Bundestagswahl im Landkreis München:Otten vor weiteren vier Jahren im Bundestag

Bundestagswahl im Landkreis München: Gerold Otten tritt erneut für die AfD im Wahlkreis München-Land zur Bundestagswahl an.

Gerold Otten tritt erneut für die AfD im Wahlkreis München-Land zur Bundestagswahl an.

(Foto: Claus Schunk)

Der AfD-Politiker hat gute Chancen auf den Wiedereinzug. Einer Strömung in der Partei will er sich nicht zuordnen, pflegt aber Kontakte zum rechten, offiziell aufgelösten Flügel.

Von Martin Mühlfenzl, Putzbrunn

Von seiner Haustüre aus hat Gerold Otten einen Blick ins weite Land und die Wälder. Es ist ruhig im Putzbrunner Ortsteil Solalinden, und man hat Zeit zum Nachdenken. Er habe schon eine Weile gegrübelt, ob er noch einmal antreten soll, sagt der AfD-Bundestagsabgeordnete am Küchentisch bei sich zuhause. "Es war eine Überlegung", sagt Otten. "Ich bin im Dezember 65 geworden." Aber er sei dann auch aus der eigenen Partei gefragt worden, und seine Frau Christina Specht, die für die AfD im Kreistag sitzt, habe auch kein Veto eingelegt. Nun bewirbt sich Otten erneut als Direktkandidat - und ist mit Platz neun auf der Landesliste abgesichert.

Vor vier Jahren hatte Otten seinen ersten Auftritt in der Politik. Am Abend des 24. September, dem Tag der Bundestagswahl, steht er gemeinsam mit seiner Frau im vierten Stock des Landratsamtes am Mariahilfplatz. Es ist Wahlparty - zumindest für den AfD-Mann. Denn während CSU und SPD zum wiederholten Male bei einer Wahl abstürzen, steht schnell fest, dass Otten in den Bundestag einziehen wird. Doch schon die Szenerie gibt ihm an diesem Abend einen Eindruck davon, was noch kommen wird: Otten und seine Frau stehen abseits, kaum einer sucht den Kontakt, es tut sich eine spürbare Kluft zwischen dem Neuen und den anderen auf. Ein Graben, der bis heute besteht - auch im Bundestag. "Wir werden weiter von den anderen Fraktionen blockiert. Ich habe das ja selbst erlebt", sagt Otten mit Verweis auf seine Kandidatur als Vizepräsident des Bundestags, bei der er wie alle AfD-Kandidaten bisher durchgefallen ist.

Der Vater war mehr als 20 Jahre lang SPD-Bürgermeister

Otten, 1955 im niedersächsischen Lübberstedt geboren, entstammt nach eigener Aussage einem sozialdemokratischen Haushalt, der Vater war mehr als 20 Jahre lang SPD-Bürgermeister. Er selbst hat bei der Bundesbahn eine technische Lehre absolviert, "mit 16 stand ich dort an der Werkbank", erzählt er, später folgte ein Studium der Elektrotechnik. Sein großer Traum aber sei schon immer das Fliegen gewesen, sagt der 65-Jährige. "Ich wollte schon früh, mit 13, 14 Militär werden und fliegen." Otten erfüllt sich diesen Traum und wird Berufsoffizier, nahezu 20 Jahre lang fliegt er den Tornado. "Es war eine super Zeit, mit Anfang 20 ins Cockpit und mit Anfang 40 aufhören, Das waren die besten Jahre meines Lebens", blickt er zurück. "Dinge, die beim Militär zählen, wie Kameradschaft, Pünktlichkeit, Pflichtgefühl, Verantwortung zu übernehmen als Vorgesetzter - das hat mich geprägt und ist auch reizvoll." Im Anschluss an seine militärische Laufbahn war Otten etwa 20 Jahre in der Luft- und Raumfahrtindustrie tätig, unter anderem bei Airbus.

In die Alternative für Deutschland tritt Otten 2013 ein, 2016 wird er Kreisvorsitzender. Es sind die Jahre, in denen innerhalb der Partei immer wieder Machtkämpfe aufflackern und Tendenzen der Radikalisierung zunehmen. Otten selbst will sich bis heute keiner Strömung zuordnen, er fühle sich der ganzen Partei verpflichtet, sagt er, und pflege gute Kontakte in alle Bereiche - auch in den sogenannten Flügel hinein, der offiziell aufgelösten Gruppierung um den thüringer Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke, in dem sich vor allem völkisch-nationale und rechtsextreme Kräfte versammelt hatten. Ja, er teile auch Positionen des Flügels, sagt Otten. Der existiere zwar nicht mehr, "die Personen sind natürlich aber noch da." An Höckes Seite zeigte sich Otten im Jahr 2018 beim von der AfD initiierten "Trauermarsch" in Chemnitz nach dem tödlichen Messerangriff auf den 35-jährigen Daniel H. Er pflege auch ein sehr vertrauensvolles Verhältnis zur AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner, die ebenfalls dem völkisch-nationalistischen Flügel angehört.

Nach der Wahl 2017 sei er in Berlin schnell angekommen - auch gezwungenermaßen. Die Regierungsbildung zog sich damals quälend lange hin; es wurde der sogenannte Hauptausschuss eingerichtet, da die anderen Fachausschüsse des Bundestags noch nicht gebildet waren. Otten gehörte dem Gremium an. "Es war ein Kaltstart." Bei der Einarbeitung habe ihm auch sein beruflicher Hintergrund geholfen, er war etwa ein Jahr lang im Auswärtigen Amt beschäftigt. Die Parlamentsblase Berlin empfindet Otten als "Tretmühle", der Betreib sei stressiger als in der Industrie, die Präsenz wichtig. Dies wurde ihm unlängst nach dem Fall Kabuls wieder deutlich. "Es waren andauernd Unterrichtungen durch Kramp-Karrenbauer und Maas. Man muss ständig erreichbar sein und auf aktuelle Entwicklungen reagieren", sagt er.

Mit Blick auf die Rettungsaktionen in Kabul sagt Otten, Deutschland habe die Verantwortung den Ortskräften, den lokalen Beschäftigten der Bundeswehr, zu helfen, diese Kapazitäten habe die Republik: "Diese Menschen sind an Leib und Leben bedroht." Das Thema Migration aber werde in den kommenden Wochen von der AfD klar zum Thema gemacht, sagt Otten, denn es sei zu befürchten, dass die Geschehnisse in Afghanistan eine weitere Flüchtlingswelle nach sich ziehen werde. "Wir werden klar deutlich machen, dass sich 2015 sicher nicht wiederholen darf."

Und das große Thema Klimaschutz: Otten sagt, es gebe natürlich den Klimawandel, nur ob dieser menschengemacht sei, da habe er seine Zweifel. Wenn der CO₂-Ausstoß das große Übel sei, dann müsse dieser auch mit deutschem Geld in den Ländern bekämpft werden, in denen er hauptsächlich erzeugt wird - in Indien und China etwa. "Klimawandel ist immer global, nicht lokal", sagt der AfD-Politiker. Wohl aber die Corona-Krise. Otten wünscht sich Freiheiten zurück; die vulnerabelsten Gruppen, also Ältere mit Vorerkrankungen, seien geimpft. Es gebe keine Rechtfertigung mehr für Grundrechtseinschränkungen. Eine Impfpflicht durch die Hintertür lehnt er ab, wie er sagt. Und wie hält er es mit den sogenannten Querdenkern? "Querdenker ist schon so eine Art Kampfbegriff geworden, so als ob das alles Umstürzler wären. Aber man muss sich viel mehr mit denen auseinandersetzen."

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