Brunnthal:Ghizals Weg zum Einserabitur

Ghiza Brunnthal Afghanistan

Die 19-jährige Ghizal Niko.

(Foto: Claus Schunk)

Eine junge Frau aus Afghanistan hat trotz widriger Umstände in Neubiberg erfolgreich das Gymnasium abgeschlossen.

Von Antonia Hofmann, Brunnthal

Es ist ziemlich viel Aufregung um eine gute Note, das findet auch Ghizal Niko.

Die 19-Jährige lächelt immer wieder verlegen, als sie am Mittwoch im Brunnthaler Rathaus für ihr Einserabitur geehrt wird. Bürgermeister Stefan Kern (CSU) überreicht ihr eine Urkunde und Geschenke und wünscht der jungen Frau viel Glück. Mit einer Gesamtnote von 1,7 absolvierte Ghizal heuer die Prüfungen. Das ist eine beeindruckende Leistung - denn die junge Frau lebt mit ihrer Familie erst seit wenigen Jahren in Deutschland.

Ghizal kommt aus Afghanistan. 2013 zog sie mit ihren Eltern und den beiden Brüdern in die Brunnthaler Asylunterkunft. "Wir waren fünf Leute in eineinhalb Zimmern", erzählt Ghizal. Die vielen Kinder in der Unterkunft seien "relativ klein und relativ laut" gewesen. In Ruhe lernen - das war schwierig. Schließlich durfte die Schülerin in der Gemeindebücherei lernen. Jeden Tag nach der Schule und bis Mitternacht habe sie dort gebüffelt, sagt Ghizal. Dabei hatte sie ein ganz bestimmtes Ziel vor Augen: "Ich möchte Medizin studieren."

Ein Text über die Romantik

Ihr Abitur legte Ghizal im Frühjahr in fünf Fächern ab: Chemie, Englisch, Ethik, Mathe - und Deutsch. Die junge Afghanin schrieb einen Text über die Romantik, der mit 13 Punkten benotet wurde. Als Ghizal vor vier Jahren nach Brunnthal kam, stachen sie und ihre beide Brüder mit ihren guten Leistungen schnell heraus: Weil die drei die fremde Sprache so schnell lernten, ermöglichte der Soziale Hilfsring Brunnthal ihnen den Besuch eines Intensivkurses an der Volkshochschule München. "Es ist erstaunlich", wie schnell sie Deutsch gelernt habe, betont Kern. Leicht gefallen sei ihr das aber nicht, sagt Ghizal. "Ich habe viel gelernt und geübt." Für ihre Schulzeit bekam sie ein Stipendium bei der Robert-Bosch-Stiftung.

Der Weg zum deutschen Einser-Abitur war nicht ganz einfach. "Es ist nicht vorgesehen, dass Flüchtlingskinder aufs Gymnasium gehen", erklärt Hilde Miner vom Brunnthaler Helferkreis. "Das wird auch blockiert." Viele Leute hätten sich einsetzen müssen, um Ghizal das Abitur zu ermöglichen. Übertrittszeugnisse - wie man sie in Deutschland braucht - hatten sie und ihre Geschwister nicht. Das Gymnasium Neubiberg erklärte sich damals dennoch bereit, die Kinder probeweise aufzunehmen. Im kommenden Jahr wird Ghizals Zwillingsbruder sein Abitur machen, der 16-jährige jüngere Bruder folgt in ein paar Jahren. Die Eltern "sind natürlich stolz auf uns", sagt Ghizal.

In Afghanistan gebe es nur eine Schule für alle, erzählt die junge Frau. Der höchste Abschluss sei vergleichbar mit der Mittleren Reife. Fächer wie Wirtschaft oder Geografie gab es dort nicht. Und in Geschichte sei nur die Historie Afghanistans behandelt worden. Heute lebt nur noch ihr Opa in Afghanistan. Zuletzt sei ihr Onkel mit der Tante nach Indien gegangen, weil er verletzt worden sei. "Mädchen werden auf dem Schulweg entführt", erzählt die 19-Jährige. In Deutschland fühle sie sich "sehr sicher. Und ich habe mehr Rechte als Frau".

Als Flüchtlinge anerkannt

Das Asylverfahren der Familie zog sich allerdings über fast vier Jahre hin. Heute sind Ghizal und ihre Familie als Flüchtlinge anerkannt, es besteht Abschiebeverbot. Nach einem Jahr aber würde das wieder geprüft, sagt Ghizal. Ein Studium, meint sie, verbessere ihre Bleibechancen. "Das ist gesetzlich keine Sicherheit", fügt Miner hinzu.

"Ich hoffe, Brunnthal hat dir ein Stück Hilfe gegeben", sagt Kern. Die Gemeinde "ist ein schönes Dorf", findet Ghizal. Seit Juni wohnt die Familie nun aber bereits in München, wo Ghizal ein eigenes Zimmer hat. Die Ruhe sei wichtig für das Studium, sagt sie. Falls es mit dem Medizinstudium nicht klappt, will Ghizal Naturwissenschaften studieren und "in die Forschung gehen". Jetzt hofft sie aber erst einmal auf ein vorbereitendes Pflegepraktikum.

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