Brunner-Prozess in München:Sie wussten, was sie taten

"Durchschnittlich intelligent": Im Prozess um den Tod von Dominik Brunner kommt ein Gutachter zu dem Schluss, dass die Angeklagten sich ihrer Handlungen voll bewusst waren.

Christian Rost

Sie sind durchschnittlich intelligent und haben einen Menschen auf dem Gewissen. Markus Sch. und Sebastian L., die wegen Mordes an Dominik Brunner vor Gericht stehen, müssen sich bei der Gewalttat am 12.September 2009 am Sollner S-Bahnhof ihrer Handlungen voll bewusst gewesen sein. Zu diesem Schluss kommt der Psychologe Günther Lauber, der am Montag vor der Jugendkammer des Münchner Landgerichts seine Einschätzungen zu den Angeklagten abgab. Demnach gibt es keine Anhaltspunkte für "eine Beeinträchtigung oder Aufhebung der Steuerungsfähigkeit".

Im Fall von Markus Sch., der zur Tatzeit 18 Jahre alt war und auch nach dem erheblich schärferen Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden könnte, erkannte der Psychologe Anhaltspunkte für eine Reifeverzögerung. Schließen sich der Psychiater Franz Joseph Freisleder, der sein Gutachten am Mittwoch vorlegt, und auch die Jugendkammer dieser Auffassung an, wird Sch. zu höchstens zehn Jahren Haft verurteilt. Bei dem heute 19-Jährigen musste Lauber sein Gutachten ohne die Mitwirkung des Angeklagten erstellen. Sch. wollte sich keinen psychologischen Tests unterziehen.

Sebastian L., der mit Lauber kooperierte und dabei auf einen "normalen IQ-Wert" von 104 kam, kann nach derzeitigem Verhandlungsstand damit rechnen, nicht wegen Mordes verurteilt zu werden. Für den zur Tatzeit 17-Jährigen gilt ohnehin das Jugendstrafrecht. Im Gegensatz zu Sch. konnten ihm keine Tritte gegen den Kopf des Opfers nachgewiesen werden. Zeugen schilderten ihn bei dem Gewaltexzess als den passiveren Part. Um seine Position in diesem für beide Angeklagten anfangs noch aussichtslosen Prozess weiter zu verbessern, sagte L. vor der Jugendkammer aus. Am Montag schilderte der 18-Jährige seine Kindheit, Jugend, frühe Drogenerfahrungen und die Trennung der Eltern.

Der Vater zog aus, als der Bub vier Jahre alt war. Bis seine Mutter 2004 nach einem Hirnschlag zum Pflegefall wurde, lebte er bei ihr im Glockenbachviertel. Bis 2008 war er dann beim Vater in Ramersdorf. Der Speditionskaufmann erlitt jedoch ebenfalls einen Hirnschlag, der tödlich endete. Weil L. zuvor mit seinem Vater gestritten hatte, machte er sich danach Vorwürfe. Beide Eltern hatten regelmäßig und zu viel getrunken. L. sagte, er habe nach dem Verlust des Vaters "keinen Sinn" mehr im Leben gesehen.

Er kam in mehrere Heime und Jugendeinrichtungen, zuletzt war er in einer Wohngemeinschaft von Condrobs. Mit dem Konsum von Alkohol und Drogen hatte L. im Alter von nur elf Jahren begonnen. Lauber bescheinigte L. ein "kräftiges Aggressionpotential".

Bei Markus Sch., dem der Psychologe eine "egozentrische Grundhaltung" attestierte, war der Bruder die alles überragende Figur. Nach den Schilderungen einer Mitarbeiterin der Jugendhilfe hatten beide einen schwunghaften Drogenhandel betrieben. Als der Bruder dann zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, rastete Markus Sch. aus. Er nahm eine Gaspistole und raubte einen Mann aus. "Ok, dann komm' ich halt zu meinem Bruder", soll sich Sch. über seine Tat geäußert haben.

Trotz eines Jugendarrestes und gerichtlicher Auflagen wurde Sch. bald wieder straffällig. Er handelte weiter mit Drogen und wurde mit 50 Gramm Haschisch erwischt. Just an dem Tag, als er deswegen eine Vorladung vom Gericht erhielt und damit rechnen musste, selbst ins Gefängnis zu kommen, schlug er mit L. Dominik Brunner zusammen. "Ich verstehe das nicht", sagte der Vorsitzende Richter Reinhold Baier: "War denn die Anklage, die Sie am selben Tag erhielten, kein Warnschuss für Sie?" Sch. blieb dem Richter eine Antwort schuldig.

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