Museumsnetzwerk:Magentratzerl aus der Römerzeit

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Der wahrscheinlich größte Hingucker der Sonderausstellung in Grünwald ist ein bronzener Pferdekopf aus Augusta Vindelicum – respektive die naturgetreue Kopie des Originals. (Foto: Claus Schunk)

Statuetten, Venus-Torso, Steckkalender – mit der Sonderausstellung „Antike in Bayern“ in der Burg Grünwald wollen acht Museen aus allen Ecken des Freistaats Lust aufs Altertum machen. Wer will, kann dort auch noch in die Geschichte mittelalterlicher Burgen eintauchen.

Von Udo Watter, Grünwald

Der Blick des Götterknaben ist leicht nach unten gerichtet. Lockiges Haar, kleiner Mund, schön geschwungene Lippen, zarte Anmutung. Falls er wirklich Eros darstellt, könnte sich der Knabe gerade Gedanken machen über die sinnlichen Irrungen und Wirrungen, die sein Wirken bei den Menschen gewöhnlich zeitigt. Vielleicht stellt der Kopf dieser Statue – im Original Marmor, in der Sonderausstellung „Antike in Bayern“ hier auf der Grünwalder Burg ein originalgetreuer Abguss – aber auch nur den tagträumenden Sohn eines römischen Offiziers dar.

„Das Hinschauen lernen. Seinen Blick schulen.“ Julia Landgrebe, zuständig für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Archäologischen Staatssammlung, steht vor der Vitrine mit dem Knabenkopf und weiteren Köpfen sowie Bronze-Statuetten römischer oder etruskischer Herkunft und wirbt mit Verve für die kleine Ausstellung. „Es gibt viele Details zu entdecken“, sagt Landgrebe. Die Exponate, auf die sie gerade blickt, entstammen dem Bestand der Staatlichen Antikensammlungen und der Glyptothek. Letztere ist, 1830 eröffnet, das älteste Museum Münchens und bekannt als klassizistische Heimat einiger der wichtigsten griechischen und römischen Marmorbildwerke weltweit.

Seit einigen Jahren gehört die Glyptothek zum „Museumsnetzwerk Antike in Bayern“, zu dem sich insgesamt acht Museen respektive archäologische Parks zusammengeschlossen haben. Ein wesentliches Anliegen des von der Landesstelle für die nicht staatlichen Museen in Bayern und Bayern Tourismus geförderten Projektes ist es, die einzelnen Häuser von Augsburg bis Würzburg besser zu verzahnen. So will man einen Mehrwert für kulturinteressierte Besucher schaffen und ganz generell Lust auf Antike in Bayern machen.

Ein gelockter Knabe – möglicherweise Eros – blickt dezent nach unten, hinter ihm der Porträtkopf von Demosthenes, dem großen athenischen Redner. (Foto: Claus Schunk)

Die Netzwerk-Ausstellung, die jetzt bis 1. November im Ostflügels der Grünwalder Burg zu sehen ist, fungiert dabei eher als eine Art Teaser, ein inspirierender Appetitanreger oder wie der nicht antike Bayer eventuell sagen würde: ein kulturelles Magentratzerl, das neugierig machen soll.

Mit ausgewählten Exponaten, meist in Vitrinen, sowie Schautafeln werden die acht im Netzwerk versammelten Institutionen kurz und prägnant vorgestellt. In München gehört dazu neben der Glyptothek auch die Archäologische Staatssammlung am Englischen Garten, welche die Funktion des zentralen bayerischen Landesmuseums für Vor- und Frühgeschichte erfüllt und seit ihrer Wiedereröffnung 2024 nach langer Sanierung viel Aufmerksamkeit erfährt – zu ihr gehört als Zweigmuseum auch das Burgmuseum Grünwald.

Die weiteren Häuser und Parks sind über ganz Bayern verteilt: vom Römischen Museum in Augsburg über das Römermuseum in Weißenburg und den archäologischen Park Cambodunum (Kempten) bis hin zum Kelten-Römer-Museum Manching, dem Pompejanum Aschaffenburg und dem Martin-Wagner-Museum der Universität Würzburg. „Schön ist, dass man hier in einer Kleinteiligkeit die Vielfalt und Varianz der bayerischen Museen sieht, die sich mit der Antike befassen“, sagt Landgrebe.

Der wahrscheinlich größte Hingucker ist ein bronzener Pferdekopf aus Augsburg: ein lebensgroßer Hohlguss mit Resten von Vergoldung, gefunden 1769 in einem Nebenarm des Flusses Wertach. Nach neueren Forschungen war der Kopf aus dem ersten bis zweiten Jahrhundert möglicherweise Teil einer kaiserlichen Quadriga in der Nähe des Forums der rätischen Provinzhauptstadt Augusta Vindelicum (Augsburg).

„Wir zeigen hier Repliken, weil man nach dem Goldschatz-Diebstahl in Manching sehr vorsichtig geworden ist.“

Das ausgestellte Stück ist eine naturgetreue Kopie des Originals, das in Augsburg zu besichtigen ist. „Wir zeigen hier Repliken, weil man nach dem Goldschatz-Diebstahl in Manching sehr vorsichtig geworden ist“, sagt Landgrebe. Bei dem Einbruch Ende 2022 im Manchinger Kelten-Römer-Museum wurde der sogenannte Keltenschatz gestohlen und von den Dieben anschließend wohl teilweise eingeschmolzen.

Die Ausstellung dort ist natürlich trotzdem noch sehr sehenswert – die Keltenstadt von Manching war eine der größten eisenzeitlichen Siedlungen Mitteleuropas, später gründeten die Römer in der Nähe ein Militärkastell. Sehenswert, das dürfte ebenso für die anderen Häuser gelten, welche die Spuren antiker Kulturen in Bayern präsentieren, wobei die gezeigten Exponate nicht alle ausschließlich im Gebiet des heutigen Freistaats, sondern mitunter auch in anderen Teilen der damaligen römischen Welt gefunden wurden.

In der Grünwalder Ausstellung sind unter anderem noch ein römischer Steckkalender zu sehen, keltische Armringe, diverse Statuetten, „Regenbogenschüsselchen“ genannte keltische Münzen, aber auch römische Öllampen, Relief-Becher, eine genau datierbare bronzene römische Bürgerrechtsurkunde (30. Juni 107 n. Chr.) oder ein eindrucksvoll anmutiger Venus-Torso.

Großer Held in kleiner Form: Statuette des Herkules. (Foto: Claus Schunk)

Angesichts der Überschaubarkeit der Ausstellung wird man auch nicht überfordert, der Betrachter kann sich in der Tat Zeit lassen und den Blick schulen. Klar ist, dass heutzutage die Museen auch neue Wege gehen müssen, um im Kampf um Aufmerksamkeit und Publikum zu reüssieren. Elaborierte Podcasts und Augmented-Reality-Games sind dabei trendige Möglichkeiten, die gerade im Realisierungsprozess sind, wie Landgrebe erzählt. „Wir wollen auch junge Leute anlocken“, sagt sie.

Blick vom Grünwalder Burgturm ins Isartal. (Foto: Claus Schunk)

Das Burgmuseum Grünwald könnte nach ihrem Empfinden freilich ganz generell – ob Jung oder Alt – mehr Resonanz erfahren. In der dortigen Dauerausstellung im Westflügel wird die Geschichte der am Isarhochufer thronenden Burg selbst, aber auch der mittelalterlichen Burgen in Bayern insgesamt dokumentiert.

Das Burgmuseum in Grünwald ist täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr geöffnet.

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