Süddeutsche Zeitung

Coronavirus:Alles ruht

Die Menschen im Landkreis halten sich an die Ausgangsbeschränkungen. Straßen und Plätze bleiben weitgehend leer, auch in Lebensmittelgeschäften ist weniger los. Unterdessen laufen weitere Hilfsaktionen an.

Von Lars Brunckhorst und Sabine Wejsada

Die Ausgangsbeschränkungen zeigen Wirkung: Die Menschen gehen offenbar nur noch vor die Tür, um schnell bei einer Bäckerei frisches Brot und Naschwerk zum Kaffee zu holen oder um etwas Luft zu schnappen und sich zu bewegen. Das ist der Eindruck vom Wochenende. In den Läden wird großzügig Abstand gehalten, manche bitten auf Aushängen darum, dass nur zwei oder drei Kunden gleichzeitig eintreten. Diese wiederum bedanken sich bei den Verkäuferinnen und Verkäufern mit Sätzen wie "Danke, dass Sie für uns da sind und die Stellung halten!". Wer geht, ruft allen "Bleiben Sie gesund!" zu. Draußen sind am Sonntag Familien mit Kindern unterwegs oder Paare. Manche gehen auch ganz allein spazieren oder zum Joggen.

Die Menschen im Landkreis haben sich an den ersten Tagen der landesweiten Ausgangsbeschränkung ganz überwiegend an die Vorschriften gehalten. Die Polizei meldete bis Sonntagabend lediglich einen Fall, in dem sie gegen eine Gruppe vorgehen musste. Beamte der Inspektion Oberschleißheim erteilten fünf Personen, die am Freitagnachmittag noch vor einer Gastwirtschaft in Garching Alkohol tranken, einen Platzverweis. Nachdem sich ein 49-Jähriger beharrlich weigerte zu gehen, musste laut Polizei die "Maßnahme mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden". Weil sich der Mann wehrte, wurde er wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz angezeigt.

Abgesehen von diesem Vorfall blieb es ruhig. Wenn Menschen draußen waren, dann vereinzelt am Sonntag. Das schlechte Wetter am Samstag hielt ohnehin von Spaziergängen und anderen Unternehmungen ab. Nicht nur Straßen und Plätze blieben verwaist, auch die Busse fuhren meist so gut wie leer. In den Supermärkten war es am Samstag ebenfalls verhältnismäßig leer. Manche Geschäfte boten ein ungewöhnliches Programm: In Neubiberg etwa werden Kunden eines Supermarkts seit Freitag mit Livemusik unterhalten. "Ich wollte einfach etwas für die gute Laune tun", sagt Marktleiter Robin Hertscheck, der für jeden Tag Musiker engagieren will. Zum Auftakt boten die Münchner Sängerin Valeria Tapia und Gitarrist David Bermudez lateinamerikanische Songs. Doch Hertscheck geht es um mehr als gute Laune: "Der Handel verdient im Moment wirklich gut, da will ich auch etwas tun." Vielen freiberuflichen Musikern sind durch die Corona-Krise die Einnahmen weggebrochen, sie möchte er mit den Engagements unterstützen. Auf die Idee brachte Hertscheck einer seiner Mitarbeiter, der selbst Musiker ist.

Regelmäßiges Balkonsingen

Um gute Laune und Solidarität geht es auch einer Initiative, die für Sonntagabend erstmals die Menschen dazu aufrief, von 18 Uhr am Fenster oder auf dem Balkon gemeinsam die "Ode an die Freude" anzustimmen und so für den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu werben. Viele Gemeinden, etwa Kirchheim, appellieren, mitzusingen oder einfach nur zuzuhören. In Unterhaching ruft die Heilandskirche zum regelmäßigen Balkon-Singen auf. Beginn war am Sonntagabend um 19 Uhr. Mit Kerzen auf dem Balkon oder am Fenster sollten die Unterhachinger das bekannte Abendlied "Der Mond ist aufgegangen" zusammen singen. Außerdem werden fortan täglich um 12 Uhr die Glocken läuten und zum häuslichen Gebet einladen. Nachdem keine öffentlichen Gottesdienste mehr gefeiert werden können, hat etwa der katholische Pfarrverband Gräfelfing einen Livestream eingerichtet. Pfarrer Markus Zurl und Kaplan Gregor Schweizer feiern die Gottesdienste in ihrer privaten Pfarrhauskapelle, wer will, kann online dabei sein

Im Zeichen des Zusammenhalts steht auch eine Aktion des Burschenvereins Straßlach, der mit der Freiwilligen Feuerwehr Obst und Gemüse an die Senioren in der Gemeinde verteilt. Es stammt von einem Gastronomen aus München, der Aufgrund der Corona-Krise seinen Betrieb vorerst einstellt. Burschen und Feuerwehrleute stellen Obst- und Gemüsepakete zusammen und fahren diese an die Haushalte aus. Weitere ehrenamtliche Helfer haben sich - wie schon in anderen Gemeinden - bereit erklärt, für alte und kranke Menschen zum Einkaufen zu gehen, Briefe zur Post zu bringen oder Rezepte bei der Apotheke abzuholen. Koordiniert werden die Angebote von Straßlachs Seniorenbeauftragtee Gisela Lengersdorf. Bürgermeister Hans Sienerth ist stolz auf das Engagement in der Gemeinde. "Es zeigt, dass die Jugend bereit ist, Verantwortung zu übernehmen", sagt Sienerth.

Netzwerk Unterföhringer Vereine

Eine ähnliche Aktion startet in Unterföhring. Unter dem Motto "Unterföhring hält Abstand und trotzdem zusammen" finden Menschen, die wegen ihres Alters, einer Grunderkrankung oder eines fehlenden familiären Umfelds nicht in der Lage sind, sich mit Lebensmitteln zu versorgen, Rezepte einzulösen und warme Mahlzeiten herzustellen, von diesem Montag, 23. März, an Hilfe. Gemeinsam mit den Unterföhringer Vereinen hat die Gemeinde ein Netzwerk gespannt. Das Angebot richtet sich auch an Corona-Kranke, denen eine längere Isolation bevorsteht. Die Koordination der Hilfsdienste übernimmt das Rathaus unter 089/950 81-723, -724, (Montag bis Freitag von 8 bis 16 Uhr) sowie jederzeit per E-Mail an hilfen@unterfoehring.de.

Die Corona-Krise stellt unterdessen die Hospizvereine vor große Herausforderungen. Wegen der Besuchsverbote in den Pflegeeinrichtungen muss der Hospizverein Isartal derzeit seine Begleitungen aussetzen. Sie sollen wieder aufgenommen werden, wenn es die Behörden zulassen, wie es in einer Pressemitteilung heißt. Telefonische Beratungen seien aber möglich. Die Koordinatorin des Hospizvereins, Elisabeth Sexl, steht montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr unter Telefon 0171/609 82 29 zur Verfügung. Das Büro ist nun zu den Sprechstunden nur für telefonische Beratungen besetzt (montags von 17 bis 19 Uhr, donnerstags von 10 bis 19 Uhr). In den Osterferien entfallen die Sprechstunden.

Die Volkshochschule Südost hat zwar wie alle Bildungseinrichtungen ihre Türen geschlossen, nicht aber ihr Angebot. Von dieser Woche an stellt die VHS einen Teil ihres Angebotes online zur Verfügung: Ob aktuelle Gesellschaftsthemen, Zumba, Yoga oder Italienisch - jeder könne zu Hause etwas für Körper, Geist und Seele tun, heißt es von der VHS. Über "Kommunikation in Zeiten der Krise" informiert Dirk von Gehlen von der Süddeutschen Zeitung an diesem Montag um 19.30 Uhr im Livestream der VHS unter www.vhs-suedost.de.

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Quelle:
SZ vom 23.03.2020
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