf Heimen infiziert. Bereits seit einigen Wochen werden wieder neue, wenn auch wenige Infektionen in den Heimen registriert.

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