Buslinien in Haar:Auf Irrwegen durch den Osten

Buslinien in Haar: Seit die Deutsche Bahn die Buslinien in Haar übernommen hat, ist es schwierig geworden, den richtigen Bus zu finden.

Seit die Deutsche Bahn die Buslinien in Haar übernommen hat, ist es schwierig geworden, den richtigen Bus zu finden.

(Foto: Claus Schunk)

Busse ohne Anzeige und Fahrer, die Haltestellen nicht finden oder Passagiere stehen lassen: Seit die Deutsche Bahn mit einer Tochtergesellschaft einige Linien im Landkreis betreibt, häufen sich die Beschwerden.

Von Bernhard Lohr, Haar

Wollte er sich einen Spaß machen oder die Dinge auf die Spitze treiben? Es ist letztlich unerheblich. Jedenfalls kam ein Fahrgast vergangenen Freitag auf die Idee, im 242er Bus, der den Hauptort Haar mit Ottendichl, Salmdorf und Gronsdorf verbindet, die Anarchie auszurufen. Er forderte nach Schilderung von Beteiligten die Schulkinder im Bus auf, ihre Schuhe auszuziehen und über die Sitze zu toben. Die ließen sich nicht lange bitten. Es muss rund gegangen sein. Kinder hingen angeblich in Gepäcknetzen und sprangen kreuz und quer. Der Fahrgast, der den Tobetag im Bus verkündet hatte, filmte alles und kündigte an, er werde es ins Internet stellen.

Das hat er bis dato nicht gemacht. Die Lust daran ist ihm wohl vergangen. Denn der Vorfall zieht Kreise. Wie das Haarer Rathaus schildert, griffen Eltern ein, als sie in Gronsdorf mitkriegten, was los ist. Sie versuchten, den Busfahrer zur Rede zu stellen. Doch der sprach angeblich kein Wort Deutsch. Er schien überfordert.

Für Haars Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) hat der Vorfall ein Fass zum Überlaufen gebracht. Sie machte diesen am Dienstagabend im Gemeinderat öffentlich. Und dabei wurde auch bekannt, dass das Rathaus seit mehr als einem Jahr massive Klagen über die Busfahrer in Haar erreichen - also seit die Deutsche-Bahn-Tochter DB Regio Bus Bayern (DRB) nach einer Ausschreibung des Landratsamts die Buslinien im Linienbündel Haar übernommen hat.

Kinder kommen verspätet in den Unterricht

Ortsunkundige Busfahrer finden demnach Schulen nicht, die sie ansteuern sollen, und lassen sich von Schülern ans Ziel lotsen. Sie fahren falsche Bushaltestellen an oder lassen an Haltestellen Fahrgäste einsteigen, um dann unvermittelt die Tür zu schließen und den Rest der Wartenden am Straßenrand stehen zu lassen. Kinder kommen verspätet zum Unterreicht. Konfusion bricht am Busbahnhof aus, weil Busfahrer die Liniennummern-Anzeige nicht aktualisieren. Dann kommt es nach Berichten vor, dass drei, vier Busse mit der Kennung "MVV-Betriebsfahrt" den Bahnhof anfahren. Der richtige Bus ist für Fahrgäste dann nur noch schwer zu finden.

Die Deutsche Bahn freilich relativiert auf Anfrage die Darstellungen und sieht die Schuld auch nicht nur bei sich. So erklärt ein Sprecher, dass bei knapp 90 000 Fahrten im Bereich Haar und Grasbrunn seit einem Jahr insgesamt etwa 50 Beschwerden beim Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) sowie bei der DRB eingegangen seien. Das seien vergleichsweise wenige. Zudem hätten sich alleine 20 Beschwerden auf die ersten Wochen bezogen und hätten mit klassischen Anfangsproblemen zu tun. Auch habe zu Schwierigkeiten geführt, dass zu wenige Busse zu Schuljahresbeginn bestellt gewesen seien, was nicht in der Verantwortung des Busbetreibers liege. Technische Probleme seien unverzüglich behoben, Fahrer nachgeschult worden. Das Ereignis in Gronsdorf, das nun die Gemüter bewegt, stellt der Bahn-Sprecher allerdings nicht in Abrede.

Die Deutsche Bahn findet, dass Eltern und Schule gefordert sind

Weil der Vorgang aus Müllers Sicht noch über die "üblichen Missstände hinaus" ging, hat sie sich an Landrat Christoph Göbel (CSU) mit der dringenden Bitte gewandt, Abhilfe zu schaffen. "Hier wird die Aufsichtspflicht verletzt", sagte Müller im Gemeinderat. Eltern sorgten sich um das Wohl ihrer Kinder. Der Landkreis müsse als Aufwandsträger dringend den Busbetreiber in die Pflicht nehmen. Das Unternehmen freilich nimmt seinen Busfahrer in Schutz. Dieser müsse den Bus steuern und den Fahrplan einhalten. Außer Ermahnungen habe er kaum Möglichkeiten, gegen undisziplinierte Schüler vorzugehen. Von einem Verweis aus den Bus möchte man "aus gutem Grund keinen Gebrauch machen", sagt der Bahn-Sprecher. Die DRB habe von den Problemen auf der Linie den MVV als Auftraggeber informiert. Ein MVV-Vertreter sei mitgefahren und habe sich selbst ein Bild auf der Buslinie 242 verschafft. Der Bahn-Sprecher ist der Meinung, Schulen und Eltern seien bei Disziplin-Problemen gefordert und nicht der Busfahrer. Die Fahrer würden übrigens mehrstufig geschult. Alle sprächen deutsch, wenn auch nicht immer perfekt.

Das Landratsamt hingegen sieht sehr wohl die DRB in der Pflicht. So teilt die Behörde mit, dass sie in der Vergangenheit die DRB schon "mehrmals auf die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen hingewiesen" habe. Fehlverhalten sei bereits sanktioniert worden. Vergangene Woche traf man sich mit MVV und DRB zu einem "intensiven Gespräch". Dabei habe man, wie das Landratsamt mitteilt, klar die Missstände und Unzufriedenheit angesprochen. Dem Unternehmen sei nun aktuell deutlich gemacht worden, dass bei "schwerwiegenden", belegbaren Verstößen gegen Vereinbarungen künftig "eine konsequente Anwendung von Vertragsstrafen erfolgen wird". Zu dem Vorgang von Gronsdorf habe man eine schriftliche Stellungnahme von der DRB angefordert. Diese liege noch nicht vor.

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