Süddeutsche Zeitung

Coronavirus:Göbel will schneller handeln als München

Der Landrat warnt angesichts rückläufiger Infektionszahlen vor Leichtsinn und kündigt an, Alkoholverbote und Maskenpflicht im Freien notfalls frühzeitig anzuordnen: "Ich würde nicht bis 50 warten"

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Trotz zuletzt rückläufiger Zahlen bei den Neuinfektionen mit dem Coronavirus warnt Landrat Christoph Göbel (CSU) vor Leichtsinn. Es gebe keinen Anlass, sich zurückzulehnen, sagte Göbel am Mittwochnachmittag in seinem wöchentlichen Corona-Briefing. Zudem macht der Landrat deutlich, dass er bei wieder steigenden Fallzahlen schneller als etwa die Stadt München Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens einleiten werde. "Ich würde nicht bis 50 warten", sagte Göbel mit Blick auf den Schwellenwert bei der Sieben-Tage-Inzidenz, von dem an neue Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen sowie zusätzliche Hygienemaßnahmen eingeleitet werden müssen.

Alkoholverbote, die Maskenpflicht auf bestimmten Plätzen, die Begrenzung bei Kontakten seien Maßnahmen, die im Landkreis "früher" ergriffen werden müssten, machte Göbel deutlich.

Davon ist der bevölkerungsreichste Landkreis des Freistaats derzeit aber weit entfernt. Stand Mittwoch lag der Inzidenz-Wert, der besagt, wie viele Menschen sich in der vergangenen Woche bezogen auf 100 000 Einwohner angesteckt haben, lediglich bei 21,2; zudem meldete das Landratsamt nur elf dokumentierte Neuinfektionen seit Dienstag. Die Entwicklung verlaufe derzeit gegen den Trend, sagte Göbel, mit bestimmten Maßnahmen habe dies aber nichts zu tun. "Das ist gleichermaßen Glück und Zufall." Positiv ist laut Göbel die Momentaufnahme in den Alten- und Pflegeeinrichtungen im Landkreis: Momentan seien keine Bewohner an Covid-19 erkrankt. Allerdings seien neun Mitarbeiter in fünf Einrichtungen akut infiziert und ebenso wie 16 Kontaktpersonen der Kategorie 1 in häuslicher Quarantäne. Auch in den dezentralen Unterkünften für Geflüchtete sei die Situation momentan erfreulich, lediglich ein Schutzsuchender befinde sich wegen einer Ansteckung in der Quarantäne-Unterkunft in Haar, drei Kontaktpersonen seien ebenfalls in Isolation.

Inzidenz sinkt

Nach elf neuen Infektionen seit Dienstag liegt die Sieben-Tages-Inzidenz im Landkreis nurmehr bei 21,1. Am Dienstag hatte sie noch einen Wert von 24,7. Damit wurden seit Beginn der Pandemie im Landkreis 1994 Infektionsfälle bestätigt. Aktuell sind laut Landratsamt 141 Personen infiziert (Stand: Mittwoch, 15.30 Uhr). Insgesamt gelten 1757 Personen als statistisch genesen, 96 Landkreisbürger sind in Zusammenhang mit Corona gestorben. Die Neuinfektionen verteilen sich auf zehn Gemeinden: Zwei Betroffene kommen aus Ottobrunn, je einen positiven Teste melden Aying, Brunnthal, Feldkirchen, Gräfelfing, Grünwald, Haar, Neubiberg, Oberhaching und Unterschleißheim. Infiziert haben sich zuletzt Personen aus fast allen Altersgruppen, nur bei den Ältesten über 80 Jahre blieb die Zahl konstant. hilb

Göbel räumte ein, dass es beim Erfassen von Kontaktpersonen und der Anordnung häuslicher Quarantäne in der Kommunikation zuletzt "einige Irrungen und Wirrungen" gegeben habe; nicht alle Menschen würden verstehen, warum sie oder ihre Kinder in häusliche Isolation müssten. Ein Beispiel: Wenn etwa in einer Kita-Gruppe ein positiver Fall auftritt, die Parallelgruppe aber auch in Quarantäne muss, weil alle Kinder dieselben sanitären Anlagen benutzen. Da komme es schon immer wieder zu Beschwerden. Kommunikation sei alles, und diese müsse auch noch verbessert werden, findet Göbel, daher plane das Gesundheitsamt auch, die internen Strukturen zu optimieren und Themenfelder - etwa Schulen und Kindertageseinrichtungen - klarer zu strukturieren. Seit Montag übernehmen zudem wieder die Rathausverwaltungen in den 29 Städten und Gemeinden das sogenannte Kontaktpersonen-Management. Klar ist Göbel zufolge aber auch, dass es nicht möglich sei, jeden Menschen in Quarantäne jeden Tag einmal anzurufen und sich nach dessen Gesundheitszustand zu erkundigen. "Wir müssen schon auch auf den gesunden Menschenverstand vertrauen, wenn es darum geht, dass Menschen die Quarantäne einhalten."

In der landkreiseigenen Teststation in Haar wurden unterdessen die Testkapazitäten ausgeweitet. Allein am ersten Vormittag der Eröffnung hätten sich 247 Menschen testen lassen, daher werde nun dienstags und donnerstags jeweils von 8 bis 18 Uhr getestet; und auch in den dezentralen Testzentren in den Kommunen werden die Kapazitäten ausgeweitet. So etwa in Grünwald: Dort können sich Einwohner der Gemeinde kostenlos montags von 13 bis 16 Uhr, mittwochs von 7.30 bis 11.30 Uhr, donnerstags von 15 bis 18 Uhr sowie am Freitag von 7.30 bis 11.30 Uhr testen lassen. Dies sei mit Blick auf eine Grippewelle im Herbst und Winter notwendig, um die Hausarztpraxen zu entlasten. Es müsse vermieden werden, dass Erkrankte in Praxen andere Patienten oder das Personal anstecken, so Göbel. Das Landratsamt erhalte zudem einmal wöchentlich eine Übersicht über die Auslastung in den Krankenhäusern und die Verfügbarkeit von Betten, vor allem auf den Intensivstationen. Derzeit sei die Lage "entspannt", so der Landrat; momentan sei deshalb nicht geplant, Kapazitäten etwa im Bezirkskrankenhaus Haar oder der Wolfartklinik in Gräfelfing freizuhalten, wie das im Frühjahr der Fall war. Momentan befänden sich nur wenige Menschen in stationärer Behandlung.

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SZ vom 24.09.2020
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