Corona-Beschränkungen:Die große Lust am Öffnen

Die Fitnessstudios füllen sich, die Handballer trainieren wieder und auch in der Gastronomie regt sich etwas Zuversicht. Die Menschen freuen sich über die Lockerungen - aber nicht überall gibt es Aufbruchstimmung.

Von Irmengard Gnau, Michael Morosow, Martin Mühlfenzl, Udo Watter und Claudia Wessel

Sebastian Ametsbichler kann nicht bis zum Ende trainieren. Um zehn vor zehn muss er die Halle am Otterloher Feld in Sauerlach fluchtartig verlassen, um gerade noch rechtzeitig heimzukommen. Der gebürtige Sauerlacher, der bei den Handballern des TSV als Spielmacher Regie führt, wohnt in Otterfing, gleich hinter der Gemeindegrenze im Nachbarlandkreis Miesbach - und dort gilt Ende vergangener Woche noch immer eine Ausgangssperre von 22 Uhr an, die Sieben-Tage-Inzidenz ist noch immer zu hoch. "Das nervt schon etwas", sagt der 26-jährige Student. Aber eigentlich sei er nur froh, überhaupt wieder in der Halle trainieren zu dürfen.

Im Landkreis München ist das wieder möglich, weil die Inzidenz seit Tagen weit unter 50 liegt, seit Donnerstag wird in vielen Bereichen nicht einmal mehr ein negativer Test benötigt, um wieder in den Genuss von mehr Freiheit zu kommen.

Monatelang haben sich die Sauerlacher Handballer immer donnerstags zum Zoom-Training getroffen; jeder alleine vor dem Laptop oder Tablet, es gab individuelle Trainingspläne für jeden. Jetzt wird endlich wieder gemeinsam trainiert - indoor, kontaktlos zwar, aber immerhin. "Es ist schön, die Mitspieler mal wieder zu sehen, da haben sich alle darauf gefreut", sagt Ametsbichler. Vor dem Training in der Halle gehen die Spieler des Landesligisten gemeinsam laufen, "um die Trainingszeit zu verlängern", so der Spielmacher.

Outdoor dürften sie sogar wieder mit Vollkontakt trainieren, dass es aber in der Sporthalle noch nicht voll zur Sache geht, ist für ihn kein Drama. "Da sind eher sämtliche Sprunggelenke nach so langer Zeit dankbar", sagt er und lacht. Wann sie wieder mit dem Spielbetrieb loslegen können, stehe aber in den Sternen, sagt er, "vielleicht wie letztes Jahr im September oder Oktober, wenn das mit dem Impfen passt".

Im Taufkirchner Fitnessstudio "Ladys fit" liegen die Matten im hell erleuchteten Trainingsraum in gebührendem Abstand zueinander. Noch haben sich nicht allzu viele Sportlerinnen eingefunden, der Neustart läuft schleppend an. Aber Leiterin Sandra Hippler ist erleichtert, dass sie ihr Frauen-Fitnessstudio in Taufkirchen wieder öffnen darf. "Es ist sehr wenig los", sagt sie.

Hippler vermutet, dass viele der Mitglieder sich noch nicht trauen, in einem geschlossenen Raum mit anderen Sport zu treiben. "Vor allem ältere Kundinnen warten vielleicht erst noch auf ihre zweite Impfung." Die Sportlerinnen, die momentan ins Studio kommen, freuen sich der Geschäftsführerin zufolge aber über die Möglichkeit, wieder vor Ort trainieren zu können. Während des Lockdowns bot Hippler Online-Kurse an, die sie nun trotz der Öffnung weiterführen möchte. Den persönlichen Kontakt im Studio könnten diese jedoch nicht ersetzen, "das haben viele sehr vermisst".

Im "Plus Fit" in Oberschleißheim herrscht in den ersten Tagen seit der Wiedereröffnung hingegen großer Andrang, wie ein Mitarbeiter berichtet: "Bei uns ist teilweise mehr los als vor dem Lockdown." Dass seit Donnerstag für den Besuch kein negativer Test mehr nötig ist, habe die Situation noch weiter verbessert. Überfüllt ist das Studio dem Mitarbeiter zufolge dennoch nie, weshalb die Sportler ohne Zeitvorgaben so lange trainieren können, wie sie möchten. "Wir haben genug Platz, die Leute können sich gut verteilen."

Den Wirten verhagelt das Wetter die Freude

Holger Müller und Thomas Bendig sind etwas zurückhaltender in ihrer Freude. Die beiden Gastronomen müssen zwei Werte im Blick haben - die Infektionszahlen und die Temperaturen. Das Wetter hat ihnen in der vergangenen Woche das Geschäft ziemlich vermiest. "Wir haben unseren Außenbereich noch mal aufgerüstet mit Schirmen, Heizstrahlern und Decken", sagt Holger Müller, Inhaber der Waldeslust in Unterhaching.

Doch falls es anfängt, heftig zu regnen, wenn gerade das Schnitzel serviert wird, macht das Essen im Freien kaum Freude. Auch Thomas Bendig wägt noch ab, ob er seine Bar und Pizzeria "Feuer und Stein" in Höhenkirchen-Siegertsbrunn sofort wieder für Gäste öffnen soll. Bis zum 4. Juni ist er im Betriebsurlaub, danach kommt es auf das Wetter und die Rahmenbedingungen an. "Ich mache nicht für einen Tag auf und dann wieder vier Tage zu", sagt Bendig. "Ich muss ja meine Soßen vorproduzieren."

Wenn nicht genügend Gäste kommen, können die Gastronomen nicht kostendeckend arbeiten. "Wir müssen dringend auch innen öffnen", fordert Müller deshalb. Die Menschen wollten auswärts speisen, sagt er. Die jüngsten Öffnungen weisen in diese richtige Richtung. "Ich bin schon optimistisch, dass es jetzt vorwärts geht", sagt Müller. Auch wenn für die Wirte noch Fragen offen sind, wie sie etwa Großveranstaltungen wie Hochzeiten abhalten dürfen.

Die Studierenden an der TU in Garching werden vorerst vor allem online ihre Kurse besuchen. Auch wenn die Entwicklung der Infektionszahlen ermutigend sei, ließen sich noch keine verlässlichen Angaben über die Auswirkungen auf den Universitätsbetrieb treffen, sagt Pressesprecher Ulrich Meyer. "Wir sind hier von behördlichen Vorgaben abhängig, was zum Beispiel die Abstandsregeln und damit auch die Anzahl von Personen betrifft, die sich gleichzeitig in unseren Räumlichkeiten aufhalten dürfen." Im aktuellen Sommersemester wird sich daher an der Präsenz nicht viel ändern. "Wir müssen unseren Studierenden ja Planungssicherheit bieten", sagt Meyer.

Galileo in Garching

Das TU-Audimax in Garching wird auch den Sommer über leer bleiben.

(Foto: Catherina Hess)

Füllen werden sich hingegen wieder die Säle mit Tanzbegeisterten. Das erste Tanzturnier nach dem langen Lockdown findet in Unterschleißheim bereits an diesem Samstag, 29. Mai, im Bürgerhaus statt, freut sich Peter Klempfner, Vorsitzender des Tanzsport-Clubs Unterschleißheim. Angemeldet sind in der Hauptgruppe A insgesamt 14 Paare und in der Gruppe Senioren III S 23 Paare. Der Wettkampf in Unterschleißheim wird in nur in zwei Startklassen für die Paare des Bayerischen Landeskaders angeboten. Auf das persönliche Treffen freuen sich alle Tänzer sehr. "Seit fast acht Monaten vermissen alle Sportfreunde die Begegnung in der Trainingsstätte", so Klempfner.

Auch zum Training würden alle gerne wieder kommen. Zur Zeit dürfen aber nur die Turnierpaare des Bayerischen Landeskaders. Gruppentrainings sind nach wie vor nicht zulässig. Dass die Mitglieder dem Tanzsport-Clubs trotzdem sehr treu sind, freut Klempfner. Es gebe kaum Austritte, nur die übliche Fluktuation speziell bei den Jüngeren. "Die große Herausforderung für alle Sportvereine, auch für den Tanzsport-Club Unterschleißheim, liegt aktuell in der Gewinnung neuer Mitglieder. Denn kaum ein Interessent entscheidet sich für eine neue Mitgliedschaft, wenn das Training in der Gruppe nicht angeboten werden kann."

Johann Schuster, Leiter des Volkstanzkreises Pullach, richtet den Blick in die Zukunft. "Meine große Hoffnung ruht auf dem Morgendanzl im Biergarten der Waldwirtschaft Großhesselohe, am Sonntag, 25. Juli", sagt er. Von 8 bis 12 Uhr möchte die "Maschant Tanzlmusi" endlich wieder aufspielen, und viele Volkstänzer wollen wieder früh aufstehen, um im Biergarten zu tanzen. Auch hofft Schuster, dass im Juni und Juli Übungsabende stattfinden können, sowohl für den Volkstanz- als auch für den Renaissancetanzkreis.

Sich so richtig zu freuen, wagt er noch nicht ganz. "Das halte ich für dünnes Eis", sagt er skeptisch. Dabei stehe doch nun einem Paartanz wirklich nichts mehr im Wege, findet Schuster. "Man muss bedenken, dass von meinem Klientel altersbedingt bestimmt schon 80 bis 90 Prozent vollständig geimpft sind und ein nicht unerheblicher Teil Corona überstanden hat."

"Wir öffnen auf jeden Fall am 7. Juni." Das sagt Thomas Wurmseder, Inhaber des Tanzhauses Emotion in Unterhaching. Alle Kurse finden dann wieder statt, sowohl für Kinder als auch für Erwachsene, natürlich mit Hygienekonzept. Man betritt die Tanzschule mit Maske, darf diese aber beim Tanzen ablegen. Die Zusammenführung von Fremden als Tanzpaar geht derzeit nicht, man muss sich paarweise anmelden. Für den Neustart hat Wurmseder noch einmal investiert, und zwar in Luftreinigungsfilter für 23 000 Euro, die jetzt alle Viren zuverlässig abtöten, wie er verspricht. Die Staatshilfe von Januar bis Mai sei übrigens noch nicht eingetroffen.

Maria Leeb ist froh, nach den Pfingstferien mit ihrer Yogagruppe wieder ins Ballettzentrum in Grünwald ziehen zu können. Dort wird der Unterricht mit Hygienekonzept stattfinden. Dazu gehören das Abstandhalten, das Tragen einer FFP2-Maske beim Umhergehen, die auf der Matte abgenommen werden kann, und das Vorlegen des Impfpasses mit vollständiger Impfung oder eines negativen Tests.

Beim Ensemble Haar sieht man den kommenden Wochen verhalten optimistisch entgegen. "Die Erlaubnis für Laienorchester, zu zehnt zu spielen, ist ja eigentlich unbrauchbar, trotzdem werden wir alles versuchen: Proben mit Ausnahmegenehmigung oder bei gutem Wetter im Freien", erklärt Georg Freitag, Sprecher des Ensembles. In Innenräumen sind bei Proben von Laienensembles bis zu zehn Personen zugelassen, draußen bis zu 20. Auch eine Umplanung des auf den 4. Juli terminierten Saalkonzertes in eine Open-Air-Veranstaltung ist angedacht - oder als weitere Alternative: eine Anmietung von Bühne mit Zelt. "Alles ist im Fluss, feste Aussagen können wir noch nicht machen, aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Wir bleiben dran."

Von einer Aufbruchstimmung kann in der Hotelbranche hingegen noch keine Rede sein. "Es geht nur langsam voran. Wir haben derzeit eine Belegungsquote von gerade einmal 20 Prozent", sagt Cynzia Russonielle, Geschäftsführerin des Schlosshotels Grünwald. Viele Geschäftsleute hätten auf Home-Office umgestellt und fehlten nun auf der Buchungsliste, sagt sie.

Ins gleiche Horn stößt Lisa Thumm, Geschäftsführerin des Holiday Inn in Unterhaching. Nunmehr checkten zwar erstmals wieder Touristen ein, aber in überschaubarer Zahl, sagt sie. Dass bei ihr momentan auch nur wenige Geschäftsleute Übernachtungen buchen, liege schlicht daran, dass Veranstaltungen zur Aus- und Weiterbildung erlaubt, Tagungen dagegen weiter untersagt seien. Sie hoffe, dass bald wieder Normalität einkehre.

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