Süddeutsche Zeitung

Bundestagswahl im Landkreis München:Wahlkampf auf Twitter, Facebook und Zoom

Volle Bierzelte gibt es in diesem Jahr ebenso wenig wie engen Kontakt an der Haustür. Die Kandidaten setzen wegen der Corona-Pandemie auf Online-Formate.

Von Daniela Bode, Landkreis

Volksfeste, bei denen Wahlkampfreden geschwungen werden, daran ist in diesem Bundestagswahlkampf wegen der Corona-Pandemie nicht zu denken. Je nachdem, ob eine Wahlkampf -Veranstaltung als Versammlung gilt oder von überwiegend kultureller Natur ist, dürfen unterschiedlich viele Personen teilnehmen. Stets ist auf einen Abstand von eineinhalb Metern zu anderen zu achten. In den meisten Situationen ist eine Maske zu tragen. All die Regeln und Auflagen beeinflussen auch im Landkreis München den Bundestagswahlkampf.

Werden die Direktkandidaten im Landkreis nach ihrem Wahlkampf gefragt, wird deutlich: Sie stellen sich der Herausforderung und suchen sich andere Wege als sonst, um mit den Wählern in Kontakt zu kommen. Sie setzen viel auf digitale Angebote und kleinere, ausgefallenere Präsenzveranstaltungen. Auch Fingerspitzengefühl ist zum Teil gefragt.

"Der Bundestagswahlkampf hat sich natürlich grundlegend geändert im Vergleich zu 2017", sagt der CSU-Direktkandidat und Bundestagsabgeordnete Florian Hahn. Wie es scheint, hadert er damit aber nicht, sondern verweist auf die Erfahrung, die man mittlerweile habe. Nach etwa 18 Monaten sei man erprobt darin, einen großen Teil der Formate virtuell und jetzt auch wieder hybrid abzuhalten. Auch Volker Leib, Kreisvorsitzender der Grünen im Landkreis München und im Wahlkampfteam des Direktkandidaten und Bundestagsabgeordneten Anton Hofreiter, sieht den Unterschied zu früheren Wahlkämpfen: "Wir haben vor den Sommerferien immer Veranstaltungen und grüne Feste gehabt. Das kann dieses Jahr nicht in diesem Umfang stattfinden", sagt er. Der "direkte Kontakt und die schöne Stimmung fehlen schon", findet er. Auch Ramona Greiner, Wahlkampfleiterin des SPD-Direktkandidaten Korbinian Rüger sieht das Ausbleiben großer Veranstaltungen, von Volksfesten, "wo man auf einen Schlag mit ganz vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt kommt", als größten Unterschied. Das "Klatsch-Icon im Videokonferenz-Tool" sieht sie dabei keineswegs als gleichwertigen Ersatz für einen "donnernden Applaus nach einer politischen Rede im Festzelt".

Florian Hahn nutzt intensiv Twitter und Facebook

Um die Wähler dennoch zu erreichen, setzen die Parteien im Landkreis daher viel auf digitale Angebote sowie die sozialen Medien - und fahren offensichtlich ganz passabel damit. Hahn kommentiert beispielsweise häufig aktuelle politische Entwicklungen auf Twitter und äußert sich viel auf Facebook und Instagram. Die sozialen Medien machten dieses Mal einen deutlich höheren Teil bei der Kommunikation mit den Wählern aus, "eben weil sich auch die Menschen hier verstärkt aufhalten", sagt er. "Online, online, online" heißt es laut Leib auch bei den Grünen. Sie bieten auf ihrer Homepage sowie auf den Kanälen Facebook und Instagram Informationen rund um Hofreiter und die grünen Kernthemen Klimaschutz, Mobilitätswende und sozialen Zusammenhalt. Wie es aussieht, erreichen sie mit den digitalen Angeboten auch einige Menschen.

Leib spricht von einem "gelungenen Online-Wahlkampfauftakt", als im Juli bei einer Online-Veranstaltung mit Anton Hofreiter etwa 200 Gäste teilnahmen. Auch Greiner berichtet von "überraschend guten" Besucherzahlen bei Online-Formaten sowie der Teilnahme Älterer genauso wie Jüngerer. "Man braucht eben keinen Babysitter, An- und Heimreise entfallen und es entstehen keine Kosten", sagt die Wahlkampfleiterin.

Dennoch sind sich alle Kandidaten und Wahlkampfteams einig: Der "direkte und persönliche Kontakt" ist "durch nichts zu ersetzen", wie es Hahn sagt. Daher setzen sie alle auch auf kleinere Präsenzveranstaltungen, bevorzugt im Freien. Hahn will bei Themen-Spaziergängen - Ende August etwa steht ein Waldspaziergang für die ganze Familie an - und Radtouren mit den Menschen ins Gespräch kommen. Solche Formate haben auch die Grünen geplant. Den SPD-Kandidaten Rüger werden die Wähler in den kommenden Wochen in vielen Landkreisgemeinden im Biergarten treffen können. Die SPD setzt auch auf ausgefallene Themen, so diskutierte Rüger bei einer Online-Veranstaltung vor Kurzem mit einem Fußball-Experten und Podcaster über die Ethik im Fußball.

Die Kandidaten verzichten auch auf klassische Wahlkampf-Aktionen wie Haustürbesuche nicht, nur halten sie mehr Abstand als sonst. "Aus den klassischen Tür-zu-Tür-Gesprächen wurden mitunter Zaungespräche auf offener Straße", sagt Rügers Wahlkampfleiterin Greiner. So signalisierten sie, dass Abstand gehalten werde und "wir Rücksicht auf das Sicherheitsbedürfnis der Menschen nehmen". Auch die Grünen wollen verstärkt Haustürwahlkampf machen und bei den Menschen klingeln. Außerdem werden sie ihr Magazin zur Wahl, "Grüne Zeiten", in die Briefkästen werfen. An Infoständen der Parteien werden sich die Wähler über die jeweiligen Programme informieren können. Statt wie sonst mit Übergabe des Infomaterials "zum Selbst-Mitnehmen und zum Anklicken eines QR-Codes über das eigene Smartphone und damit komplett kontaktlos", beschreibt beispielsweise CSU-Abgeordneter Hahn das diesjährige Procedere.

Feingefühl ist gefragt

Weil sich die Corona-Pandemie mit ihren Lockdowns auch auf das gesellschaftliche Miteinander ausgewirkt hat, ist im Wahlkampf viel Feingefühl der Parteien gefragt. "Es gibt Mitbürgerinnen und Mitbürger, die ob der Pandemie nach wie vor noch sehr vorsichtig sind und meines Erachtens auch zu Recht besonders Wert auf die Einhaltung der geltenden Regeln legen", sagt Hahn. Deshalb sei es ihm persönlich wichtig, hier "sehr sensibel vorzugehen, Wahlkampf mit Augenmaß zu führen und die aktuellen Bestimmungen zu beachten". Auch Greiner spricht von "Fingerspitzengefühl" bei den Haustürbesuchen. Dass die Menschen weniger zugänglich sind, beobachtet sie nicht. "Wir haben sogar den Eindruck, dass einige Menschen froh sind, nach mehreren Lockdowns und den vielen Einschränkungen mal wieder von Angesicht zu Angesicht über Politik zu sprechen", sagt die Wahlkampfleiterin. Die Grünen indes "können noch nicht sagen", ob die Menschen weniger zugänglich sind. Im direkten Gespräch seien die persönlichen Pandemie-Erlebnisse natürlich ein Thema, man sei aber nach der Flutkatastrophe und den Waldbränden auch schnell beim Thema Klimaschutz und dabei, was jetzt von der Politik, besonders von den Grünen, erwartet werde, sagt Leib.

Dass der Wahlkampf insgesamt etwas leiser und kleiner abläuft, den Eindruck bestätigt auch Franz Kohout, Politikprofessor im Ruhestand von der Universität der Bundeswehr in Neubiberg. Er, der selbst Mitglied der Grünen ist, spricht von abgezählten Personen bei den Veranstaltungen und vom Haustürwahlkampf, bei dem Informationsmaterial mit dem Tablett überreicht wird. Letzteres findet er nicht schlecht, um den Menschen zu zeigen, man sei bemüht, die Regeln einzuhalten.

"Es ist nicht alles schlecht, aber die Reichweite ist nicht so stark wie früher", ist er überzeugt. Auch fehlt aus seiner Sicht "die emotionale Stimmung, die zum Wahlkampf immer gehört". Ob sich die Lockdowns und eine Spaltung der Gesellschaft bemerkbar machen, etwa in der Hinsicht dass Menschen sich von der Politik abwenden, werde sich seiner Ansicht nach bei der Wahlbeteiligung zeigen.

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SZ vom 16.08.2021/belo
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