Süddeutsche Zeitung

Bildende Kunst:Exklusiver Gift Shop

In der Adventsaustellung der Galerie Kersten in Brunnthal kann man Werke namhafter Künstler bestaunen und erwerben - darunter auch eine Siebdruck-Grafik von Banksy.

Von Udo Watter, Brunnthal

Dass ein Bild mehr sagt als tausend Worte, würden gebildete Menschen nicht zu hundert Prozent unterstreichen. Es wäre vielleicht eine allzu bedingungslose Kapitulation vor dem Unterkomplexen. Aber klar ist: Eine klug gewählte Illustration vermittelt dem Betrachter häufig besser (oder zumindest schneller) komplizierte Sachverhalte als es ein langer Erklärungstext könnte. Der Wahrheit an sich sind weder Worte noch Bilder komplett verpflichtet, gerade in der heutigen, digitalen Zeit, aber um Wahrheit geht es in der Kunst ja nicht primär, höchstens um höhere Formen von Wahrheit, bei denen auch Illusion und schöner Schein nicht ausgeschlossen sind.

Sascha Lehmann, der sich als Künstler Saxa nennt, ist ein Wortmaler. Indem er seine Porträt-Bilder prominenter Persönlichkeiten mit Tuschestift Buchstabe für Buchstabe verbildlicht, sie quasi von Hand "schreibt", kombiniert er beide Sphären - Literatur und Bildende Kunst - auf ganz eigene Weise. In der Galerie Kersten in Brunnthal sind derzeit einige seiner Werke (Overpaintings auf Leinwand) zu sehen. Joseph Beuys, Audrey Hepburn oder Bruce Springsteen sind da zu erkennen, ihre Gesichter mit Zitaten oder Liedtexten gestalterisch kombiniert und in ihnen gleichsam badend. Ursprünglich wollten Holger und Barbara Weinstock, die Besitzer der Galerie, dem Kölner Künstler und Lyriker Saxa - das (katalanische) x wird wie sch ausgesprochen - eine Einzelausstellung inklusive Vernissage widmen wollen, aber aufgrund der pandemischen Lage haben sie sich dann doch umentschieden und eine Gruppenausstellung konzipiert. "Kunstvoller Advent" heißt die und neben ein paar Werken von Saxa, die es dann doch nach Brunnthal geschafft haben, vereint sie einige aktuelle Arbeiten zeitgenössischer, meist deutscher Künstler, aber auch Bilder, Unikate, Raritäten, Grafiken von nationaler und internationaler Prominenz.

Und die hat es nominell tatsächlich in sich: So sind in Brunnthal Werke von Banksy, Keith Haring, Andy Warhol, Robert Bailey oder auch Janosch zu sehen. Die Arbeit von Banksy ("Police Kids") liegt preislich noch mal einige Ebenen über den anderen - aber wer würde an der Klugheit des Kunstmarkts zweifeln? Daneben hängt ein großes, popbuntes Street-Art-Werk von Mr. Brainwash, das unter anderem wieder Motive von Banksy und Keith Haring zitiert. Als Mr. Brainwash firmiert der französische Künstler Thierry Guetta, der in Banksys ironischem Dokumentarfilm "Exit Through The Gift Shop" eine Hauptrolle spielt und deshalb von manchen auch für eine Kunstfigur des britischen Street-Art-Künstlers gehalten wird.

Auf eine andere Art ironisch und humorvoll sind die paar Werke von Janosch, die auch in dem großen, hellen Raum der Galerie im ersten Stock hängen. Allein das Paar in "Meine Frau sieht zuversichtlich in die Zukunft" mit starken rot-grünen Farbelementen und typischer Figürlichkeit und neckischen Details zieht den Blick an. "Ich mag seine naive wilde Kunst, jenseits der Tigerente", sagt Holger Weinstock über den 90-jährigen, auf Teneriffa lebenden Künstler, der auch schon zweimal zu Ausstellungen nach Brunnthal kam.

Begeistern kann sich Weinstock auch an Rupprecht Geiger. Seine drei Grafiken von 1970 sind absolute Blickfänger: Eine einfache geometrische Form (Kreis) leuchtende Farben und intensive Kontraste, zeitigen fast hypnotische Wirkungen . "Das sind schon irre Farben", so Weinstock. Daneben zieren zwei Keith-Haring-Werke die Wand, die zwei Jahrzehnte später entstanden sind: "Pop Shop VI" und "Fight Aids Worldwide".

Intensive, starke Farben dominieren ohnehin in der Ausstellung, neben Pop-Art gibt es auch Konkrete Kunst von Ralph Kerstner und Klaus Joas, aber auch feinzarte fotorealistische Aquarelle von Petra Levis. Zudem sind schwebende figürliche Skulpturen von Antonie de Andrés-Gayón zu sehen oder neue Bleistift-Zeichnungen mit Star-Wars-Motiven vom Robert Bailey, zu dessen Bewunderern George Lucas und Harrison Ford zählen.

Im Erdgeschoss, das relativ voll gestellt ist und tatsächlich etwas Weihnachtsmarktartiges hat, findet der spezielle Liebhaber noch Arbeiten von Katja Then, die nicht ganz so farbenfroh sind. Die Künstlerin, die ihre experimentellen Ideen mit den unterschiedlichsten Materialien umsetzt, zeigt graue Flusenhemden: Sie hat sie aus Trocknerflusen gesammelt und wieder in Form gebracht.

Ansonsten aber gelten primär die Worte Oscar Wildes, welche die Galerie ihrer Werkschau als Motto vorangestellt hat: "Mit der Freude, der Schönheit, den Farben des Lebens sollte man sich gleichstellen. Je weniger man über die Wunden des Daseins spricht, desto besser."

Die Ausstellung in der Galerie Kersten in Brunnthal, Otterloher Straße 6, dauert bis 15 Januar. Es gelten wie im Einzelhandel 2-G-Regeln.

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