Bundestagswahl:Der andere Schulz

Ottobrunn, Wolf-Ferrari-Haus, Biergarten, Jimmy Schulz

Die Veranstaltungen der FDP seien so gut besucht wie nie, sagt Jimmy Schulz. Nun ja, im Biergarten in Ottobrunn bleibt der FDP-Bundestagskandidat mit dem Journalisten und der Fotografin unter sich.

(Foto: Angelika Bardehle)

Jimmy Schulz ist 2013 mit der FDP aus dem Bundestag geflogen. Nun hofft er auf eine Rückkehr. Aus dem Wahldesaster von damals hat der Hohenbrunner gelernt

Von Martin Mühlfenzl

Wahlkampf kann sehr einsam sein. Denn der potenzielle Wähler ist ein verwöhnter. Wenn also, wie an diesem Nachmittag im Biergarten in Ottobrunn, graue Wolken am Himmel hängen und ein Schauer nach dem anderen von selbigem fällt, wird der geplante Stammtisch unter den Kastanien eher zu einem sehr einsamen Sit-in.

Jimmy Schulz, 48, hat - ganz analog - zum Treffen mit Wählern, Sympathisanten und Interessierten nach Ottobrunn geladen. Nun könnten bösen Zungen behaupten, dass mangelndes Interesse am Direktkandidaten der FDP zur Bundestagswahl im Wahlkreis München-Land wenig mit dem Wetter zu tun hat, sondern eher an der wenig erfreulichen, jüngeren Vergangenheit der Partei seit dem Absturz bei der Bundestagswahl vor vier Jahren liegt. Da aber widerspricht der Hohenbrunner vehement. "Unsere Veranstaltungen im Wahlkampf sind so gut besucht wie nie. Unsere Leute ziehen unglaublich mit. Da ist schon große Zuversicht vorhanden", sagt Schulz.

Die Katastrophe der Partei - er hatte sie mitzuverantworten

Schulz, leger im Anzug mit offenem Hemd, nimmt einen Schluck Helles, zieht kurz an der Zigarette - ein kleines Laster, das er noch nicht aufgegeben hat - und schließt dann die Augen. Er wirkt nachdenklich bei einer Frage, die er selbst "absolut berechtigt" nennt. Warum sollen die Wähler einen wie ihn, der die Katastrophe der FDP im Jahr 2013 als Bundestagsabgeordneter ja mitzuverantworten hatte, wieder nach Berlin schicken?

"Ich glaube nicht, dass es gut ist, einen Neuanfang zu starten, indem man alles absägt", sagt Schulz. "Ja, ich sage, wir haben das 2013 versemmelt. Sollten wir wieder in den Bundestag einziehen, wird es Menschen mit parlamentarischer Erfahrung geben müssen. Und meine Partei hat mir signalisiert, dass ich zu diesen Personen gehören soll." Auf Platz vier der Landesliste ist der Hohenbrunner einer von nur zwei ehemaligen FDP-Abgeordneten aus Bayern, die sich berechtigte Hoffnungen auf den Wiedereinzug machen dürfen. "So gesehen, war der Schnitt in unserem Landesverband schon eher radikal", sagt Schulz.

Wer Jimmy Schulz so kurz vor der Wahl zuhört, erkennt eine Tugend, die sie in der Testosteron gesteuerten Westerwelle-FDP immer haben vermissen lassen: Demut. "Wir haben uns wieder zusammengerauft. Auch weil wir etwas wieder gut zu machen haben", sagt Schulz. Für ihn selbst sei der "Totalrausschmiss" 2013 kein Karriereknick gewesen. "Ich bin oft gefragt worden, wie es weiter gehen soll. Ob ich nicht wieder kandidieren will", sagt er. "Ich habe dann immer geantwortet, ja ich will wieder in den Bundestag, aber ich muss nicht." Schmerzhaft sei viel mehr gewesen, dass am Untergang der FDP so viele Karrieren und Biografien hingen: "Wir haben ja 500 Leute entlassen müssen. Das war ein riesiger Einschnitt, den wir aber als Partei sozial hinbekommen haben."

Mit einer Internetfirma hat er sehr schnell sehr viel Geld verdient

Jimmy Schulz ist auf die Politik nicht angewiesen. In Ottobrunn aufgewachsen, hat er sehr schnell seine Leidenschaft für die digitale Welt entdeckt, sehr schnell seine eigene Firma gegründet und sehr schnell auch sehr viel Geld verdient. Cyber-Solutions mit Sitz in Hohenbrunn wird heute von seinem "Kompagnon" geleitet. Er selbst ist aber auch wieder ins Geschäft eingestiegen, nachdem er die Klatsche bei der Wahl mental verarbeitet hatte. Ein Ausstieg aus der Politik aber war der Wiedereinstieg in den beruflichen Alltag nicht. Berlin hat ihn in den vergangenen vier Jahren nicht losgelassen. 2013 wurde er in den Bundesvorstand der FDP berufen, damals noch vom Vorsitzenden Philipp Rösler. Als netzpolitischer Sprecher der Partei ist der 48-Jährige auch nicht irgendein Platzhalter im Thomas-Dehler-Haus in Berlin-Mitte, sondern kümmert sich um ein Thema, das ihm erstens am Herzen liegt und zweitens zu den Kernpunkten des FDP-Wahlprogramms gehört: die Digitalisierung.

Momentan tourt Schulz durch den Landkreis, aber seine Wahlkampftour führt ihn auch in abgelegenere Regionen der Republik. Netzausbau, Breitbandversorgung, Bildung, Sicherheit - das sind die wichtigen Themenfelder, mit der die FDP und Schulz punkten wollen. Steuersenkungen? "Natürlich ist das auch noch ein zentraler Baustein liberaler Politik", sagt Schulz. "Aber wir wissen selbst, wohin es führt, wenn wir auf dieses Thema reduziert werden - oder uns selbst darauf reduzieren." Die Vielfalt einer liberalen Partei müsse sich auch im Programm widerspiegeln: "Auch das haben wir erst lernen müssen."

Wenn sich die Umfragen nicht irren, wird sein Kompagnon die Firma künftig wieder alleine führen müssen. Wohin aber treibt der persönliche Ehrgeiz Jimmy Schulz? "Unser großes Ziel ist die Rückkehr in den Bundestag. Dann sehen wir weiter", sagt er und sendet dennoch eine klare Botschaft an ein mögliches Revival einer schwarz-gelben Koalition: Gesichtserkennung im öffentlichen Raum etwa lehnt er strikt ab. Da würden "Freiheiten auf dem Altar der Sicherheit geopfert", sagt Schulz. Die "ansatzlose Vorratsdatenspeicherung", die in der CDU mehr Sympathisanten als Gegner hat, ist für Schulz ebenfalls eine "rote Linie", die er keinesfalls überschreiten werde. Auch das müsse eine Lehre aus 2013 sein. "In den Koalitionsverhandlungen 2009 haben wir zu viele Fehler und Zugeständnisse gemacht. So etwas darf uns nicht mehr passieren."

Unabhängig davon, ob es mit dem Wiedereinzug in den Bundestag etwas wird oder nicht, bleibt Jimmy Schulz immer noch sein Kreistagsmandat. "Das werde ich natürlich behalten", sagt Schulz. "Nirgendwo sonst wird so deutlich, was Politik bewegen kann."

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