Claudio Cumani ist mitgenommen, das hört man ihm an. Seit 16 Jahren engagiert sich der Diplom-Physiker und Software-Ingenieur im Garchinger Integrationsbeirat, seit 2016 als Vorsitzender des Gremiums. Das Ergebnis der Bundestagswahl vom vergangenen Sonntag, vor allem das starke Abschneiden der AfD, hält der gebürtige Italiener für sehr bedenklich. Doch Cumani und seine Mitstreiter wollen das Feld nicht Leuten überlassen, die Angst schürten.
„Wir setzen uns weiter für eine Zukunft ein, in der es Hoffnung gibt und Antworten auf die wahren Probleme von uns allen“, schreibt der Integrationsbeirat in einer Pressemitteilung am Dienstag. Es klingt entschlossen, fast ein wenig trotzig. Der Hintergrund ist ernst. Cumani beobachtet nach eigenen Worten mit Sorge, was der teils aggressiv geführte Wahlkampf und das Wahlergebnis bei Mitmenschen mit Wurzeln in anderen Ländern auslösen. „Ich erlebe viele Ängste“, berichtet Cumani. „Einige spielen mit dem Gedanken, Deutschland zu verlassen, obwohl sie hier zum Teil schon in der dritten Generation leben. Und Hochqualifizierte überlegen sich inzwischen: Ist es für mich sicher, nach Deutschland zu kommen?“, berichtet der Vorsitzende des Beirats aus Gesprächen.
Selbst in der Hochschulstadt Garching mit ihren zahlreichen international orientierten Forschungsinstituten, dem großen Campus der Technischen Universität München (TU) und einem prosperierenden Gewerbegebiet, wo seit Jahrzehnten viele Menschen aus unterschiedlichen Geburtsländern arbeiten und leben, hat die AfD mehr als elf Prozent Zustimmung erreicht.
Im Wahlkampf sei die Migration als Kern aller Probleme dargestellt worden, das habe viele Menschen mit ausländischen Wurzeln sehr verletzt, sagt Cumani. Er sieht das Grundproblem woanders. „Das Leben der Menschen ist schwieriger geworden und wir Migranten müssen jetzt als Sündenböcke herhalten“, sagt er. „Aber Migration ist nicht die Ursache für unsere Probleme beim Thema Wohnen oder Arbeit, beim Klimawandel oder der Energiekrise.“ Im Gegenteil, betont der Integrationsbeirat in seinem Schreiben: „Wir Migrantinnen und Migranten können ein wesentlicher Teil der Lösungen sein.“ Cumani verweist etwa auf die zahlreichen Pflegekräfte ohne deutschen Pass in Krankenhäusern und Seniorenheimen.
„Wir sind eine Bereicherung für die Gesellschaft, keine Bedrohung“
„Wir sind ganz normale Menschen. Und wir wollen zeigen: Wir sind eine Bereicherung für diese Gesellschaft, keine Bedrohung“, sagt Cumani. Von der neuen Bundesregierung wünscht er sich, dass sie die tatsächlichen Probleme des Landes tatkräftig angeht. Und dass Politikerinnen und Politiker verbal abrüsten.
Um zu begreifen, was AfD-Wähler in Garching zu ihrer Stimmentscheidung bewegt hat, wollen die Mitglieder des Beirats das Gespräch suchen, um Ängste zu verstehen. In den kommenden Wochen und Monaten hat der Integrationsbeirat, der dieses Jahr sein 20-jähriges Bestehen feiert, einige Aktionen geplant, unter anderem zum internationalen Tag gegen Rassismus im März, außerdem ein Fest der Vielfalt im Mai. „Wir versuchen mit unseren Aktionen, die Leute zusammenzubringen“, sagt Cumani.