Für mindestens 13 Jahre Dienst in der Bundeswehr haben sie sich verpflichtet. Man könnte also sagen, für studierende Offiziersanwärter geht es nach drei Jahren erst richtig los. Doch an der Universität der Bundeswehr München gibt es mit dem Abschluss des Bachelors und der Ernennung zum Leutnant für einige schon jetzt Grund zum Feiern. Nachdem im Juni bereits die jungen Soldaten aus dem Heer und der Marine befördert wurden, waren diesen Mittwoch auf dem Uni-Campus in Neubiberg auch die Anwärter der Luftwaffe an der Reihe. Dabei stand der Beförderungsappell vorwiegend im Zeichen des andauernden Krieges in der Ukraine.
Vor schneebedeckten Alpen am Horizont und unter weiß-blauem Himmel eröffnet Oberst Matthias Henkelmann an diesem spätsommerlichen Morgen das Gelöbnis. „Das ist kein Tag wie jeder andere“, betont er. Als Leiter des Studierendenbereichs an der Universität der Bundeswehr spricht er zu 73 seiner Schützlinge und wirkt dabei ziemlich stolz. Der Grund: Die Offiziersanwärterinnen und -anwärter vor ihm haben ihr drittes Ausbildungsjahr an der Universität abgeschlossen und haben damit nicht nur ihren Bachelor in der Tasche, sondern werden zusätzlich vom Oberfähnrich zum Leutnant befördert.
In Reih und Glied stehen sie auf dem Paradeplatz und erwarten ihre Ernennungsurkunde. Der Gebirgsmusikkorps aus Garmisch-Partenkirchen und die Truppenfahne komplettieren den Halbkreis vor dem Rednerpult und der kleinen, aber gut gefüllten Zuschauertribüne. Auch wenn Henkelmann zunächst noch von der „besonderen Bedeutung“ spricht, die den zukünftigen Offizieren zuteilwird, rückt das eigentliche Gelöbnis an diesem Morgen eher in den Hintergrund. „Die Zeitenwende muss überall ankommen“, fordert Henkelmann und stellt in Richtung der Studierenden klar: „Sie alle stehen mit uns für die Kriegstüchtigkeit, die Verteidigungsminister Pistorius gefordert hat.“
Für viele in Deutschland mag der Kriegszustand auf europäischem Boden schon zur traurigen Normalität geworden sein. Dass die von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufene Zeitenwende aber zumindest bei der Bundeswehr zu einem tatsächlichen Umdenken geführt hat, das wird an diesem Morgen nicht nur in der Rede von Matthias Henkelmann deutlich. Auch Universitätspräsidentin Eva-Maria Kern bezeichnet die aktuelle Zeit als „herausfordernd“ und hält die Freiheit und Demokratie in Deutschland für „keine Selbstverständlichkeit mehr“. Den Studierenden ruft sie deshalb zu: „Unsere Gesellschaft braucht Menschen wie Sie.“ Kern geht es dabei nicht nur um die militärische Funktion der jungen Soldaten. Sie erhoffe sich von ihnen auch einen Beitrag dazu, „die Bundeswehr in die Mitte der Gesellschaft zu bringen“.
Einer der von ihr angesprochenen Offiziersanwärter ist Matthias S., dessen ganzer Name nicht in der Zeitung stehen soll. Dem 24-Jährigen fällt nach eigenen Worten auf, dass sich der Umgang mit Bundeswehrsoldaten seit Beginn des Ukrainekriegs bereits verändert habe. Als er vor drei Jahren seinen Dienst antrat, sei die Bundeswehr in Teilen seines Bekanntenkreises noch als Beschäftigungsprogramm für Arbeitslose verschrien gewesen. Auch als „Kindermörder“ sei er beschimpft worden. „Mit solchen Aussagen bin ich heute nicht mehr konfrontiert. Die Menschen zeigen inzwischen sogar eher Interesse an der Bundeswehr“, erzählt er.
Keiner der Kommilitonen habe seit Beginn des Ukrainekriegs die Ausbildung abgebrochen
Der frisch ernannte Leutnant sieht seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine eine „reelle Gefahr“. Seine Berufswahl bereue er deshalb aber nicht. Am Morgen des Kriegsbeginns in der Ukraine sei an der Universität Thema gewesen, ob Studierende ihren Ausbildungsvertrag widerrufen. „Das hat kein Einziger von uns gemacht“, erinnert sich S. Er findet gut, dass die Politik seitdem gewillter sei, die Bundeswehr zu unterstützen.
Einer, dem diese Unterstützung nicht weit genug gehen kann, ist Florian Hahn. Auch der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion richtet an diesem Morgen ein paar Worte an die Studierenden. Er sieht die angehenden Offiziere „in einer Verantwortung, die größer kaum sein könnte“. Hahn nutzt die Gelegenheit aber vor allem auch, um politische Forderungen unterzubringen. Gesellschaftspolitisch müsse wieder „über unbequeme Entscheidungen im Interesse der Sicherheit nachgedacht werden“. Er meint damit natürlich die Wehrpflicht und verweist in diesem Zusammenhang auf Israel, wo nach dem Hamas-Angriff am 7. Oktober innerhalb kürzester Zeit etwa 300 000 Reservisten aktiviert werden konnten. Davon sei Deutschland weit entfernt.
Im Mittelpunkt des Appells stehen die Studierenden dann vor allem wieder am Ende der Veranstaltung. Hahn, Kern und Henkelmann überreichen einer Abordnung von vier Offiziersanwärtern die Ernennungsurkunden. Der Gebirgsmusikkorps stimmt die Nationalhymne an. Die letzten Töne sind gerade verklungen, als mit ohrenbetäubendem Geheul ein Eurofighter den Paradeplatz überfliegt – für die Gäste eine beeindruckende Show, für die Offiziersanwärter der Luftwaffe schon bald Berufsalltag.
In einer früheren Fassung hieß es, die Universitätsleitung habe Studierenden bei Ausbruch des Ukraine-Kriegs angeboten, ihren Ausbildungsvertrag zu kündigen. Tatsächlich können Offiziersanwärter ihr Arbeitsverhältnis in den ersten sechs Monaten widerrufen.