Dieser Künstler kann einen ganz schön hinters Licht führen, das wird in dem Moment klar, als die Tür zur Galerie im Schlosspavillon zugeht. Der Junitag muss draußen bleiben, und doch strahlt dem Besucher der Ausstellung „Concrete Diffusion“ eine Fläche hellen Grüns entgegen. Man muss den Impuls unterdrücken, sich die Augen zu reiben beim Anblick dieser großformatigen Farbkomposition, die irgendwie aus sich selbst heraus zu leuchten scheint. Könnte eine Installation mit LED-Lampen sein, soll sich aber als die gute alte Malerei erweisen. Und der Künstler, der mit dem Pinsel so versiert Lichteffekte zu setzen versteht, das einem der Kopf schwirrt, heißt Daniel Schubert und kommt aus Düsseldorf.
Dass dieses Bild auf den Zentimeter genau in die Nische in der Wand mit der Lorbeerkranz-Tapete passt, ist für den 40-Jährigen „ein schöner Zufall“. Vielleicht fast so schön wie der Umstand, dass neben ihm nun der Zeichner Christian Pilz unter dem Kronleuchter steht. Schubert hat an der Kunstakademie Düsseldorf studiert, Pilz an der Universität der Künste Berlin. Momentan bewohnen die beiden als Stipendiaten das Ismaninger Wasserschlösschen, bis zum 28. Juli zeigen sie ihre sehenswerte Kunst in einer gemeinsamen Schau.
Ein Zeichner und ein Maler also – wo liegen da die Schnittstellen? „Was euch verbindet, ist das akribische Arbeiten“, sagt Rasmus Kleine. Er ist der Leiter des Kallmann-Museums und wählt als Mitglied der Jury auch die Künstler aus, die im Wasserschlösschen arbeiten dürfen. Diese Akribie findet bei Christian Pilz ihren Ausdruck in minutiösen Bleistift- oder Tuschezeichnungen, die sich auf dem Papier – meist gefertigt aus einer einzigen Linie – zu geometrischen Gebilden und netzartigen Konstrukten von enormer Präzision entfalten.
Wer die Arbeit des 1978 in Ascot geborenen Künstlers verstehen will, muss groß denken und gut sehen können: Im linken Flügel des Pavillons etwa erstrecken sich auf unerhört ästhetische Weise zahllose Quader über mehrere aneinandergereihte Blätter Papier, anfangs noch winzig klein werden sie immer größer, erfahren eine urknallartige Expansion. Das Wirken physikalischer Kräfte, sagt der Künstler, habe ihn schon als Kind beschäftigt. Mittlerweile umfasst die Serie 1024 Seiten, 16 davon präsentiert Pilz in Ismaning. Theoretisch lässt sich dieses Spiel mit den Dimensionen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag praktizieren. Mit Quadern, die jede Vorstellung von Größe sprengen.
Auch bei Schubert ist vieles nicht so, wie es auf den ersten Blick scheint. Der Düsseldorfer arbeitet altmeisterlich mit Eitempera und Pinsel, manchmal auch mit Acryl, doch immer wirken die zarten Farben, also wären sie in stoischer Gleichmäßigkeit über die Leinwand geflossen. „Es erscheint, irgendwie“, sagt Rasmus Kleine. „Natürlich auch in Abhängigkeit der Lichtverhältnisse“. Auf einem Werk schimmert ein rosa Ball auf dem hellen Grund, doch wenn man das Bild von der Seite betrachtet, ist er nicht mehr zu sehen. Als Betrachter kann man sich da schon ein bisschen ausgetrickst fühlen, denn offenbar ist man ja einer optischen Täuschung nach Art des Trompe-l’œil aufgesessen.
„Ich erweitere die klassische Malerei“, sagt Schubert. Ungegenständlicher geht es allerdings kaum: Der Düsseldorfer spielt mit Ebenen und diffusen Farbverläufen, alles an seiner Kunst ist weich und sinnlich, irgendwie nicht von dieser Welt. Oft trägt Schubert viele Schichten übereinander auf, manchmal bemalt er die Leinwand von hinten, dann wiederum erlaubt er dem Kreuz des Keilrahmens, seine Spuren im Werk zu hinterlassen – das Arbeitsgerät wird dann selbst zum gestalterischen Element.
Und so glücklich der Zufall auch ist, der die beiden Künstler zur selben Zeit nach Ismaning geführt hat, so besteht eine weitere Gemeinsamkeit doch gerade darin, dass sie besagtem Zufall nur ungern die Führung überlassen. Bei Schubert und Pilz passiert kaum etwas einfach so, jeder Pinselstrich scheint einen tieferen Sinn zu erfüllen, jede Linie folgt einem Plan. Das Handwerk selbst wird dabei mit so viel Präzision ausgeführt, dass man der Kunst am Ende das handwerkliche Können darin nicht mehr ansieht.
Das klingt ein wenig paradox, vor allem ist es sicher nicht der einfachste Weg zum fertigen Bild. Aber letztlich ist es diese profunde Auseinandersetzung mit Material und Materie, die den Profi vom Laien trennt. Wer eine Ahnung davon bekommen will, was einem Künstler beim Zeichnen oder Malen durch den Kopf geht, kann sich ja mal an dem Labyrinth versuchen, das Christian Pilz mit weißer Farbe auf den Rasen vor dem Schlossmuseum aufgemalt hat. Eine begehbare Zeichnung, so ähnlich wie jene Arbeiten, die der Künstler in der Ausstellung zeigt. Und ein wunderbarer Versuchsraum für alle, die Kunst gerne körperlich erfahren.
Die Ausstellung dauert bis 28. Juli. Ein Künstlergespräch gibt es am Sonntag, 21. Juli, von 15 Uhr an in der Galerie im Schlosspavillon, Ismaning.