Bundestagswahl:Dieses Mal ist alles anders

Bundestagswahl: Der amtierende CSU-Bundestagsabgeordnete Florian Hahn aus Putzbrunn kann sich seiner Wiederwahl erstmals nicht sicher sein.

Der amtierende CSU-Bundestagsabgeordnete Florian Hahn aus Putzbrunn kann sich seiner Wiederwahl erstmals nicht sicher sein.

(Foto: Claus Schunk)

Vier Monate vor der Entscheidung über den neuen Bundestag muss Florian Hahn um sein Direktmandat bangen. Doch auch wenn der CSU-Mann es noch einmal schafft - der Landkreis wird an Einfluss in Berlin verlieren

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis München

Florian Hahn wird doppelt kämpfen müssen. Für den seit 2009 dreimal direkt gewählten Bundestagsabgeordneten der CSU steht - was einst undenkbar war - in diesem Jahr nicht weniger als seine politische Karriere auf dem Spiel. Seit 1953 ist der Wahlkreis München-Land bei Bundestagswahlen fest in der Hand der Christsozialen, stets hat hier der CSU-Kandidat verlässlich das direkte Ticket in den Bundestag gewonnen. Doch dies könnte sich am 26. September ändern.

Seit einigen Wochen färben die Meinungsforschungsinstitute Insa, Wahlkreisprognose und Election.de den Landkreis München auf ihren Deutschlandfahnen zart grün ein. "Too-close-to-call für Grüne" heißt es auf der Homepage von Wahlkreisprognose, Election.de räumt dem Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter aus Unterhaching, eine Siegchance von 53 Prozent ein - Florian Hahn liegt bei 47 Prozent - und Insa sieht den Grünen immerhin mit bis zu drei Prozent vor dem CSU-Platzhirschen. Alleine dass ein Erfolg der Grünen im Landkreis gut vier Monate vor der Bundestagswahl überhaupt in Erwägung gezogen wird, ist eine Sensation. Andererseits schlagen die drei Institute auch alle vier Münchner Wahlkreise der Umweltpartei zu. Angesichts der engen Verflechtungen zwischen Stadt und Landkreis überraschen die Vorhersagen daher nur auf den ersten Blick.

Das Duell gegen den Grünen Hofreiter ist aber nur der zweite Kampf, den Hahn ausfechten muss. Der erste Kampf wartet auf den Putzbrunner am 26. Juni; dann wird die CSU voraussichtlich im Nürnberger Max-Morlock-Stadion ihre Landesliste für die Wahl im Herbst aufstellen. Und nur wenn zwei Faktoren zusammenkommen, könnte Hahn bei einem eventuellen Verlust des Direktmandats doch noch der Sprung nach Berlin gelingen: bei einem sehr guten Listenplatz und einem herausragenden Abschneiden der CSU am 26. September. Wahrscheinlicher ist derzeit aber, dass mindestens einer der beiden Faktoren nicht eintreten wird. Die CSU schwächelt in Umfragen massiv, zuletzt kam sie bei der Sonntagsfrage für die Bundestagswahl nur auf etwas mehr als 30 Prozent. Tritt ein, was Demoskopen prophezeien, holt die CSU zwar 40 der 46 bayerischen Wahlkreise und schickt ebenso viele Abgeordnete nach Berlin - über die Landesliste aber würde kein Kandidat ins Parlament einziehen.

Ob dem CSU-Politiker die große Zahl der Direktkandidaten im Wahlkreis München-Land zusätzlich schadet oder eher nützt, weil sie seinen Hauptkonkurrenten mehr Stimmen kostet, ist offen. Neben Hahn und Hofreiter bewerben sich jedenfalls Korbinian Rüger (SPD), Axel Schmidt (FDP), Gerold Otten (AfD), Katinka Burz (Die Linke), Gerhard Kisslinger (Freie Wähler) sowie Yannick Rouault (ÖDP). Nur im Jahr 2013 war das Kandidaten-Feld noch größer: Damals schickten auch die Piraten einen eigenen Bewerber ins Rennen. Dennoch holte Hahn mit 52,5 Prozent der Erststimmen das Direktmandat. 2017 kam Hahn nur noch auf 43,5 Prozent.

Die Zeiten aber ändern sich und mit ihnen auch das Verhalten der Wähler. Die Grünen im Landkreis profitieren vom allgemeinen Hype um die Ökopartei, bei der Landtagswahl 2018 wurden sie mit mehr als 20 Prozent der Zweitstimmen klar zweitstärkste Kraft. Auch bei der Kreistagswahl im vergangenen Jahr konnten sie ihr Ergebnis um mehr als zehn Prozentpunkte auf 26,1 Prozent nach oben schrauben. Dagegen können weder die SPD noch die FDP, die 2017 noch in dem inzwischen verstorbenen Putzbrunner Jimmy Schulz einen eigenen Mann in den Bundestag schickte, dieses Mal mit einem Sitz rechnen. Alles ist heuer anders.

Im Gegensatz zu CSU-Mann Hahn ist Anton Hofreiter nicht vom Gewinn des Direktmandats abhängig. Der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, der in Unterhaching zuhause ist, ist mit Listenplatz zwei hinter Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth abgesichert. Ebenso der AfD-Bundestagsabgeordnete Gerold Otten, der auf Listenplatz neun den Wiedereinzug ins Parlament schaffen wird, wenn die Rechtspartei annähernd so abschneidet wie vor vier Jahren; damals war sie in Bayern auf 12,4 Prozent gekommen. Gut möglich aber, dass der Landkreis München in der kommenden Legislatur trotzdem mit deutlich weniger Abgeordneten im Deutschen Bundestag vertreten sein wird. Mit Bela Bach von der SPD und Eva Schreiber von der Linken sind es aktuell fünf. Bach allerdings kandidiert nach parteiinternen Querelen nicht mehr, ihr Nachfolger als Direktkandidat, Korbinian Rüger, steht nicht auf der SPD-Landesliste, und Schreiber tritt für die Linken in Regensburg an. Axel Schmidt (FDP) und Katinka Burz (Die Linke) sind wiederum auf den Listen ihrer Partei zu schlecht platziert, und der Einzug von ÖDP oder Freien Wählern in den Bundestag käme einer Sensation gleich. Ob mit Hahn oder ohne Hahn - der Landkreis wird in Berlin an Einfluss verlieren.

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