Corona-Krise:Corona-Infektionen in vier Altenheimen

Landrat fürchtet in seiner wöchentlichen Video-Pressekonferenz angesichts des Mangels an Schutzkleidung um das Pflegepersonal. Gleichzeitig schließt die Helios-Klinik in Pasing, in der der Kreis 371 Betten vorhält

Von Iris Hilberth, AnnetteJäger und Sabine Wejsada, Ismaning/Planegg

Immer mehr Alten- und Pflegeeinrichtungen sind auch im Landkreis München von Ansteckungen mit dem Coronavirus betroffen. Landrat Christoph Göbel (CSU) sprach in einer Video-Pressekonferenz am Donnerstag von insgesamt vier Heimen, in denen es mindestens einen Infizierten gebe, darunter die zwei stark betroffenen Einrichtungen: in Ismaning und Planegg. "Unser Hauptaugenmerk liegt in der rechtzeitigen Erkennung von Infektionen in Alten- und Pflegeheimen", sagte Göbel. Denn wenn dort eine Infektion auftrete, seien schnell viele Bewohner und Mitarbeiter infiziert.

Der Landrat befürchtet, dass dann nicht mehr genügend Personal in den Einrichtungen im Einsatz sein kann. Daher bereitet ihm der Mangel an Schutzausrüstung große Sorgen. "Es ist seit vergangener Woche einiges geliefert worden, doch es reicht bei weitem nicht aus", sagte Göbel. Zwar habe sich die Versorgung mit Masken deutlich verbessert, doch es fehlten Schutzkleidung und sogenannte Face Shields, die anders als Masken auch die Augen schützten. "Es ist ein Unding, dass dieses Material weiter beim Zoll festhängt", so der Landrat, der es als sehr ärgerlich bezeichnete, dass dort nicht schneller gearbeitet werde. Absolute Priorität mit der Belieferung von Schutzmaterial hätten Altenheime und Arztpraxen, aber es fehlten Hunderttausende Stück, denn normalerweise müssten die Schutzanzüge nach jedem Test gewechselt werden. "Wir befinden uns im Reaktionsmodus, das ist nicht befriedigend. Vom Idealzustand, präventiv zu arbeiten, sind wir sehr weit entfernt."

Corona-Krise: In diesem Alten- und Pflegeheim in Ismaning sind mehrere Bewohner und Mitarbeiter infiziert. Eine Bewohnerin starb.

In diesem Alten- und Pflegeheim in Ismaning sind mehrere Bewohner und Mitarbeiter infiziert. Eine Bewohnerin starb.

(Foto: Claus Schunk)

Um mögliche Ausfälle in der häuslichen Pflege von nicht infizierten Menschen zu kompensieren, ist der Landkreis laut Göbel gerade dabei, Verträge mit anderen Dienstleistern und vor allem mit Ehrenamtlichen abzuschließen, die Haushaltshilfe und einfache Pflegetätigkeiten übernehmen könnten. Der Landkreis habe die Tätigkeiten ausgeschrieben und nehme dafür Geld in die Hand. "Unser Ziel ist, dass die Menschen zu Hause bleiben können", so Göbel. Zudem werde begonnen, Hotels anzumieten, um gegebenenfalls Pflegebedürftige dort unterzubringen, wenn es für das Personal anders nicht zu schaffen sei. Diese Lösung sei aber nicht für schwere Pflegefälle geeignet.

Für Corona-Patienten hält der Landkreis in der Stadt München 5000 Betten vor. Sollten diese nicht reichen, gebe es zusätzlich 500 Betten auf Stadtgebiet sowie 160 im Klinikum Haar. 371 der vorgesehenen Betten gehören zur derzeit geschlossenen Helios-Klinik in Pasing. Weil sich dort viele Patienten und Mitarbeiter mit dem Coronavirus infiziert haben, hat das Krankenhaus am Donnerstag seinen Alltagsbetrieb aufgegeben. 14 Patienten und zwei Mitarbeiter seien dort bislang positiv auf Sars-CoV-2 getestet worden, heißt es. "Wir hoffen, dass die Klinik so schnell wie möglich wieder aufmacht". Mobile Krankenhäuser seien ebenfalls in Planung, "allerdings nicht in Zelten, wie in anderen Landkreisen", so Göbel.

735 Infizierte

Im Landkreis wurden seit Mittwoch 60 weitere Fälle einer Infektion mit dem Coronavirus bestätigt. Allein in Unterhaching kamen binnen eines Tages 25 dazu. Damit gibt es insgesamt 735 bestätigte Erkrankungsfälle (Stand: Donnerstagmittag). Die aktuelle Statistik für die Städte und Gemeinden weist folgende Zahlen aus: Aschheim 17, Aying 15, Baierbrunn 11, Brunnthal 11, Feldkirchen 7, Garching 45, Gräfelfing 29, Grasbrunn 8, Grünwald 48, Haar 34, Hohenbrunn 15, Höhenkirchen-Siegertsbrunn 19, Ismaning 63, Kirchheim 30, Neubiberg 31, Neuried 16, Oberhaching 40, Oberschleißheim 17, Ottobrunn 33, Planegg 17, Pullach 21, Putzbrunn 11, Sauerlach 13, Schäftlarn 15, Straßlach-Dingharting 4, Taufkirchen 24, Unterföhring 20, Unterhaching 76, Unterschleißheim 45. 175 dieser 735 Patienten gelten offiziell als genesen.sab

Unterdessen müht man sich in den betroffenen Senioreneinrichtungen, mit der angespannten Situation klarzukommen. Im evangelischen Alten- und Pflegeheim der Inneren Mission in Planegg sind aktuell sechs Bewohner positiv auf Covid-19 getestet worden. Seit Donnerstag werden alle Mitarbeiter und alle 140 Bewohner getestet. Fünf der mit dem Virus infizierten Bewohner zeigen Symptome, können aber derzeit im Heim versorgt werden, wie Dirk Spohd sagt. Er ist Geschäftsführer der "Hilfe im Alter", einem Tochterunternehmen der Inneren Mission, die Träger des Pflegeheims ist. Eine 97 Jahre alte infizierte Bewohnerin ist dort in der Nacht zum Donnerstag gestorben. Das Heim stehe in intensivem Austausch mit dem Gesundheitsamt, heißt es. Dies gilt auch für das Ismaninger Bürgerstift der Arbeiterwohlfahrt, wie dessen Leiter Tobias Gruber berichtet. Dort sind in der Vorwoche zwei Bewohner in Folge der Lungenkrankheit gestorben. Im Heim sind elf weitere Bewohner und zehn Mitarbeiter infiziert. Nachdem das Landratsamt am Donnerstagmittag den Tod einer Frau von knapp 80 Jahren meldete, müssten damit bereits insgesamt zehn Menschen im Landkreis an Covid-19 gestorben sein.

Derweil wird das Corona-Bürgertelefon rege genutzt. In der vergangenen Woche hat das Landratsamt knapp 1700 Anrufe bei der Hotline gezählt. Inhaltlich ging es neben der Frage nach Ansteckungsmöglichkeiten, Reisen in Risikogebiete und den Kriterien für einen Corona-Test auch um Unterstützung für geschlossene Betriebe. Die Hotline für Landkreisbürger ist täglich von 8 bis 18 Uhr unter der Nummer 089/6221-1234 erreichbar.

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