Die FDP gilt gemeinhin nicht als sonderlich aktive Protestpartei. In Pullach aber werden die Liberalen an diesem Donnerstag, 11. Mai, ihren Unmut auf die Straße tragen. Auslöser ist der Auftritt der Journalistin, Autorin und Kapitalismuskritikerin Ulrike Herrmann am selben Abend im Pullacher Bürgerhaus (19.30 Uhr), wo sie auf Einladung der Gemeinde im Rahmen einer Vortragsreihe zum Klimaschutz zu Gast sein wird. Eine halbe Stunde vor deren Vortrag organisiert daher der FDP-Ortsverband vor dem Bürgerhaus eine Demonstration unter dem Motto "Ökologische Effizienz durch soziale Marktwirtschaft".
Fast scheint es so, als finde im beschaulichen Pullach der permanent in Berlin ausgetragene Kulturkampf um die politische Deutungshoheit eine lokale Fortsetzung. Oder wie es FDP-Gemeinderat Michael Reich, der die Demo mit organisiert, ausdrückt: "Das Problem, das wir sehen, ist, dass der Klimawandel zum Anlass genommen wird, eine Diskussion über den Systemwechsel zu führen."

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Was den Auftritt Herrmanns in Pullach betrifft, wirft Reich der Gemeindeverwaltung um Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) zumindest "Schlamperei" vor. Schließlich habe diese eine Ankündigung der Veranstaltung formuliert, die überhaupt erst die Aufmerksamkeit seiner Partei geweckt hatte. Beworben wird der Auftritt Herrmanns mit den einleitenden Worten, der Kapitalismus habe "zweifellos viele positive Effekte gebracht, wie beispielsweise Demokratie, Wohlstand, längeres Leben, mehr Gleichberechtigung und Bildung". Um dann, wie Reich kritisiert, eindeutig wertend fortzufahren: "Allerdings zerstört er auch Klima und Umwelt, was die Menschheit nun existenziell gefährdet." Eine Gemeinde dürfe sich so eine Haltung nicht zu eigen machen, sagt der FDP-Gemeinderat.
Die Autorin sieht die Ressourcen am Ende
Der Bürgermeisterin will Reich aber keinen Vorwurf machen. Nicht alles gehe über deren Tisch, auch achte Tausendfreund sicher das Neutralitätsgebot. "Das war wahrscheinlich die Meinung eines einzelnen in der Verwaltung. Aber ohne die Ankündigung hätten wir gar nicht reagiert." Der Protest richtet sich dem FDP-Politiker zufolge daher vor allem gegen die Person Herrmann und deren politische Haltung.
Die 59-jährige Autorin ist bei den Themen Klimaschutz und Ökonomie ein gern gesehener Gast in Talkshows. Zuletzt hat sie in ihrem 2022 erschienenen Buch "Das Ende des Kapitalismus" einen Abgesang auf das bestehende Wirtschaftssystem formuliert, dem Wachstum eine Absage erteilt und stattdessen formuliert, die Bekämpfung der Klimakrise sei nur mit einem Schrumpfen desselben zu erreichen - weil die Ressourcen am Ende seien.
Wie viele Menschen dem Protestaufruf folgen werden, bleibt abzuwarten. Die Demo ist mit zehn Personen angemeldet. Aktiv an der anschließenden Vortragsveranstaltung mit anschließender Diskussionsrunde teilnehmen, will die FDP nicht. Dort würde man nur als Störer wahrgenommen, so Reich. Bürgermeisterin Tausendfreund war am Dienstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.