Bürgerentscheid:Streit um das neue Gesicht Kirchheims

Zum Entscheid über die geplante Ortsmitte gibt es unterschiedliche Meinungen. Rüdiger Zwarg und Mitstreiter kämpfen für ein Nein

Von Christina Hertel, Kirchheim

Bis die Bürger über die Kirchheimer Ortsentwicklung abstimmen, sind es noch knapp vier Wochen. Nicht mehr besonders lange also, wenn man bedenkt, dass schon seit etwa 40 Jahren darüber gestritten wird, wie die Ortsteile Kirchheim und Heimstetten zusammenwachsen sollen. Aber doch noch genug Zeit für Streit. In den vergangen Wochen wurden die kritischen Stimmen lauter. Sie fragen, ob der Ort durch die Maßnahme seinen Charakter verlieren könnte. Ob die Gemeinde tatsächlich alle Zahlen so transparent dargelegt hat, wie es der Bürgermeister versprach. Und, ob sich im Wahlkampf alle an die Regeln halten. Erst kürzlich beschwerte sich Gemeinderat Rüdiger Zwarg (Grüne) beim Landratsamt, weil er glaubte, dass sich die Befürworter der Ortsentwicklung nicht an die Vorschriften für die Plakatierung halten.

Ein kurzer Blick zurück: Am 4. Oktober 2016 schien es, als sei die erste große Hürde genommen. Der Gemeinderat sprach sich mehrheitlich für das Konzept mit Ortspark aus, in dem Gymnasium, Rathaus, Kindergärten ihren Platz finden. 19 von 20 Gemeinderäten stimmten dafür. Der eine, der bei "ja" nicht die Hand hob, heißt Rüdiger Zwarg. Ihn störte, dass sich der Entwurf für die Pläne verändert hat.

Zum Beispiel hat sich die Fläche des Umgriffs etwa halbiert - auf zirka 500 000 Quadratmeter. Wohnraum soll dort für fast 2000 Menschen entstehen. Etwa gleich viele sollen in Wohnungen wie in Einfamilienhäusern leben. Die Pläne aus dem Jahr 2011 sahen noch anders aus: Mehr Häuschen mit Garten, weniger Geschosswohnungsbau. Um durchzusetzen, dass die Gemeinde wieder zu dieser älteren Planung zurückkehrt, wollte Zwarg veranlassen, dass die Kirchheimer beim Bürgerentscheid über zwei Fragen abstimmen sollten. Das scheiterte. Denn dafür hätte er Unterschriften sammeln müssen. Doch er begann erst gar nicht damit, weil er beruflich zu sehr eingespannt gewesen sei, wie er sagt. Deshalb heißt jetzt sein neues Ziel: die Bürger zum "Nein" zu veranlassen. Er geht davon aus, dass dann die Pläne der vergangenen Jahre nichtig sind und dann automatisch die Uhren zurückgedreht werden. Ob das aber tatsächlich zwangsläufig so ist, kann bezweifelt werden. Verträge müssten neu ausgearbeitet werden. Und das würde Zeit kosten.

Für sein Projekt hat Zwarg Gleichgesinnte gefunden. Wolfgang Heinz-Fischer (VFW) und Marcel Proffert (LWK). Zu Dritt haben Zwarg, Proffert und Heinz-Fischer eine Broschüre erarbeitet. "Kirchheim 2030 ist ein Rückschritt" lautet der Titel. Gemeinsam wollen sie noch Flyer verteilen und haben bereits Infoabende veranstaltet. "Die Bevölkerung soll aufgeklärt werden", sagt Heinz-Fischer. Er befürchtet, dass Kirchheim seinen Charakter verlieren könnte. Aus Heinz-Fischers Sicht werde zu dicht und zu hoch gebaut. Er glaubt, dass die Flächen, die aus der jetzigen Planung herausgefallen sind, auch bald bebaut werden könnten. "Dann würden wir nicht auf 16 000 Einwohner wachsen, sondern auf mehr als 20 000. Aber das wird vom Rathaus gar nicht erläutert." Heinz-Fischer wird beim Entscheid am 24. September mit "nein" stimmen. Für den Rest der Kirchheimer Freien Wähler gilt das nicht unbedingt. "Wir sind uns nicht einig und werden keine Wahlempfehlung abgeben."

Was Heinz-Fischer vielleicht noch mehr stört als das Verhältnis von Reihenhäusern zu Wohnungen, ist die Art, wie Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) und die anderen Befürworter für das Projekt geworben haben. Etwa 150 000 Euro gab die Gemeinde für Infomaterial und Veranstaltungen aus. Zu viel Geld findet Heinz-Fischer. Noch dazu, weil aus seiner Sicht die Bürger nicht neutral informiert worden seien. Seine und Zwargs Meinung hätte zu wenig Chancen gehabt, zur Öffentlichkeit durchzudringen. Auch die Plakate, die seit kurzem im Ort hängen, stören die beiden.

"Ja zum neuen Gymnasium hier am Ort! Ja zu Kirchheim 2030" steht etwa auf einem Plakat, das die Bürgerinitiative "Bürger pro 2030" aufgehängt haben. Heinz-Fischer und Zwarg sagen: "Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun." Gymnasium und Ortsentwicklung zu verknüpfen, sei Erpressung. Außerdem wurden sie aus Zwargs Sicht zu früh aufgehängt. "Plakate oder Anschläge dürfen grundsätzlich nicht länger als vier Wochen vor der Veranstaltung aufgestellt werden", steht in der Plakatierungsverordnung der Gemeinde.

"Es handelt sich aber um keine Veranstaltung, sondern um eine Wahl", sagt Kirchheims Dritter Bürgermeister Gerd Kleiber von der FDP. Und bei Abstimmungen dürfen Plakate tatsächlich schon sechs Wochen vor der Wahl aufgehängt werden. Zwarg meint, das gilt für eine Bürgerinitiative nicht. Kleiber, das Ordnungsamt und auch das Landratsamt sehen das jedoch anders. Und so drehen sich in der Gemeinde alle im Kreis. Bleibt die Frage nach den Motiven. Gemeinderat Stefan Keck (SPD) hat dafür zumindest eine Theorie: "Das ist Opposition um der Opposition willen." Und er sagt außerdem: "Komischerweise habe ich Rüdiger Zwarg bei den ganzen Informationsveranstaltungen die vergangenen Wochen nicht oft gesehen. Und geäußert hat er sich auch nie. Wenn ihm etwas nicht passt, hätte er sich dort doch einbringen können."

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