Bürgermeister Christoph Böck im Gespräch:"Wir bündeln unsere Vorteile für Unternehmen"

Bürgermeister Christoph Böck im Gespräch: Christoph Böck aus Unterschleißheim ist mittlerweile der dienstälteste Bürgermeister der Nordallianz.

Christoph Böck aus Unterschleißheim ist mittlerweile der dienstälteste Bürgermeister der Nordallianz.

(Foto: Robert Haas)

Unterschleißheims Bürgermeister Christoph Böck will mit seinen Kollegen die Kommunen der Nordallianz als Standort vermarkten und gleichzeitig den Verkehrsinfarkt abwenden

Interview von Klaus Bachhuber und Gudrun Passarge, Unterschleißheim

Die Nordallianz ist der Zusammenschluss der acht Kommunen Eching, Garching, Hallbergmoos, Ismaning, Neufahrn, Oberschleißheim, Unterföhring und Unterschleißheim. Bei der Gründung 1982 ging es um die Abwehr von Negativeinrichtungen, heute steht eher die Stärkung des Wirtschaftsraums im Vordergrund sowie die Erhaltung der Lebensqualität. Wie das funktionieren kann, erläutert der Unterschleißheimer Bürgermeister Christoph Böck (SPD).

Sie sind mit drei Jahren Diensterfahrung mittlerweile in der Nordallianz der Bürgermeister mit der längsten Amtszeit. Wie ist das, wenn da jetzt lauter Bürgermeister ohne Erfahrung dabei sind?

Dass die Nordallianz jetzt viele neue Bürgermeister mit neuen Ideen hat, ist sehr positiv. Wir begegnen uns auf Augenhöhe. Und das Schöne ist auch, dass wir uns eigentlich alle - das war nicht immer so gegeben - auch sehr gut verstehen untereinander. Wir sind alle etwa im selben Alter, neu im Amt des Bürgermeisters. Wir haben eine starke Verbundenheit untereinander, und damit auch das Bestreben, gemeinsam etwas voran zu bringen. Das Miteinander ist noch einmal stärker in den Vordergrund gerückt.

Inwieweit sieht sich denn die Nordallianz als gemeinsame Kraft? Im Zweifelsfall konkurrieren die Orte ja dann doch wieder, beispielsweise um Gewerbeansiedlungen, oder sie lagern Verkehr beim Nachbarn ab. Jeder ist sich doch selbst der nächste, oder?

Das glaube ich persönlich nicht. Das haben auch die Gespräche und unser Workshop gezeigt, dass wir ein neues Verständnis entwickeln. Gerade bei Verkehr und Wirtschaft. Wir haben ganz klar gesagt, wir wollen uns als Wirtschaftsregion präsentieren. Als einzelne Kommune sind wir nach wie vor zu klein, aber als Wirtschaftsregion mit mehr als 100 000 Arbeitsplätzen sind wir schlagkräftig und haben Gewicht. Es ist am Schluss nicht entscheidend für uns, ob jetzt das Unternehmen in die eine Kommune geht oder in die andere Kommune. Wichtig ist vielmehr, dass wir den Wirtschaftsstandort der Nordallianz insgesamt stärken, ihn auch als Marke, als Region stärken, wovon dann alle profitieren können. Wir bündeln unsere Vorteile für Unternehmen, und jede Kommune kommt dadurch bei neuen Gewerbeansiedelungen zum Zuge. Hilfreich ist hierbei auch, dass wir ungefähr alle einen ähnlichen Gewerbesteuersatz anwenden und damit nicht gegenseitig in Konkurrenz zueinander stehen. Die Probleme, die wir haben in der Region, entstehen nicht dadurch, dass es uns schlecht geht, sondern weil es uns gut geht.

Und wie sieht das beim Verkehr aus?

Auch da das ganz klare Bekenntnis, die einzelne Kommune kann die Verkehrsproblematik in unserer Region nicht lösen. Das geht nur im Verbund. Das haben wir uns auch als Schwerpunkt gesetzt, das Thema Verkehr gemeinsam anzugehen. Wir werden ein eigenen Verkehrskonzept entwickeln für die Nordallianz.

Haben Sie schon konkrete Vorstellungen, was die Nordallianz leisten könnte?

Wir als neue Bürgermeister haben uns beim Workshop darauf verständigt, was wir in den nächsten Jahren erreichen wollen. Gemeinsam haben wir einen neuen Slogan entwickelt, der selbstbewusst unseren Anspruch unterstreicht: 2026 - wir sind Vorbildregion Deutschlands für wirtschaftlichen Erfolg und Lebensqualität durch strategische und technologische Zusammenarbeit unserer Kommunen.

Das klingt nach alles und jedem.

Uns ging's nicht darum, etwas druckreif für die Presse zu erarbeiten, sondern wir wollten sagen, so verstehen wir uns. Da ist natürlich das Thema Wirtschaft dabei, aber es geht auch gerade um die Lebensqualität. Das ist unsere gemeinsame Basis, wo wir uns alle wiederfinden. Wir haben das aufgegliedert und uns Arbeitsfelder gegeben. Unter anderem beim Thema Topwirtschaftsstandort. Wir wollen den Standort gemeinsam ausbauen, die Marke Nordallianz nach vorne bringen, noch stärker wahrnehmbar werden. Uns geht's gut, unbestritten. Aber wir sind auch realistisch. Der Wegzug von Microsoft nach München zeigt, dass wir im Vergleich zur Landeshauptstadt noch etwas tun müssen, um als Marke wahrgenommen zu werden und diesen Standort auch nach außen hin darzustellen.

Wie könnte das funktionieren?

Wir haben uns das Thema digitale Wirtschaft, digitale Transformation als große Aufgabe gestellt. Wir wollen uns in Richtung "Smart Region" neue Zielsetzungen geben. Hier haben wir auch schon die ersten konkreten Schritte unternommen.

Welche zum Beispiel?

Zum Beispiel hier in Unterschleißheim haben wir gerade den ACU, Accelerator Community Unterschleißheim, gegründet. Ein sogenannter Beschleuniger für Unternehmensgründer mit Sitz am Business Campus. Es ist ein Baustein, um auch die Gründerszene in der Region voranzubringen und hier eine stärke Basis in der Nordallianz zu schaffen, weil es einfach wichtig ist, vor Ort neue Ideen und Innovationen zu verwirklichen. Bei dem Thema Smart City sind wir auch in konkreten Gesprächen und wollen am Business Campus den ein oder anderen Meilenstein realisieren. Lösungen für Mobilitätsfragen zu entwickeln ist eine der Zukunftsfragen, die wir mit aller Kraft unterstützen werden.

Womit wir wieder beim Thema Verkehr wären.

Ja, das von uns in Auftrag gegebene Verkehrsgutachten zeigt uns ganz klar auf, an welchen Punkten wir als Nordallianz Verbesserungen schaffen müssen.

Was stellt sich die Nordallianz denn da vor?

Wir sind alle der gleichen Meinung, dass es nur Lösungen geben muss, die allen Kommunen Verbesserungen bringen. Es macht ja keinen Sinn etwa, wie schon diskutiert, die B 471 bis Hochbrück vierspurig auszubauen, und dann habe ich den Engpass in Oberschleißheim. Der Bundesverkehrswegeplan spielt eine wichtige Rolle für unsere Planungen. Dort sind viele Straßenverkehrsprojekte wie der Ausbau von Autobahnen, Bundesstraßen und Ortsumgehungen enthalten. Aber das ist ja nur ein Aspekt. Mindestens genauso wichtig ist es uns, dass Mobilität insbesondere in unserer Region nur funktionieren kann, wenn wir einen wesentlich stärken Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs erreichen. Wir brauchen klar auch die Tangentialverbindungen zwischen den einzelnen Kommunen noch viel stärker. Wir brauchen diese Verstärkung auch auf dieser Achse nach München rein, das kann aber letztlich erst mit dem zweiten Tunnel passieren.

Wie geht die Nordallianz mit dem Thema Siedlungsdruck um? Wo soll es hingehen? Gibt es Lösungsansätze?

Natürlich sieht jeder, dass wir hier aktiv werden müssen. Wir sehen alle miteinander, dass wir für unsere Kommunen etwas tun müssen. Für diejenigen, die sich das Wohnen nicht mehr leisten können, und für diejenigen, die neuen Wohnraum suchen. Wir brauchen für alle Menschen ein passendes Angebot. Wir diskutieren natürlich auch die soziale Bodennutzung, so wie es sie bei uns in Unterschleißheim schon gibt. Vor allen Dingen wollen wir uns innerhalb der Nordallianz nicht in eine Konkurrenzsituation bringen, wo der eine mehr bietet als der andere, damit die Bürger oder das Unternehmen an den Standort kommen. Wir müssen uns auch beim Thema bezahlbarer Wohnraum gegenseitig abstimmen.

In Unterschleißheim sind Sie gerade dabei, einen neuen Flächennutzungsplan zu erarbeiten. Wohin geht die Reise?

Die Region wird sich weiterentwickeln, sie wird wachsen. Für Unterschleißheim entscheidet das der Stadtrat. Ich kann jetzt nur sagen, dass ich glaube, dass wir weiter ein moderates Wachstum haben werden, so wie in den vergangenen 20 Jahren. Das wird zum einen erfolgen durch Verdichtung im Bestand, es wird erfolgen durch Umwandlung von Gewerbegebieten in Wohnbauflächen und es wird zu einem bestimmten Anteil entstehen durch Ausweisung von Neubauflächen. Das ist deshalb so wichtig, weil die Ausweisung von Neubauflächen die einzige Chance der Stadt ist, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Das geht nur, wenn ich dort ein Instrument wie soziale Bodennutzung zur Anwendung bringe und die Kommune ein Drittel der neuen Bauflächen für soziale Zwecke erhält.

Gibt es eine Obergrenze fürs Wachstum?

Wir hatten ursprünglich beim Beginn der Neuaufstellung des Flächennutzungsplanes im Jahr 2008 gesagt, wir sehen ein jährliches Wachstum von 0,5 Prozent. Das war zu einer Zeit, als der Wohnungsdruck auf die Region noch nicht so groß war wie heute. Hier hat insbesondere in den vergangenen zwei, drei Jahren eine Veränderung stattgefunden. Sie kriegen keine Wohnung mehr in Unterschleißheim, Sie finden gar nichts mehr. Es ist fast nichts mehr auf dem Markt. Wir müssen schauen, wenn wir neue Wohnbebauung realisieren, gerade auch für Senioren ein Angebot zu schaffen, damit diejenigen, die jetzt allein oder zu zweit in ihrem Einfamilienhaus wohnen, die Möglichkeit haben umzuziehen und dafür ihr Haus für eine Familie mit vier oder fünf Personen freimachen. Das halte ich für ein wichtiges Ziel.

Aber zurück zu den Zahlen. Wie hoch soll das Wachstum wirklich sein?

0,5 war damals, das sehe ich noch. Ich habe es ausgerechnet von 2006 ausgehend - obwohl wir im Vorjahr einen großen Sprung gemacht haben durch die Fertigstellung der drei großen Wohnbaugebiete, wir liegen ungefähr auf dem Niveau von 0,5 Prozent. Wir sind jetzt leicht drüber, aber jetzt muss man wissen, die nächsten vier Jahre werden keine neuen Wohnbereiche mehr in Unterschleißheim entstehen, weil nichts mehr in der Pipeline ist.

Noch einmal zur Nordallianz. Wie würden Sie dem Bürger dieses Bündnis kurz erklären?

Das Ziel ist, eine Verbesserung zu erreichen für die Bürger. Wir leben in einem Raum, der eine hohe Lebens- und Aufenthaltsqualität hat, die gilt es, auch in der Zukunft zu erhalten. Dazu müssen auch Dinge angegangen werden, die heute als Probleme wahrgenommen werden, wie das Thema Verkehr, wie das Thema Wohnen.

Wie läuft das in der Praxis ab?

In dem Workshop, in dem wir unsere Ziele definiert haben, haben wir auch Themenbereiche vergeben. Beim Punkt Anwerbung von Start-ups und jungen Unternehmen steht jetzt mein Name dahinter, das heißt, ich habe die Themenführerschaft übernommen. Aber nicht für Unterschleißheim, sondern für alle Nordallianz-Kommunen.

Sie werben also jetzt dafür, dass man sich als Start-up super in der Nordallianz niederlassen kann. Und wenn dann die Unternehmen nach Neufahrn gehen, dann ist das eben so?

Ja, dann ist das so. Da profitieren alle davon. Unsere Konkurrenten sind ja nicht die anderen Kommunen der Nordallianz, sondern München und der Flughafen. Und es gibt auch viele Themenfelder, wo Unterschleißheim von der Unterstützung anderer Kommunen profitieren wird.

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