Brunnthal:Eleganz trifft Disziplin

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Noch bis Sonntag ist das Gut Riedhausen Austragungsort für ein großes Dressurfestival. 300 Sportler aus Bayern, Österreich und der Schweiz kämpfen um die Gunst der Preisrichter. Darunter ist auch die Frau von Nationalspieler Thomas Müller.

Von Bernhard Lohr, Brunnthal

Wie von Zauberhand gesteuert scheint alles einem Plan zu folgen. Ein Fahrzeuggespann nach dem anderen schwenkt an diesem sonnigen Morgen auf die Wiese vor Gut Riedhausen ein. Reiter holen ihre Pferde aus den Hängern, während andere mit Helm in der Hand unbekannten Zielen entgegenstreben. Auf Reitplatz eins läuft derweil die erste Prüfung. "Achtkommanull, Achtkommanull", klingt die Stimme der Preisrichter aus den Lautsprechern. Während Fußball-Nationalspieler Thomas Müller in Frankreich auf sein erstes EM-Tor wartet, hat Ehefrau Lisa in der Dressurprüfung schon mal abgeräumt: Platz zwei, kurze Siegerehrung - weiter geht's.

300 Reiter und 572 Pferde sind für das Turnier angemeldet

Christina Schmidt verfolgt das alles offenbar tiefenentspannt. Es ist eine Großveranstaltung. Vier Tage lang treffen sich Reiter aus Bayern, Österreich und der Schweiz bei dem Dressurfestival auf Gut Riedhausen in Sichtweite der Häuser von Brunnthal-Ort. Die Anlage ist herausgeputzt, die Hecken frisch geschnitten, das Gras kurz gemäht.

Aus massiven Natursteinen wurde eine kleine Tribüne neu angelegt. Weiß gedeckte Bistrotische warten auf Gäste, während die Herrin des Hauses von der als VIP-Lounge bezeichneten kleinen Sofaecke aus unter einem Vordach der Reithalle das Geschehen verfolgt. 300 Reiter und 572 Pferde sind gemeldet. Kein Grund zur Sorge. "Wir sind ein eingespieltes Team", sagt sie.

Die 36-Jährige ist auf dem Gut aufgewachsen und hat den Aufbau des Reiterhofs von Kindesbeinen an seit Beginn der Neunzigerjahre begleitet. Sie ist Eigentümerin von Gut Riedhausen mit seinen Stallungen für 120 Pferde und den dazugehörigen 130 Hektar Land, von denen 80 Hektar Waldfläche sind. Der Reitbetrieb ist verpachtet an Ulrich Rasch, der mit seiner Geschäftsführerin Andrea Krauspe das Dressurfestival organisiert hat. Mit dabei war natürlich auch Christina Schmidt, konkret in ihrer Funktion als Vorsitzende des Reitvereins Gut Riedhausen, der mit seinen 176 Mitgliedern das Personal stellt, ohne das es nicht funktionieren würde.

850 Starts sind abzuwickeln. Es ist aber auch ein Fest mit Showcharakter für Reiter und Reitsportfreunde, vor allem wenn an diesem Samstag von 21.30 Uhr an bei Flutlicht die Grand-Prix-Kür über die Bühne geht: Dabei werden Reiter und Pferd zu eigener Musik und eigener Choreografie ein Schauspiel auf den Platz bringen.

Christina Schmidt zieht den Vergleich zum Eiskunstlauf. Er passt, etwa auch bei der Wertung durch Richter, die bei den Dressurprüfungen darüber entscheiden, ob Reiter oder Pferde Punkte ergattern, mit denen sie in den landes- und bundesweit geführten Ranglisten nach oben kommen können. Es geht an den drei Tagen knallhart um Leistung, in einem Sport, dem zudem etwas Elitäres anhaftet. Viele Reiter reisen mit ihren Pferden mit schweren Geländewagen samt Hänger an.

Es geht um Haltung, Selbstdisziplin und Etikette

Ein Pferd zu unterhalten, eine Reitbeteiligung oder auch nur eine Reitstunde - das alles muss man sich leisten können. Doch es geht auch um etwas, was sonst nur noch in wenigen Bereichen eine Rolle spielt. Um Haltung, Selbstdisziplin und Etikette: Die Reiter tragen zwingend weiße Hose, dunkle Sakkos und senken vor Beginn der Prüfung aufrecht im Sattel sitzend vor den Richterplätzen den Kopf. Der kleinste Wackler bei der anschließenden Volte oder Traversale mit dem Pferd wird von den Richtern gnadenlos bestraft.

Valeria Wentzler biegt mit ihrer Hannoveraner-Stute Darjeeling auf den Reitplatz zwei ein. Festival-Organisator Ulrich Rasch erhebt sich von seinem Platz. Er trainiert die Pullacherin, die soeben ihr Studium beendet hat, seit ihrer Kindheit. Reiterin und Pferd umrunden erst den Reitplatz, um sich mit den Gegebenheiten anzufreunden, dann beginnt der Reitvortrag mit starkem Schritt, von der aus es dann in den versammelten Galopp geht. Reiterin und Pferd absolvieren das alles fast fehlerfrei.

Rasch wirkt hinterher zufrieden. Er spricht die besondere Schwierigkeit der Zwei-Sterne-M-Prüfung mit mehreren "fliegenden Wechseln" an, das sei schon anspruchsvoll. Mutter Monika Wentzler sagt, "man ist eigentlich sehr aufgeregt". Sie hat ihre Tochter von klein auf begleitet, unzählige Male zum Reiten gefahren. Gesehen hat sie jetzt von deren großen Auftritt allerdings wenig. Sie hat gefilmt.

Heute ist Reiten beinahe ein Breitensport

Der Reitsport hat sich in den vergangenen gut 20 Jahren, die Christina Schmidt nah dran ist am Geschehen, aus ihrer Sicht hin zu einem Breitensport entwickelt. Turniere würden heute mit größeren Einschränkungen ausgeschrieben, um nicht überrollt zu werden mit Anmeldungen, sagt sie. Auch den harten Leistungsgedanken, das Elitäre, sieht sie eher auf dem Rückzug. Viele Mädchen und junge Frauen machen den Sport aus Liebe zum Tier.

Dass immer wieder Fälle bekannt werden, bei denen Reiter in übertriebenem Ehrgeiz Zügel zu hart anziehen und Pferde quälen, sieht Schmidt eher in den höheren Leistungsklassen, und da auch nur selten. In Riedhausen sind Tierärzte im Einsatz, die nach einem Losverfahren Pferde untersuchen und etwa kontrollieren, ob es Verletzungen am Maul gibt. Gezwungen ist der Veranstalter dazu nicht, es sei reine Selbstverpflichtung, heißt es.

Dass Reiter und Pferde sich fordern, ist vielleicht besser noch als auf dem Reitplatz in der Reithalle zu sehen, wo sich alle vor dem Auftritt einreiten und warmmachen. Die Gesichter der Reiter sind ernst, sie wirken fokussiert, wie sie dort ihre Runden drehen, die Pferde werden eng geführt. Dann kommt ein Ruf: "151 in die Vorbereitung!" Und der Reiter weiß, jetzt wird es gleich richtig ernst. Christina Schmidt verfolgt auch dieses Schauspiel mit äußerlicher Ruhe. "Ich habe momentan kein Pferd", sagt die 36-Jährige. Sie trete nicht an. Auch eine alte Freundin und eine ebenfalls passionierte Reiterin ist diesmal ohne Pferd da und spricht Schmidt mit einer Rhabarber-Schorle in der Hand an. Es sei schön, sich einfach mal wieder zu sehen und zu reden, sagt Jacqueline Dosa.

Hunde- und Pferdeliebe gehören bei Dressurfestival zusammen. (Foto: Angelika Bardehle)

Gesprächsstoff haben sie genug. Sie sind schon als Kinder gemeinsam auf Pferden gesessen. Im Sommer 1992 auf dem Gut Riedhausen, als es noch keine Reitplätze und keine Reithalle gab, und im Stall noch keine Boxen eingebaut waren. Dosa lacht und sagt: "Da sind wir im Stall geritten."

Das Dressurfestival auf Gut Riedhausen dauert bis zum 26. Juni. Am Samstag beginnen die Dressurprüfungen um 9.30 Uhr, am Sonntag um 8 Uhr. Höhepunkte sind die Grand-Prix-Kür bei Flutlicht am Samstag (21.30 Uhr) sowie der Porsche-Cup am Samstag und Sonntag mit je einer S-Prüfung und einer Sonderehrung für den besten Reiter.

© SZ vom 25.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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