Autokino Aschheim:Filme unterm Sternenhimmel

Lichtspiele vor Lichtmaschinen - Autokinos in Deutschland

Die Idee kam aus den USA, 1960 wurde in Gravenbruch das erste Autokino Deutschlands eröffnet.

(Foto: dpa)

Vor 50 Jahren wurde der Grundstein für das Autokino Aschheim gelegt - bis heute kann man dort ganz spezielle Kinoerlebnisse sammeln. Mit Hunden, Campingstühlen oder einem Traktor samt Anhänger.

Von Irmengard Gnau, Aschheim

Wer weiß, wenn es das Autokino nicht gegeben hätte, dann wäre Georg Haller senior vielleicht nie nach Berlin geflogen. Von Riem aus startete man damals, 1966, und landete auf dem Flughafen Berlin Tempelhof. Die Drei-Mann-Abordnung aus Aschheim bestand aus dem Ersten Bürgermeister Franz Ruthus, dem Zweiten Bürgermeister Josef Reger und ihm selbst, erinnert sich Haller heute. Ihr Auftrag: Sich mit eigenen Augen anschauen, ob das, was der Berliner Kurt Becker da in ihrer Gemeinde aufbauen wollte, nur eine wilde Idee war, oder ob es denn Hand und Fuß habe.

Ein Autokino plante der Unternehmer in Aschheim zu errichten. Mit dieser Idee war Becker beim damaligen Aschheimer Bürgermeister Franz Ruthus (CSU) vorstellig geworden. Ruthus wurde gleich hellhörig - Betriebe, die sich im Ort ansiedeln wollten und Gewerbesteuereinnahmen erwarten ließen, waren wichtig und in Aschheim zu dieser Zeit nicht gerade reich gesät. Ein geeigneter Standort war schnell gefunden: eine etwa sechs Hektar große Fläche an der Münchner Straße zwischen Aschheim und Dornach, die Haller gehörte.

Autokino Aschheim

Die Kasse, an der die Kinogäste ihren Eintritt zahlten.

(Foto: Florian Peljak)

Das Etablissement in München hatte keinen guten Ruf

Autokino Aschheim: Mit Kränen wird die Leinwand im Autokino aufgebaut.

Mit Kränen wird die Leinwand im Autokino aufgebaut.

(Foto: Claus Schunk)

Allerdings wollte man sich das Kino vor einer endgültigen Zusage erst einmal anschauen. Ein ähnliches Etablissement in München an der Dachauer Straße habe nämlich keinen guten Ruf gehabt, erinnert sich der Aschheimer Ortschronist Peter Stilling: Dort, hieß es, spielten nicht die Filmauswahl, sondern vielmehr leichte Damen die Hauptrolle. So etwas wollte Ruthus in Aschheim nicht, also brach die Gesandtschaft auf, um Beckers bestehendes Autokino in Berlin zu besichtigen. "Das war dann recht schön", erzählt Haller. "Also haben wir gesagt: Des mach' ma."

Autokino Aschheim, 2012

Noch heute gibt es an der Snackbar in Aschheim die Klassiker Popcorn und Pommes.

(Foto: Florian Peljak)

Gesagt, getan: Im Sommer 1967 wurde der Grundstein für das Autokino Aschheim gesetzt. Mit schwerem Gerät legte die Baufirma Stilling das Fundament für den Kinoparkplatz und errichtete schließlich die Leinwand - "Die größte Leinwand Europas war das damals", erzählt Peter Stilling. In der Euphorie wurde sogar kurzzeitig erwogen, zusätzlich ein Delfinarium zu bauen, doch davon nahm die Gemeinde schließlich doch Abstand.

Autokino Aschheim: Ortschronist Peter Stilling dokumentiert die Geschichte des Kinos und weiß noch viele Anekdoten rund um das Autokino in Aschheim aus seiner eigenen Jugend.

Ortschronist Peter Stilling dokumentiert die Geschichte des Kinos und weiß noch viele Anekdoten rund um das Autokino in Aschheim aus seiner eigenen Jugend.

(Foto: Claus Schunk)

Das Kino aber feierte am 22. Mai 1969 feierlich seine Eröffnung, mit Blaskapelle, Bier und einem Feuerwerk. Zur Premiere lief auf der großen Leinwand das "Pauker und Pennäler-Lustspiel" Klassenkeile mit Uschi Glas, Walter Giller und Willy Millowitsch. Die Begeisterung war groß. "Das war für Aschheim eine Sensation", sagt Stilling. Ganz großes Kino eben. Die Neuigkeit sprach sich schnell herum; aus der ganzen Region seien die jungen Leute nach Aschheim gefahren, erinnert sich Haller.

Die Faszination hält bis heute an. "Wir haben eine Leinwand, die ein Indoorkino nicht bieten kann", sagt Axel Wahmke, Geschäftsführer der DWJ GmbH aus Starnberg, die das Aschheimer Autokino seit 1986 betreibt. Wenn nach Einbruch der Dämmerung die ersten Szenen über die 540 Quadratmeter große Leinwand flimmern, lehnen sich Filmfreunde in ihrem Autositz zurück, legen die Füße hoch oder kuscheln sich an ihren Sitznachbarn - jeder, wie er mag und in seinem eigenen kleinen Privatraum, in dem nur die eigene Chipstüte raschelt.

Auch kleine Kinder oder Hunde können mit dabei sein. "Außerdem", sagt Wahmke, "gibt es bei uns Kino unter freiem Himmel." - Wer mag, kann seinen Campingstuhl mitbringen oder von der Motorhaube aus den Film verfolgen. Es kann auch mal ein Traktor einrollen, auf dessen Anhänger der Fahrer eine Biertischgarnitur für seine Spezln aufgebaut hat, erzählt Wahmke schmunzelnd: "Wir sind nicht nur auf Autos festgelegt."

Im Kofferaum hineingeschmuggelt

Seit die DJW GmbH um Gründer Walter Jann das Aschheimer Gelände vor gut 30 Jahren gepachtet hat, ist die Zahl der Autokinos in Deutschland deutlich zurückgegangen. 1933 ließ sich ein US-Amerikaner das Konzept patentieren, 1960 ging das erste Autokino Deutschlands in Gravenbruch bei Frankfurt am Main in Betrieb. Bis Anfang der Siebzigerjahre stieg die Zahl auf etwa 40. Die DWJ betrieb zu ihren Hochzeiten elf Autokinos, stets in Verbindung mit Automärkten. Heute sind es noch fünf. Insgesamt gibt es deutschlandweit noch etwa ein gutes Dutzend Autokinos, in Bayern nur noch ein einziges: das in Aschheim.

"Für uns Jugendliche war das Kino damals eine tolle Sache", schwärmt Stilling. Die Anekdoten aus den Anfangsjahren erzählen sich die Aschheimer heute noch gern. Wie sich Freunde gegenseitig im Kofferraum hineinschmuggelten, um den Eintrittspreis zu sparen. Oder wie die Autotür auch im Winter stets einen Spalt offen bleiben musste, weil Lautsprecher und Heizstrahler sonst nicht ins Wageninnere gepasst hätten (heute wird der Ton über die UKW-Frequenz des Autoradios übertragen). Besonders beeindruckte die Snackbar des Autokinos, wo es ganz nach US-Vorbild bis heute Pommes und Popcorn gibt.

Nicht zuletzt hatte das Autokino einen praktischen finanziellen Nutzen: Für Studenten war es die erste Chance auf einen Nebenjob, erinnert sich Stilling. Auch Bürgermeister Ruthus, so heißt es, wurde regelmäßig dort gesichtet. Allerdings nicht, weil der Rathauschef ein besonderer Cineast war. Er habe vor allem kontrollieren wollen, ob das Kino auch gut besucht sei und die Gewerbesteuern fließen.

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