Bundestagswahl:Für die Regenbogenfahne sind alle

Bundestagswahl: Daumen hoch, Daumen runter: Florian Hahn, Yannick Rouault, Korbinian Rüger, Gerhard Kißlinger, Saskia Weishaupt und Axel Schmidt (von links) sind bei der Diskussion nicht immer einer Meinung.

Daumen hoch, Daumen runter: Florian Hahn, Yannick Rouault, Korbinian Rüger, Gerhard Kißlinger, Saskia Weishaupt und Axel Schmidt (von links) sind bei der Diskussion nicht immer einer Meinung.

(Foto: Claus Schunk)

Fünf Bundestagskandidaten und Hofreiters Stellvertreterin stellen sich in Kirchheim den Fragen der Jugend und zeigen große inhaltliche Unterschiede auf.

Von Bernhard Lohr

Daumen rauf - oder Daumen runter: Der Florian, der Gerhard, die Saskia und die anderen sitzen anfangs da wie sechs Freunde, die mit Pappschild in der Hand an einer lustigen Quizshow teilnehmen. Sie heben die Schilder und teilen ohne Worte knapp mit, was sie im Kampf gegen Wohnungsnot von einem Mietpreisdeckel halten. Florian Hahn (CSU), Axel Schmidt (FDP), Gerhard Kißlinger (Freie Wähler) und Yannick Rouault (ÖDP) senken ihre Daumen. Korbinian Rüger (SPD) und Saskia Weishaupt (Grüne) finden den Deckel klasse. Der Kreisjugendring München-Land spricht mit seiner Podiumsdiskussion zur Bundestagswahl am Freitag in Kirchheim gezielt die Jugend an. Alle duzen sich und irgendwann geht es auch um die Legalisierung von Cannabis.

Doch die sechs Vertreter vorne an dem Tisch, die in den Bundestag einziehen wollen, kommen schnell auch zum Klimawandel, zu Bildung und Nachhaltigkeit. Christian Wilhelm und Jutta Malenke, beide Vorstandsmitglieder im KJR München-Land, präsentierten als Moderatoren der Veranstaltung, die wegen technischer Probleme kurzfristig vom Jugendtreff in Kirchheim in Räume einer örtlichen Firma verlegt worden ist, die drängenden Fragen der Jugendlichen. Es wird online per Abstimmung priorisiert. Per Zoom sind mehrere hundert Schüler dabei. Ganze Klassen der Gymnasien in Kirchheim, Pullach, Neubiberg und Ismaning erleben die Debatte, die kumpelhaft beginnt und auch Kontroversen bietet.

Getrieben durch die Flutkatastrophe im Westen der Republik, bei der Menschen sterben, wollen viele von den Kandidaten wissen, wie sie "in wenigen Jahren" den Klimawandel in den Griff bekommen wollen. Saskia Weishaupt, die als Sprecherin der Grünen-Jugend Bayern Direktkandidat Anton Hofreiter vertritt, sagt: "Wir haben keine Zeit mehr." Sie hebt die Dringlichkeit des Handelns hervor. "Es geht darum, unsere Lebensgrundlagen zu sichern." Etwa über den CO₂-Preis könne viel erreicht werden. Yannick Rouault (ÖDP) kritisiert die Fixierung auf eine "Wachstumspolitik" und fordert den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs mit Bustangenten im Landkreis.

Axel Schmidt (FDP) hebt die Bedeutung von "Innovation" hervor, fordert aber auch ganzheitlich auf die Kosten von Produkten für die Umwelt zu schauen. Der Bundestagsabgeordnete Florian Hahn (CSU), der seinen Wahlkreis zum dritten Mal verteidigen will, nennt den Klimawandel die "größte Herausforderung". Es sei ein "epochales" Thema. Veränderung sei notwendig. Doch: "Wichtig ist, dass wir die Menschen auch mitnehmen." Hahn verteidigt später - wie Axel Schmidt - die 10-H-Regel für Windräder und spricht sich gegen eine Politik aus, die Wirtschaftswachstum zum Problem erklärt. Vielmehr müsse man "Ökonomie und Ökologie miteinander verschmelzen".

Da geht Axel Schmidt (FDP) mit. Korbinian Rüger (SPD) hinterfragt lieber die CSU-Politik der Vergangenheit und fordert beim Bau von Windrädern eine "Priorisierung auf Klimaschutz", weil sonst der Aufbau erneuerbarer Energie niemals funktioniere. Gerhard Kißlinger (FW) beklagt, dass erst das Verfassungsgericht die Bundespolitik bei ihren Klimazielen dazu gebracht habe, an die nächste Generation zu denken. Damit erst sei "drive reingekommen". Dies sei "nicht ganz gerecht", sagt Hahn. Der Bund habe vieles richtig gemacht, beim Ausstieg aus Kohle und Atom. "Nur bei der Geschwindigkeit" bessere man jetzt nach.

Die Jugendlichen, von denen sich viele im Unterricht gezielt auf die Debatte vorbereitet haben, wollen wissen, was die Kandidaten für den Bundestag gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder tun würden. Hahn verweist darauf, dass auf Anregung der CSU jetzt härtere Strafen drohten. Es herrscht weitgehende Einigkeit, dass Polizei, Jugendämter und Schulen gut ausgestattet werden müssten, um Probleme in Familien früh zu entdecken.

Inklusion und Gleichberechtigung

Die Debatte geht auch ein Stück weiter: Wie kann eine progressive Gesellschaft, in der Inklusion und Gleichberechtigung umgesetzt sind, erreicht werden? Alle sechs Kandidaten heben ihren Daumen bei der Frage, ob sie die Fröttmaninger Arena zum Zeichen einer alle Gender umfassenden Politik in Regenbogenfarben hätten erleuchten lassen. Doch weiter setzen sie unterschiedliche Schwerpunkte. Florian Hahn fordert gleiche Bezahlung für Frauen und Männer im Beruf. "Das muss kommen." Rüger will einen tief greifenden Kulturwandel durch Aufklärung sowie eine "Quotenregelung". Axel Schmidt möchte wie in den USA Genderregeln, etwa im Berufsleben, härter umgesetzt sehen. Saskia Weishaupt sagt, sexualisierte Gewalt sei für viele Frauen Alltag, und verweist im übrigen auf die "sehr männerlastige Runde". Hahn freilich kontert einmal mehr: Eigentlich müsste für die Grünen mit Anton Hofreiter ein weiterer Mann an Weishaupts Stelle sitzen.

Statt Hahns schärfsten Konkurrenten ums Direktmandat hebt Weishaupt zustimmend ihr Daumen-hoch-Schild, als es um ein verbindliches Tempolimit geht, um Legalisierung von Cannabis und auch darum, wer auf dem Podium "Produkte für Menstruation" kostenlos machen würde. Manche Idee ist Hahn zu fordernd, wie etwa ein schneller Verzicht auf jegliches Einwegplastik. Das sei nicht machbar, sagt er, und ruft die anderen auf dem Podium auf, aufrichtig zu sein. Schmidt lehnt das auch ab, die anderen halten den Daumen quer - unentschieden. "Kein Auto, kein Fleisch, kein Einfamilienhaus" - so einfach funktioniere der Kampf gegen den Klimawandel nicht, sagt Hahn.

Saskia Weishaupt wehrt sich auch gegen Vereinfachungen. Nein, sagt sie, sie sei keine Veganerin. Es gehe nicht um eine Verteufelung des Autos, sondern um gute Ideen, von A nach B zu kommen. Es gehe um "gutes Leben". Korbinian Rüger sagt, mehr "Wohlstand" könne heißen, mit dem Rad zu fahren statt mit dem Auto im Stau zu stehen.

Eine Debatte entbrennt zur Bildung. Die ist vor allem Ländersache. Aber Rüger fordert, dass der Bund mehr Geld in die Schulen stecken darf. Rouault kritisiert das dreigliedrige Schulsystem als zu früh selektierend. Hahn verteidigt das Bildungssystem in Bayern, wo gefördert und gefordert werde. So würden eben Bildungschancen geschaffen. 18 Wege führten zum Abitur. Allerdings müsse man Menschen mit Migrationshintergrund besser fördern.

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