Arbeiten am Limit:"Die Menschen brauchen uns"

Arbeiten am Limit: Sibylle Christ von der St.-Emmeram-Apotheke in Kirchheim erlebt einen Ansturm besorgter älterer Bürger, die zur Risikogruppe gehören. Die Arbeit der Apotheker hat ihrer Meinung nach mehr Wertschätzung verdient.

Sibylle Christ von der St.-Emmeram-Apotheke in Kirchheim erlebt einen Ansturm besorgter älterer Bürger, die zur Risikogruppe gehören. Die Arbeit der Apotheker hat ihrer Meinung nach mehr Wertschätzung verdient.

(Foto: Privat)

Apothekerinnen wie Sibylle Christ aus Kirchheim arbeiten in der Corona-Krise fast pausenlos.

Interview von Sabine Wejsada

Sibylle Christ, 34, betreibt drei Apotheken in Kirchheim und Feldkirche. Seit Beginn der Corona-Krise arbeiten sie und ihr Personal am Limit. Die Apothekerin und ihre Kolleginnen und Kollegen haben mit Lieferengpässen bei Arzneien zu kämpfen, stellen selbst Desinfektionsmittel unter erschwerten Bedingungen her, beraten Patienten, telefonieren mit Arztpraxen und versuchen, die Sorgen vieler Menschen, die zu Risikogruppen gehören und zu ihnen kommen, aufzufangen. Von der Politik fühlen sich Christ und ihre Mitarbeiter nicht "wirklich geschätzt".

SZ: Frau Christ, wie geht es Ihnen an Tagen wie diesen?

Sibylle Christ: Noch gut. Wir arbeiten derzeit fast pausenlos, versuchen unser Bestes und kommen dabei immer wieder an unsere Grenzen.

Das heißt?

Viele Medikamente sind nicht lieferbar, das stellt uns und unsere Kunden vor große Probleme. Zu uns kommen viele, die zur Risikogruppe gehören und eine Dauermedikation erhalten. Diese haben in einer Situation wie dieser Angst, wir versuchen, sie zu beruhigen und ihnen zu helfen, indem wir Alternativen suchen und die Medikamente nach Hause liefern. Wir übergeben sie schon einmal am Fenster, damit die Menschen gar nicht aus dem Haus gehen müssen. Wir stellen auch fest, dass manche Kunden mit dem Hamstern anfangen, weil sie sich große Sorgen machen.

Wie schützen Sie sich vor Ansteckung?

Wir haben uns in Nachtschichten bis um halb vier in der Früh selber Schutzscheiben aus Plexiglas gebaut. Meine Mama ist dabei, für uns Mundschutzmasken zu nähen, weil es die ja nirgends mehr gibt. Meine Leute und ich haben Handschuhe an. Und wir stellen Desinfektionsmittel her, was aber auch nicht so einfach ist, weil der Alkohol ausgeht. Die Destillerien sind uns zum Glück etwas entgegengekommen, so dass wir im Moment ganz gut aufgestellt sind. Wir haben schon früh damit begonnen, nur noch wenige Menschen in die Apotheken zu lassen. Mehr als zwei oder drei dürfen die Geschäfte nicht mehr gleichzeitig betreten. Es wäre der Super-Gau, wenn sich einer von uns anstecken würde. Die Menschen brauchen uns ja vor Ort.

In der Vergangenheit haben Online-Apotheken vielen Apotheken am Ort die Kundschaft abspenstig gemacht. Stellen Sie fest, dass sich das wieder umkehrt?

Auf jeden Fall. Man darf allerdings nicht vergessen, dass 2018/19 an die 350 Apotheken unter anderem wegen der Konkurrenz aus dem Internet haben aufgeben müssen. Jetzt in der Krise setzen die Menschen auf uns. Wir sind am Ort, wir versuchen Lösungen zu finden, wenn ein Medikament nicht lieferbar ist, und schicken die Menschen mit ihrem Rezept nicht einfach wieder heim.

Haben Sie den Eindruck, dass die Politik Ihre Einsatzbereitschaft in der Corona-Krise honoriert, ähnlich wie andere Bereiche des Gesundheitswesens?

Leider nicht wirklich. Ich bin ein bisschen traurig, dass man unser Engagement eher übersieht. Vielleicht schreien wir doch ein bisschen zu leise. Mein Wunsch wäre, dass die Politik die Apotheken vor Ort stärken würde. Wir sind im Notdienst rund um die Uhr da, versuchen, den verunsicherten Menschen zu helfen. Für mich ist das ein wunderbarer Beruf.

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