Bürgerbeteiligung:Mitreden will gelernt sein

Vor der Kommunalwahl versuchen Politiker, die Bevölkerung in Entscheidungen einzubeziehen. Doch ein solches Vorgehen sollte professionell vorbereitet sein

Kommentar Von Bernhard Lohr

Je näher die Wahlen rücken, desto lauter werden die Rufe nach Transparenz und Bürgerbeteiligung. Es kommt an, wenn jemand ein offenes Ohr zeigt und sich zum Fürsprecher der Interessen derer macht, für deren Wohl er als Bürgermeister, Stadt- oder Gemeinderat später im Rathaus Verantwortung übernehmen will. Deshalb begeben sich die Kandidaten in der Kälte zu Ortsteilgesprächen, suchen am Lagerfeuer bei heißen Maroni das Gespräch und laden zu Workshops ein - immer verbunden mit dem großen Versprechen, den Willen des Bürgers später umzusetzen.

Wie anspruchsvoll es ist, dieses Versprechen in der Praxis zu halten, ist derzeit in Haar bei der Erarbeitung des "Integrierten Mobilitätskonzepts" zu beobachten. Das Rathaus hat Bürger befragt, der Verkehr wurde gezählt, es gab Workshops und jetzt läuft zum zweiten Mal ein Bürgerbeteiligungsprozess. Am Montagabend waren 140 Haarer im Bürgerhaus und konnten zu jeder der von Fachleuten vorgeschlagenen Verbesserungen Stellung nehmen. Bis Ende des Jahres ist zum zweiten Mal ein Online-Portal freigeschaltet. Die weitaus meisten Beiträge am Montag waren konstruktiv und orientierten sich an der Sache. Die Bürger waren interessiert, engagiert und es könnte wirklich gelingen, in Haar einige Defizite im Verkehrssystem zu beheben.

Dass das so funktioniert, hat aber auch viel damit zu tun, dass die Bürgerbeteiligung äußerst akribisch und professionell vorbereitet wurde. Die beteiligten Stadt- und Verkehrsplaner präsentierten sich bestens informiert. Die Moderation war sachlich und professionell. Das war auch notwendig. Denn Querschüsse gibt es, gerade vor der Wahl. Manche kritisieren, es dauere alles zu lange. Die gleichen beklagen, es werde doch nur über die Köpfe der Bürger hinweg entschieden. Es reicht nicht, nach Bürgerbeteiligung zu rufen. Wie das schiefgehen kann, erlebte Haar im Streit um den Wohnturm an der B304 und dem Bürgerentscheid 2014. Damals haben sich die Gegner des Projekts auf den Bürgerwillen berufen und Front gegen das Rathaus gemacht. Am Ende war das Klima im Ort vergiftet.

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