Brunnthal:Ein Fest der Farben und Formen

Brunnthal, Galerie Kersten, Ausstellung Ida Kerkovius

Komposition mit Kreis: An die etwas in Vergessenheit geratene Künstlerin Ida Kerkovius erinnert eine Ausstellung in der Brunnthaler Galerie Kersten. Reproduktion Angelika Bardehle

Die Galerie Kersten würdigt Ida Kerkovius. Sie zählt zu den bedeutenden Künstlerinnen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Auch Werke ihrer Freunde Max Ackermann und Alexej von Jawlensky sind zu sehen - und eine echte Gabriele Münter.

Von Franziska Gerlach, Brunnthal

Ihre Bilder sind ein einziges Fest, ein Fest der Farben. Und obwohl sie über reichlich Pioniergeist verfügte, sich begeistert der Abstraktion zuwandte, kann der Unkundige ihren Namen nicht sogleich verorten. Das mag daran liegen, dass diese Künstlerin sich gar nicht einer Stilrichtung verpflichten wollte - einerseits. Vielleicht hat es aber auch noch einen anderen Grund.

"Ida Kerkovius ist leider etwas in Vergessenheit geraten, zu ihrer Zeit war sie das gar nicht", sagt Galerist Holger Weinstock und erklärt, dass dies oftmals das Resultat ungenügender Nachlasspflege sei. Zu ihrer Zeit aber war die 1879 in Riga geborene Kerkovius mitnichten eine Außenseiterin, sie war bestens vernetzt mit jenen Künstlern, die wie sie nach neuen Ausdrucksformen strebten - denen die realistische Darstellung öde vorkam, die etwas Einfacheres suchten, das vielleicht aber profunder war, mehr Kraft besaß.

Ida Kerkovius war befreundet mit Max Ackermann und Alexej von Jawlensky

Unter dem Titel "Ida Kerkovius" zeigt die Galerie Kersten in Brunnthal bis zum 2. April deren Werke, aber auch Bilder befreundeter Künstler wie Max Ackermann oder Alexej von Jawlensky sind zu sehen, sogar eine echte Gabriele Münter steht zum Verkauf.

Mit dieser darf Kerkovius guten Gewissens in einem Atemzug genannt werden, aber auch mit Käthe Kollwitz, Marianne von Werefkin oder Paula Modersohn-Becker - Kerkovius zählt unstrittig zu den bedeutenden Künstlerinnen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, ihre Kollegen achteten und schätzten sie. "Sie ist ganz Kunst", soll etwa Alexej von Jawlensky über sie gesagt haben, und Willi Baumeister musste zugeben: "In der Farbe ist sie uns allen überlegen."

Farblich überlegen, das schien die Deutsch-Baltin in der Tat. In Brunnthal begegnet einem die Wucht ihrer Kompositionen in rund 50 Arbeiten, Skizzen und Porträts, auch etliche Serigrafien ihrer in den Sechzigerjahren entstandenen Werke zeigt die Schau. Und wer sich der Künstlerin, die mit 91 Jahren ein stolzes Alter erreichte, in der Galerie nähert, dem wird ein bloßes Betrachten ihrer Werke kaum reichen. Manche ihrer Bilder erinnern an Franz Marc, dann wieder ist da ganz viel Paul Klee spürbar.

Die Nationalsozialisten diffamierten Ida Kerkovius' Kunst als "entartet"

Was war das für eine Frau, die in ihrer Kunst auch mal Mut zur Naivität bewies, die farbenprächtige Glasfenster entwarf und Stillleben kubistisch aufbrach, empfand sie so tief wie das Blau des von ihr geschaffenen Bergsees? War sie so anmutig wie die Bergwiese, die sie in zartem Pastell erstellte - oder konnte sie auch mal Rot werden vor Zorn? Die Intensität der Rottöne, mit der sie eine Ansicht des Gardasees geschaffen hat, lässt einen das jedenfalls glauben.

"Sie muss ein unglaublich lebensfroher, starker Mensch gewesen sein", sagt Weinstock, "eine Frau, die ihren Weg verfolgt hat". In den Sechzigerjahren stellte Kerkovius erfolgreich in Kairo, Athen oder Oslo aus, sie musste aber auch einstecken: Als 1933 die Nationalsozialisten die Macht ergreifen, wird ihre Kunst als entartet diffamiert. Bei einem Bombenangriff 1944 auf die baden-württembergische Landeshauptstadt, wo sie von 1939 an hauptsächlich lebte, brannte das Atelier der Künstlerin aus, die dem Kreis der Stuttgarter Avantgardisten zugerechnet wird.

Kerkovius studierte bei Adolf Hölzel, Adolf Mayer und am Bauhaus

Ganz augenscheinlich war Ida Kerkovius eine, die niemals still stand, die Inspiration zog aus ihren Reisen nach Italien, Frankreich oder Skandinavien, und die als Lehrerin ihr Wissen gerne weitergab. Die Befähigung dazu hatte sie im Zuge ihrer Ausbildung an einer privaten Mal- und Zeichenschule in Riga erworben.

1903 setzte die junge Frau durch, fünf Monate lang bei Adolf Hölzel in Dachau studieren zu dürfen. "Mich interessierte die Sache mit der Fläche", schrieb die Künstlerin später. Bei Hölzel lernte sie, Bilder als Eigenwelten aus Farbe und Form zu verstehen und wie man die Natur durch starke Vereinfachung verwandeln konnte - gewissermaßen das Unwichtige wegzulassen.

1908 ging sie nach Berlin und lernte an der Kunstschule von Adolf Mayer, nach dem Modell zu malen. Doch der dort gelehrte akademische Stil gefiel ihr nicht, und so zog Kerkovius zu Hölzel nach Stuttgart, der dort an der Königlich Württembergischen Akademie der Bildenden Künste eine Professur hatte. Als seine Meisterschülerin und Assistentin unterrichtete sie dort Oskar Schlemmer und Willi Baumeister sowie den jungen Johannes Itten - als sie von 1920 bis 1923 am Bauhaus in Weimar studierte, war es andersherum. Itten unterrichtete die damals bereits 41 Jahre alte Kerkovius, die eine Ausbildung zur Teppich- und Bildweberin erfuhr.

Seltsam? Nicht damals. Zu einer Zeit, als Kunst immer auch Austausch war. "Das war ein Geben und Nehmen", sagt Weinstock. "Und schöne Geschichten, die erzählt werden."

"Ida Kerkovius" wird mit einer Vernissage am Freitag, 26. Februar, 19.30 Uhr, in der Galerie Kersten, Otterloher Straße 6, in Brunnthal eröffnet. Die Ausstellung ist bis zum 2. April 2016 Montag bis Freitag von 9 bis 12.30 und 14 bis 18 Uhr, Samstag von 10 bis 13 Uhr und Sonntag von 13 bis 16 Uhr zu sehen.

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