Süddeutsche Zeitung

Bundestagswahl im Landkreis:Linke auf dem Weg zur Kleinstpartei

Warum die Linke bei dieser Wahl auf so wenige Stimmen kommen wie Tierschützer und Corona-Leugner.

Von Bernhard Lohr, Landkreis München

Das Schicksal der Erdmännchen im Tierpark Hellabrunn hat am Wochenende zeitweise die Bundestagswahl in den Nachrichten verdrängt. Auf der Homepage der SZ interessierte der tragische Tod der vier Tiere zwischendurch mehr Leser als die Wahl-Analysen über die Kanzler-Ambitionen von Olaf Scholz und Armin Laschet. An den Erdmännchen zeigt sich einmal mehr: Tiere und Tierschutz sind ein emotional kaum zu toppendes Thema; und es ist längst auch Thema in der Politik.

Die Tierschutzpartei, die sich unter anderem gegen Massentierhaltung einsetzt, hat denn auch bei dieser Wahl ein für ihre Verhältnisse starkes Ergebnis hingelegt. 2055 Bürger gaben ihr im Landkreis die Zweitstimme. Der Direktkandidat der Tierschutzpartei, Manfred Kellberger, lag mit 1,3 Prozent der Erststimmen sogar vor Yannick Rouault von der ÖDP, der auf 1,1 Prozent kam. Und das, obwohl Umweltthemen, für die die ÖDP steht, ja auch ziehen.

Yannick Rouault hat über Monate berufliche und private Interessen für den Wahlkampf hintangestellt und einen eigenen Wahl-Podcast produziert. Der Ottobrunner erklärt sich den geringen Effekt damit, dass viele, die nicht gerade Sonderinteressen verfolgten, dieses Mal taktisch gewählt hätten: also mit Regierungskonstellationen im Hinterkopf. Die Grünen und die SPD hätten davon profitiert.

Um die relative Bedeutung kleiner Parteien einzuschätzen, richtet man den Blick am besten auf die absolute Zahl der Wähler. In Prozentpunkten liegen sie bei den Zweitstimmen oft im kaum wahrnehmbaren Bereich. Zum Beispiel gaben 2799 Wähler im Landkreis der erst vor gut einem Jahr gegründeten Partei "Die Basis" ihre Stimme, die vielen Kritikern der Coronamaßnahmen eine Heimat gibt; zum Vergleich: 1331 Zweitstimmen waren es für die mittlerweile arrivierte ÖDP. Zählt man die Stimmen für die Tierschützer und die Protestpartei Basis zusammen, haben beide Parteien im Landkreis München sogar einen größeren Rückhalt als die Linken, die in der Wählergunst ziemlich abgestürzt sind. 4854 Menschen fühlten sich entweder vom Tierwohl oder den Corona-Protesten angesprochen. Die Linke, die seit Jahrzehnten für soziale Gerechtigkeit eintritt, sammelte nur 4449 Zweitstimmen ein. Dabei hätte es etwa mit der Wohnungsnot im Landkreis durchaus ein Thema gegeben, mit dem die Partei punkten könnte.

Doch die Linke ist an diesem Sonntag in einigen Kommunen in die Nähe der Kleinstparteien abgerutscht. In einigen Kommunen wie Baierbrunn, Aying, Grünwald und Straßlach-Dingharting liegt sie nur knapp über einem Prozent. Dabei half auch nicht, dass die Linken für ihre Kampagne in der Kreisrätin Katinka Burz eine eigene Direktkandidatin hatten. Auch die Tierschutzpartei und "Die Basis" hatten in Manfred Kellberger und Stefan Rode eigene lokale Bewerber. Auf Podiumsdiskussionen waren alle drei freilich nicht zu erleben. Wahlkampfaktivitäten hielten sich coronabedingt in Grenzen.

Gleiches gilt für Stefanie Ruck (Bayernpartei) und Bernhard Senft (Die Partei), deren Parteien mit 0,4 und 0,6 Prozent der Zweitstimmen erwartungsgemäß schwache Resultate im Landkreis einfuhren. Die Kandidaten blieben blass, ihnen und ihren Parteien fehlten offensichtlich die Themen, die Wähler binden.

Aber was lief bei der Linken schief? Da ist zum einen der negative Bundestrend. Katinka Burz räumt ein, dass die Linke im wohlhabenden Landkreis wenig verwurzelt ist. Zudem habe der Wahlkampf darunter gelitten, dass sie, anders als vor vier Jahren, als Kandidatin wegen ihres schlechten Listenplatzes keine Option auf ein Bundestagsmandat gehabt habe. Eva-Maria Schreiber war 2017 für die Linke aus dem Wahlkreis in den Bundestag eingezogen. Dieses Mal kandidierte sie in Regensburg und verpasste wegen des schlechten Ergebnisses den Wiedereinzug.

Noch rangiert die AfD im Landkreis nicht unter den Kleinparteien. Doch sie rutschte von 9,4 auf 5,3 Prozent der Zweitstimmen ab. In Pullach kam sie auf 3,2 Prozent, in Straßlach-Dingharting und Oberhaching auf 3,9 Prozent. Aber auch in den städtischeren Kommunen verloren die Rechten. Gerade in Städten und Gemeinden mit vielen Gutsituierten finden Parteien vom linken und rechten Rand wenige Anhänger. Wie die Direktorin der Politischen Akademie Tutzing, Ursula Münch, der SZ sagte, verfangen die Angebote der Linken und der AfD bei einer privilegierten und gebildeten Bevölkerung weniger. Laut Gerold Otten, dem AfD-Kandidaten, hat seiner Partei das zündende Thema gefehlt. Er zieht aber über die Landesliste wieder in den Bundestag ein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5424402
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 29.09.2021/lb
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.