Bundesweites Vorbild:Höchste Wahlbeteiligung

Bundesweites Vorbild: Baierbrunn kommt sogar auf eine Wahlbeteiligung von über 90 Prozent.

Baierbrunn kommt sogar auf eine Wahlbeteiligung von über 90 Prozent.

(Foto: Claus Schunk)

Im Landkreis München geben mit 84,8 Prozent so viele Wahlberechtigte ihre Stimme ab wie nirgendwo sonst in der Republik. Das hat mit der besonderen Wählerschaft zu tun.

Von Sabine Bader und Udo Watter

Die Bürger in den Wahlkreisen München-Land und Starnberg wollen mitreden und sie wollen auch mitentscheiden. 84,8 Prozent der Wahlberechtigten haben bei der Bundestagswahl von ihrem Stimmrecht gebraucht gemacht. Damit liegt der Wahlkreis München-Land im bundesweiten Vergleich an erster Stelle - vor Köln II mit 84,5 Prozent und Starnberg, Landsberg, Germering mit 84,3. Vor vier Jahren machten 83,9 Prozent der Wahlberechtigten ihr Kreuzchen.

"Ja, auf seine Wahlbeteiligung kann der Wahlkreis tatsächlich stolz sein", findet auch die Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, Ursula Münch. Für die Politikwissenschaftsprofessorin zeigt dies das große Interesse, aber auch das verantwortungsvolle Verhalten der Bürger. "Offenbar wurde die allseits verbreitete und richtige Botschaft verstanden, dass Wählen eine zumutbare Form der Partizipation ist", sagt sie. Und erfreulich findet sie es auch, dass insgesamt "die breite politische Mitte gestärkt worden ist und die extremen Ränder nicht auf Anklang stoßen". Für Münch ist klar, dass sich hinter dem Andrang an den Urnen die Erkenntnis aus der Wahlforschung verbirgt, dass "bildungsmäßig und materiell besser gestellten Schichten" eher zur Wahl gehen als sozial Schwächere. Das gelte auch für die Beteiligung an der Politik überhaupt. "Von diesen ressourcenstarken Bürgerinnen und Bürgern gibt es im Wahlkreis überdurchschnittlich viele."

Das überdurchschnittliche Plus der Grünen um fünf Punkte in Starnberg führt Münch auf das besonders hohe Interesse an grünen Themen zurück; in München-Land legten die Grünen sogar sechs Prozent auf 18,5 Prozent zu. Hinzu kommt nach ihrem Dafürhalten, dass die Grünen aus den gleichen Gründen profitieren, die auch die Wahlbeteiligung steigen lassen. "Sie sind nach wie vor keine Volkspartei, sondern kommen vor allem bei formal höher Gebildeten und besser Verdienenden an", meint die Politologin.

Und von dieser Gruppe gebe es im Wahlkreis eben mehr. Angetan von der außergewöhnlich hohen Wahlbeteiligung in den Wahlkreisen München-Land und Starnberg ist auch der Direktor des Centrums für angewandte Politikforschung der Ludwig-Maximilians-Universität in München, Werner Weidenfeld. "Das ist ein positives Zeichen", findet er. "Offenbar ist den Leuten die Alternative deutlich geworden. Man wendet sich nicht ab, sondern will die Zukunft liebens- und lebenswürdig halten." Mit einen Grund dafür sieht Weidenfeld in der wachsenden Zukunftsangst. Sobald der Wahlkampf Hinweise auf Problemlösungen in dieser Hinsicht biete, gingen die Leute auch zur Wahl und wollten so dazu beitragen, dass ihre Zukunftsangst geringer werde.

Und bezogen auf die Altersstruktur im Raum München sagt der Professor: "Gerade ältere Menschen sind besonders besorgt, weil sie ein Gespür dafür haben, was alles verloren gehen kann." Der Wahlkreis sei in "vielen Komponenten in einem besonders guten Zustand, somit hätten die Leute hier auch besonders viel zu verlieren". Unter besonders "gutem Zustand" versteht Weidenfeld nicht nur die schöne Landschaft, sondern auch die ökonomischen Verhältnisse. "Und das will man nicht verlieren." Weidenfeld lebt selbst in Neuried, im westlichen Teil des Landkreises München. In Berg am Starnberger See lebt der Politologe, Publizist und SPD-Stratege Johano Strasser. Er freut sich über das gute Abschneiden seiner Partei bei der Bundestagswahl. Aber es bereitet ihm auch Sorge, dass die Sozialdemokraten mit den Grünen und der FDP gleich zwei Koalitionspartner benötigen. "Und die FDP wird ihre Schlüsselrolle gnadenlos ausnutzen", davon ist er überzeugt.

Im Isartal, wo mit Baierbrunn die Gemeinde zu finden ist, die sich erneut durch die höchste Wahlbeteiligung im Landkreis auszeichnet, tut sich die SPD traditionell schwer. Grüne und FDP sind hier stark, obgleich Florian Hahn (CSU) bei den Erststimmen gegen den Trend im Vergleich zu 2017 zulegen konnte. Die kleine Kommune mit rund 3400 Einwohnern darf als vorbildlich im Sinne demokratischer Partizipation gelten und wartet seit Jahren damit auf, dass ihre Bürger in hoher Frequenz zum Wählen gehen. Nach 89,91 Prozent bei der vergangenen Bundestagswahl waren es diesmal sogar 90,8 Prozent. "Ein tolles Ergebnis, womit das schon wahnsinnig gute Ergebnis von 2017 noch übertroffen wurde", schwärmt Bürgermeister Patrick Ott (ÜWG). Auch für Baierbrunn gilt: Die Bürger sind eher wohlhabend und akademisch gebildet sowie politisch interessiert. In der Gemeinde leben relativ viele junge Familien, die ein starkes ökologisches Bewusstsein pflegen. Das Vereinsleben ist rege, und ein spürbarer Gemeinschaftssinn befeuert offenbar zusätzlich, die demokratische Grundtugend des Wählens auszuüben.

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