Coronavirus im Landkreis München:Die Rechnung ohne das Robert-Koch-Institut gemacht

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Warum die Infektionszahlen des Landratsamtes und der offizielle Inzidenzwert nicht zusammenpassen

Von Iris Hilberth, Landkreis

Neuinfektionen, Sieben-Tage-Inzidenz, statistisch Genesene - es werden in der Corona-Pandemie täglich viele Zahlen veröffentlicht. Das Interesse an den Daten ist groß, schließlich hängt von ihnen auch ab, welche Regeln und Einschränkungen aktuell gelten und wie groß die Wahrscheinlichkeit sein kann, sich an bestimmten Orten mit Covid-19 anzustecken. Umso ärgerlicher ist es, wenn wie derzeit im Landratsamt München eine neue Software Zahlensalat produziert und keiner mehr wirklich weiß, was nun stimmt.

Seit Anfang Januar kämpft die Behörde damit, dass das neue, bundesweit einheitliche Meldesystem für Labore nicht mit dem eigenen Computerprogramm zusammenpasst und nun alle Daten der gemeldeten Fälle einzeln geprüft und in eine wiederum neue Software im Amt eingepflegt werden müssen. Es geht um immerhin 10 000 Datensätze. Wo man also genau derzeit liegt mit den Neuinfektionen und der Sieben-Tage-Inzidenz, ist derzeit noch unsicherer, als es zuvor aufgrund der langen Meldeketten eh schon war. Das Landratsamt meldet seit Tagen, dass es diese Probleme gibt und nicht genau beziffert werden kann, in welcher Gemeinde aktuell wie viele Menschen einen positiven Test bestätigt bekamen und welchen Altersgruppen neue Fälle zuzuordnen sind.

Auch das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) veröffentlicht die Zahlen im Moment mit dem Zusatz: "Aufgrund von Problemen bei der Datenübermittlung kommt es zum Aktualisierungszeitpunkt zu einer Untererfassung der Zahlen für den Landkreis München." Landrat Christoph Göbel bleibt in diesen Tagen nur die Hoffnung, dass die Fallzahlen nicht ganz falsch sind.

Nicht nur Statistik-Begeisterte nehmen sich in der Pandemie immer wieder die Zahlen vor und rechnen nach. Es ist schließlich nicht ganz uninteressant, ob demnächst bei der Sieben-Tage-Inzidenz die 200er-Marke erreicht werden könnte oder man noch weit genug entfernt ist von der damit verbundenen Einschränkung des eigenen Bewegungsradius auf 15 Kilometer. Die Rechnung für die Sieben-Tage-Inzidenz, die bekanntlich pro 100 000 Einwohner ermittelt wird, erscheint im Landkreis München auf den ersten Blick einfach: Man addiere die Neuinfektionen der vergangenen sieben Tage und teile diese angesichts der 350 000 Einwohner durch 3,5. Das Ergebnis weicht allerdings stark von dem Wert ab, den RKI und LGL veröffentlichen. Und das ist nicht erst seit der Datenpanne im Landratsamt so.

Aktuell am Dienstag etwa geht das Robert-Koch-Institut von einem Wert von 151,2 aus. Rechnet man mit den Rohdaten, kommt man auf 219,1, was gar keine gute Nachricht für die Landkreisbewohner wäre. "So kann man nicht rechnen", sagt Landratsamtssprecherin Christine Spiegel. Denn die Infektionszahlen, die bei der Kreisbehörde einlaufen, haben noch nicht die übergeordneten Stellen erreicht. Dort hinkt man meist noch etwas hinterher und verbucht die Fälle auch ganz anders, nämlich nach dem angenommenen Infektionszeitpunkt. Daher sei das eine mit dem anderen nicht vergleichbar, sagt Spiegel, "und darum rechnen wir auch nicht selbst die Sieben-Tage-Inzidenz aus".

Tatsache ist, dass die aktuell geltenden Bestimmungen sich nach dem offiziellen Wert richten, der meist das Infektionsgeschehen von vor einigen Tagen widerspiegelt. So kann es sein, dass die Infektionszahlen steigen, während der Inzidenz-Wert auf einem hoffnungsvollen Sinkflug ist. Am Dienstag meldete das Landratsamt am Abend 124 neue Fälle und 668 aktuell Infizierte sowie eine Inzidenz von 181,2 (siehe auch rechts).

© SZ vom 20.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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