Schutz vor Coronaviren:"Trennwände sind am wirksamsten"

Neubiberg, Realschule, Schule in Corona-Zeiten, offene Fenster, Masken, Anoraks, Mützen und Schals, Foto: Angelika Bardehle

Alltagsmasken, offene Fenster und dicke Jacken: so sieht die Realität nicht nur in der Realschule in Neubiberg aus.

(Foto: Angelika Bardehle)

Viele Gemeinden erwägen die Anschaffung teurer Luftreiniger für Schulen. Zwei Experten machen in Oberhaching deutlich, dass andere Maßnahmen möglicherweise effizienter sind.

Von Iris Hilberth, Oberhaching

Der Kasten brummt. Nicht allzu laut, aber merklich. 52 Dezibel, wenn er auf Stufe vier läuft, und das sollte er, damit er den Luftaustausch in einem Klassenzimmer erfolgreich hinbekommt. 52 Dezibel sind etwa so laut wie Vogelgezwitscher oder leise Radiomusik. Stören kann das trotzdem und teuer sind solche Luftreinigungsgeräte allemal. Derzeit ist die Anschaffung solcher Apparate vor allem für die Schulen überall in der Diskussion. So auch in Oberhaching, wo sich Gemeinderäte am Dienstag nicht nur ein Gerät demonstrieren ließen, sondern auch zwei Experten dazu befragten. Am Ende wurde klar: Plexiglasscheiben und FFP-2-Masken könnten die bessere Option sein.

Die Grünen hatten den Antrag gestellt, für sämtliche Schulen in gemeindlicher Trägerschaft Luftreinigungsgeräte anzuschaffen. Einen Zuschuss dafür gibt es vom Freistaat aber nur für Klassenzimmer, in denen man die Fenster nicht vollständig öffnen kann und das geforderte Querlüften nicht funktioniert. In Oberhaching ist das in fünf von insgesamt 184 Klassenzimmern der Fall, für die auch bereits Geräte bestellt wurden. Würde man die anderen auch damit ausstatten, müsste die Gemeinde fast eine halbe Million Euro für die Anschaffung sowie jährlich noch einmal etwa 57 000 Euro für Unterhalt und Betrieb locker machen, hat die Verwaltung ausgerechnet. Ein Vertreter des Ingenieurbüros Bauer, das sich für die Gemeinde Oberhaching solche Geräte in Pullach und Unterschleißheim angeschaut hat, gab zudem zu bedenken: Es ist nicht sicher, dass das Stromnetz die elektrische Leistung schafft. Die Geräte hätten zudem derzeit eine Lieferzeit von acht bis zwölf Wochen.

Die derzeitige Empfehlung des Umweltbundesamtes lautet: Alle 20 Minuten Fenster auf. Das kann sehr frisch werden in den Klassenzimmern. "Wir frieren eigentlich den ganzen Tag", bestätigte CSU-Gemeinderat Ludwig Pichler, selbst Lehrer am Oberhachinger Gymnasium in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses. Doch ob nun die Fenster-Lüftung oder das Lüftungsgerät die bessere Alternative ist, die gefürchteten, möglicherweise mit Viren verseuchten Aerosole schnell und effektiv loszuwerden, darüber gehen die Meinungen der Experten auseinander.

Christian Kähler, Professor am Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik der Universität der Bundeswehr in Neubiberg, etwa sagte in Oberhaching: "Man muss mehr lüften, als man glaubt". Und Fensterlüften funktioniere nicht, wenn drinnen und draußen die gleiche Temperatur herrsche. Er vertraut nach seinen Untersuchungen den Geräten mehr, die immerhin das Sechsfache des Raumvolumens pro Stunden filtern. Dies sei eine etablierte Technik, man lüfte damit quasi kontinuierlich. Die Ausstattung eines Raums habe keine Auswirkung auf die Filterleistung. Martin Renner, Professor für Lüftungs- und Klimatechnik an der Hochschule München, hingegen sagte: "Die Funktion der Geräte ist da, aber wir kommen am Lüften nicht vorbei." Vielleicht sei ja in den vergangenen Jahren auch zu wenig gelüftet worden. Renner ist überzeugt: "Jeder Raum hat eine eigene Durchströmung." Man müsse sich alle einzeln anschauen.

Auch für Kähler, auf dessen Untersuchungen sich viele Befürworter der Filtergeräte berufen, sind diese allerdings nicht das beste Mittel, um die Schüler vor Corona zu schützen. Zu einer Infektion könne es auch kommen, wenn die Aerosole seitlich aus den Masken austreten und dann den Sitznachbarn direkt treffen - was beim einfachen Mund-Nasenschutz leicht der Fall sei. Daher empfiehlt der Neubiberger Wissenschaftler insbesondere Plexiglasscheiben zwischen den Schülern in den Klassenzimmern. "Trennwände sind am wirksamsten", sagte er. An Position zwei seines Rankings stehen die FFP-2-Masken, nicht nur für Lehrer, wenn sie sich auf die Schüler zubewegen, sondern auch für alle Kinder. Erst an dritter Stelle nannte er die Raumluftreiniger.

Die Grünen haben ihren Antrag schließlich zurückgezogen, der Gemeinderat will die drei Varianten noch einmal mit den Schulleitungen und Elternbeiräten diskutieren und die Räume anschauen. Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) stellte allerdings mehrfach klar: "Die Infektionsschutzrichtlinien sind nach wie vor gültig." Die Eltern meinten, wenn so ein Kisterl im Raum stehe, gebe es keine Maskenpflicht mehr und man komme aus der Quarantänepflicht für ganze Klassen raus, sagte Schelle. "Das ist aber nicht so!"

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