Kreis und quer:Konsonanten als Virenschleudern

Coronavirus · Hannover

FFP-2-Schutzmasken gelten als guter Schutz vor Ansteckungen.

(Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa)

Covid-19 ist wählerisch. Manche Buchstaben liebt das Virus, weil man mit ihnen besser durch die Luft segeln kann. Andere sind nur ganz lahme Enten.

Glosse von Michael Morosow

Die Kurznachricht an seinen Chef-Dosenöffner, die der kleine Stubentiger nach einem Spaziergang quer über die Tastatur des Laptops hinterlassen hat, ist von sibyllinischer Art: "ppizfscaklllöhdequi9kwlöllk". Ja, der Kerl kann zwar vierpfotig schreiben, aber eine echte Hilfe ist er wahrlich nicht im Home-Office. Aber nicht nur das kann man ihm zur Last legen, seine seltsame Wortwahl wäre zudem gefährlich für Leib und Leben, wenn sie von einem Superspreader oral verwendet würde. Alleine beim Anlaut "ppiz" würde jedes Gegenüber derart viele Aerosole abbekommen, dass es sich die Augen wischen müsste.

Covid-19 schätzt Konsonanten, gerade wenn diese gezischt oder gepresst die Lippen verlassen, als probate Virenschleudern, anders als Vokale wie etwa in "Herdenimmunität", die weniger leicht durch die Schutzmasken schlüpfen können. Es macht also durchaus einen Unterschied, ob sich zum Beispiel die Bürgermeisterin von Höhenkirchen-Siegertsbrunn aus kurzer Nähe mit "Konwitschny" vorstellt oder der Landrat mit einem weniger bedrohlicheren "Göbel". Wenn man es ganz genau nimmt, dann eignet sich "ppizfscaklllöhdequi9kwlöllk" nicht einmal als Unwort des Jahres 2020, das am 31. Dezember bestimmt wird. Als Favoriten gelten unter anderem "Coronavirus", "Social Distancing", "systemrelevant", "Maskenpflicht" und "Reproduktionszahl" - allesamt Vorschläge aus dem Giftschrank des pandemisch wütenden Ungeheuers.

Aber jetzt mal Schluss mit den tristen Gedanken im grauen November. Es ist nicht alles schlechter geworden im Lande, auch wenn das Leben zum zweiten Mal runtergefahren wurde. Nun aber, da die Menschen bis Ende des Monats wieder Abstand halten müssen zu beinahe allen außerhäuslichen Vergnügungen und ihren Frust darüber nicht einmal in einer Kneipe ertrinken können, stehen zwangsläufig wieder die grundlegenden menschlichen Werte Familie, Freundschaft, Zusammenhalt und Liebe hoch im Kurs. Die Eltern und Geschwister im Mensch-ärgere-Dich-nicht-Spiel über den Tisch zu ziehen, kann Kinder darüber hinwegtrösten, dass ihre geplanten Herbstferienfreuden unter den Tisch gefallen sind. Und dass die Großeltern ganze Wochenenden ihre Enkelkinder bespaßen dürfen, auch das war in vielen Familien vor der Pandemie weniger der Fall.

Nur noch 23 Mal schlafen, dann soll das Leben auch im Landkreis München wieder pulsieren, vorausgesetzt, alle Parameter stimmen wie etwa der Inzidenz-Wert, ebenfalls ein Kandidat für das Unwort des Jahres. Die Maskenpflicht wird sicher nicht aufgehoben werden, und ob das über Jahrhunderte gepflegte Händeschütteln eine Renaissance erleben wird, ist zumindest fraglich. Der Ebola-Gruß, tut's auch. "Ellbogengesellschaft" - ja, das hätte auch das Zeug zu einem Unwort des Jahres, mehr als "ppizfscaklllöhdequi9kwlöllk".

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