Süddeutsche Zeitung

Brunnthal:Quereinsteiger fürs Rathaus

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Breites Bündnis unterstützt Autohändler Gott bei seiner Bürgermeisterkandidatur

Von Bernhard Lohr, Brunnthal

Am Schluss verlässt Jürgen Gott sein Rednerpult. Seine erste Rede als Bürgermeisterkandidat beendet der 54-Jährige im Gehen. Von Tisch zu Tisch bewegt er sich, schaut jeden an und sagt: "Ich will raus aus der Komfortzone. Nur im Dialog kann ich mich weiterentwickeln." In einer bisher einmaligen Aktion haben am Donnerstag PWB, UBW, SPD und Grüne in der Hofoldinger Sportgaststätte einen gemeinsamen Herausforderer für CSU-Bürgermeister Stefan Kern vorgestellt. Sein Credo: Ein Neuer muss ins Rathaus, der was von Wirtschaft versteht und die Menschen zusammenführt.

17 Jahre ist Kern mittlerweile Bürgermeister. Die CSU verfügt seit 2014 über eine absolute Mehrheit. Nun wollen die zuletzt an den Rand gedrängten Parteien und Wählergruppen mit demonstrativer Geschlossenheit neue Verhältnisse erzwingen. Unter einem Großplakat mit Gotts Konterfei und den Logos aller vier Gruppierungen helfen auch Kreispolitiker wie die stellvertretende Landrätin Annette Ganssmüller-Maluche (SPD) sowie die Fraktionschefs Christoph Nadler (Grüne) und Florian Ernstberger (Freie Wähler) mit, ein Aufbruchsignal auszusenden, diesmal die CSU-Vorherrschaft brechen zu können.

Gelingen soll das mit dem politischen Quereinsteiger Jürgen Gott. Er ist Inhaber eines Toyota-Autohauses in Riemerling, das mittlerweile die erwachsenen Söhne führen. Er lebt seit 30 Jahren in Hofolding und hat als Vorsitzender des Gewerbeverbands Hohenbrunn Erfahrungen in der Verbandspolitik gesammelt. Dabei hat er nach eigenem Bekunden einiges aufgebaut und Freude entwickelt, Dinge zu gestalten, und das Selbstbewusstsein, in seiner Gemeinde manches besser machen zu können als der aktuelle Chef im Rathaus.

An Ansatzpunkten fehlt es ihm dabei nicht. Die Kritik am Kurs in Brunnthal ist zuletzt auch wegen der umstrittenen Millionen-Investition in die Ortsmitte gewachsen. Jürgen Gott spricht das Gasthof- und Hotelprojekt nicht direkt an, aber kritisiert "Misswirtschaft". Er stellt seinen Gegenentwurf einer "Mitmach-Gemeinde" vor und bekundet mehrmals, dass alle mitgenommen werden sollten. Als "Priorität Nummer eins" bezeichnet Gott "solide Finanzen". Er kündigt an, sein besonderes Augenmerk aufs Gewerbe zu richten, das schließlich die Steuern einbringe. Er werde regelmäßig mit Unternehmern das Gespräch suchen, sagt er. Als großen Fehler brandmarkt Gott, dass man Firmen wie die Ganser-Gruppe habe ziehen lassen, die ihren Standort habe ausbauen wollen. Mit einem Bürgermeister Gott soll das Turnhallenprojekt in Brunnthal wieder mehr Fahrt gewinnen, das auf Kosten der Ortsmitte geschoben wurde. Er streicht seine Erfahrung in Personalführung heraus und kritisiert eine hohe Mitarbeiterfluktuation im Rathaus. Dabei benötige Brunnthal eine effektive Verwaltung für anstehende Aufgaben. Gott plädiert für kostenfreie Kinderbetreuung, für günstigen Wohnraum, ein Seniorenheim und dafür, "Ökonomie und Ökologie" zu versöhnen. Er wirbt für "sanftes Wachstum". Brunnthal müsse mit seinen vielen Ortsteilen darauf achten, seinen Charakter zu bewahren.

Dabei gibt der Kfz-Meister zu erkennen, dass ihm an umweltfreundlicher Mobilität mehr liegt als an PS-Geprotze. Als 1997 der erste Toyota Prius als Hybrid-Wagen auf den Markt gekommen sei, habe er einen gekauft, in ein mobiles Blockheizkraftwerk umgebaut und das patentieren lassen. Das sei "die Zukunft", habe er sich gedacht und recht behalten.

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Quelle:
SZ vom 03.05.2019
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