Bundestagswahl im Landkreis München:Punktgenau geklebt

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Werner Stockhausen klebt seinen Toni Hofreiter auf eine Plakatwand. (Foto: Privat)

In vielen Kommunen dürfen die Parteien erst seit Sonntag ihre Plakate aufhängen. Weil gleichzeitig die Briefwahlunterlagen verschickt werden und immer mehr Menschen ihre Stimme per Post abgeben, haben die meisten es damit sehr eilig.

Von Anna Lea Jakobs und Bernhard Lohr, Landkreis

Jetzt sind sie überall zu sehen: die Kandidaten für den Bundestag und die Anwärter aufs Kanzleramt in Berlin. Viele Partei-Anhänger haben am Sonntag im Landkreis München punktgenau sechs Wochen vor der Bundestagswahl zu Pinsel und Kleistertopf gegriffen und an Straßen und Plätzen Wahlplakate angebracht. Die Plakatierungsordnungen in vielen Kommunen geben diese Frist vor. Dabei hätte mancher gerne früher losgelegt. Denn auch die Wahlentscheidung fällt immer früher. Mehr Bürger denn je wollen im Zuge der Corona-Pandemie die Briefwahl nutzen. Die Sorge der Wahlkämpfer ist, dass das Kreuzchen gemacht ist, bevor der Wahlkampf auf der Straße begonnen hat.

Viele Parteistrategen haben längst erkannt, dass es nicht mehr ausreicht, auf den Wahltag als den Tag der Entscheidung zu starren. Denn sobald die Briefwahlunterlagen vorliegen, kann jeder Wahlberechtigte sein demokratisches Recht nutzen und seine Stimme abgeben. Jeder Tag ist in den letzten Wochen vor dem 26. September sozusagen Wahltag, und jeden Tag gilt es, die Menschen zu überzeugen. Sechs Wochen vor der Bundestagswahl, wenn also in vielen Gemeinden der Startschuss fürs Plakatieren fällt, kann theoretisch zumindest schon der Wahlschein im Briefkasten liegen. Denn der 15. August war auch der Stichtag, an dem alle Wählerverzeichnisse in der Republik fertig sein mussten, die die Voraussetzung für den Versand der Wahlbenachrichtigung sind. Die heiße Phase der Wahl beginnt.

Thomas Mayer sorgt dafür, dass Florian Hahn sichtbar wird. (Foto: Privat)

Manfred Riederle hat schon vor einiger Zeit beschäftigt, dass der Wahlkampf sich nicht nur durch das Aufkommen des Internets verändert hat. Auch beim Plakatieren müsste sich etwas ändern, fand der FDP-Kreisrat und Stadtrat in Unterschleißheim. Er regte an, die Plakatierungsverordnung zu novellieren und den Parteien schon früher zu erlauben, ihre Wahlwerbung zu kleben. Er hätte lieber schon Anfang August seine gelb-magenta-farbenen FDP-Plakate gehängt. Acht Wochen statt sechs Wochen Plakatierungsfrist - so lautete sein Dringlichkeitsantrag im Stadtrat. "Es ist verfassungsrechtlich geboten", sagte Riederle, "dass man allen Parteien die Möglichkeit gibt, Werbung zu machen." Schon von 20. August an, wenn Kommunen früh die Unterlagen verschicken, könnten die ersten Wahlentscheidungen fallen. Die Plakate blieben dann ohne Wirkung, sagte Riederle. Doch er drang damit nicht durch. Den anderen Parteien im Stadtrat war das alles Ende Juli zu kurzfristig - in einer Angelegenheit, die nicht nur in Unterschleißheim sowieso umstritten ist. Viele halten gerade die Plakate am Straßenrand, an Bäumen und Lichtmasten für störend. Die Grünen haben in Unterschleißheim deshalb beschlossen, nur die von der Stadt zugewiesenen Plakatwände zu nutzen.

Das Team der SPD in Unterhaching hat Korbinian Rüger und Olaf Scholz im Gepäck. (Foto: Privat)

Dass das aber nichts mit fehlender Kampfbereitschaft oder gar mit Bequemlichkeit zu tun hat, hat zum frühestmöglichen Zeitpunkt Werner Stockhausen in Unterschleißheim bewiesen. Auch er klebte am Sonntag schon fleißig seinen Direktkandidaten Toni Hofreiter an den zugewiesenen Plätze auf die Plakatwand. "Er klebt, was das Zeug hält", kommentieren die Parteifreunde auf Facebook. Das sei bisserl übertrieben, findet freilich Stockhausen selbst. Er mache halt den Job. Hinter dem Verzicht auf lose Plakatständer und lästige Plakate an Bäumen stehe er. Wahlkampf heiße keineswegs, alles zuzupflastern. Leider sei man mit einem Stadtratsantrag gescheitert, auf lose Plakate zu verzichten. Wenigstens die Zahl der Plakate könnte man doch begrenzen.

In Brunnthal war die CSU am Sonntag mit den Plakaten mit dem Konterfei von Florian Hahn ebenfalls startklar. Vorstandsmitglied Thomas Mayer zog mit einem Team los. Pünktlich, aber nicht zu früh: "Wir haben wirklich aufgepasst", sagt Mayer. Die Plakatierungsordnung werde sehr ernst genommen. Ärger mit dem politischen Gegner wäre sonst programmiert. Die SPD in Unterhaching hat dennoch in den vergangenen Wochen schon ihren Direktkandidaten Korbinian Rüger an diversen Plakatständern präsentiert. Denn abgesehen von der Sechs-Wochen-Frist, die auch in Unterhaching gilt, hat die SPD die Möglichkeit genutzt, etwa politische Online-Veranstaltungen mit Rüger zu bewerben. Das sei möglich gewesen, sagt SPD-Vorsitzende Sabine Schmierl. Man habe das im Rathaus angemeldet und die Termine dann so bekannt gemacht.

Der SPD hilft aktuell die Popularität ihres Spitzenkandidaten Olaf Scholz dabei, auch die Parteimitglieder zu motivieren, sich die Kärrnerarbeit des Plakatierens anzutun. Schmierl sagt, die Hoffnung auf ein gutes Ergebnis im September tue allen in der Partei gut. Man habe in Unterhaching ein Plakatierungsteam aufgestellt, das sich die Arbeit einteile. Mit 20 Plakaten sei man gerade draußen. Die bereis platzierten Plakatständer - wie etwa ganz prominent am Rathausplatz - habe man am Sonntag gleich nutzen können, um die Kampagnen-Plakate mit Scholz und Direktkandidat Rüger zu kleben.

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© SZ vom 17.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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